Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 27.03.1990) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. März 1990 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Klägerin wendet sich gegen einen von der Beklagten gemäß § 117 Abs 4 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) geltend gemachten Erstattungsanspruch.
Die 1957 geborene Klägerin war seit dem 1. April 1978 als Verkäuferin in einer Uelzener Filiale der R. Drogerie-Märkte GmbH & Co KG, H. (R.-KG), beschäftigt. Die ordentliche Kündigungsfrist betrug sechs Wochen zum Vierteljahresschluß. Am 29. März 1984 wurde über das Vermögen der R.-KG das Konkursverfahren eröffnet. Der Konkursverwalter stellte die Klägerin noch am selben Tag mit sofortiger Wirkung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von der Arbeit frei. Mit Schreiben vom 10. April 1984 kündigte er das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. Juni 1984. Dagegen erhob die Klägerin vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Kündigungsschutzklage (2 Ca 548/84).
Am 3. April 1984 hatte sich die Klägerin arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld (Alg) beantragt. Das Arbeitsamt (ArbA) gewährte ihr – nach vorherigem Hinweis auf einen möglichen Anspruchsübergang gemäß § 117 AFG iVm § 115 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) – Alg ab Antragstellung mit einem wochentäglichen Leistungssatz von 24,40 DM (Bescheid vom 27. April 1984).
Zum 30. März 1984 war nach Auffassung der Klägerin zwischen der R.-KG und der Drogerien-Beteiligungsgesellschaft mbH, B. (DB-GmbH) ein Betriebsübergang iS des § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zustande gekommen. Die Klägerin beanspruchte daher gegenüber der DB-GmbH die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses zu den Bedingungen, die mit der R.-KG vereinbart worden waren. Die DB-GmbH bot der Klägerin den Abschluß eines neuen Vertrages zu ungünstigeren Bedingungen (und zunächst nur auf Probe) an, was von der Klägerin abgelehnt wurde. Auf die Klage der Klägerin stellte das ArbG (2 Ca 690/84) fest, daß zwischen der Klägerin und der DB-GmbH mit Wirkung vom 30. März 1984 ein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen bestehe, wie es zwischen der Klägerin und der R.-KG bestanden habe (Urteil vom 17. Juli 1984).
Während des Berufungsverfahrens vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen (12 Sa 135/84) kündigte die DB-GmbH vorsorglich das möglicherweise mit der Klägerin zustande gekommene Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31. März 1985 (Schreiben vom 28. Dezember 1984). Hiergegen erhob die Klägerin vor dem ArbG (2 Ca 46/85) ebenfalls Kündigungsschutzklage. Am 8. März 1985 schlossen die Klägerin und die DB-GmbH vor dem LAG im Verfahren 12 Sa 135/84 folgenden Vergleich:
- „Die Beklagte zahlt an die Klägerin in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz eine Abfindung in Höhe von 9.000,– DM brutto = netto.
- Damit sind alle gegenseitigen Ansprüche aus einem etwaigen Arbeitsverhältnis auch für die Vergangenheit erledigt.
- Damit ist auch der Arbeitsrechtsstreit 2 Ca 46/85 – Arbeitsgericht Lüneburg – erledigt.”
Das gegen den Konkursverwalter gerichtete Kündigungsschutzverfahren 2 Ca 548/84 wurde im Mai 1985 ebenfalls durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet.
Die Klägerin erhielt den Abfindungsbetrag von 9.000,– DM von der DB-GmbH ausbezahlt. Nachdem das ArbA davon im Januar 1986 Kenntnis erlangt hatte, forderte es die Klägerin nach § 117 Abs 2 und Abs 4 Satz 2 AFG zur Erstattung des in der Zeit vom 3. April bis 30. Juni 1984 bezogenen Alg in Höhe von 1.878,80 DM (77 Tage × 24,40 DM) auf, da der Anspruch in der genannten Zeit – wegen der aus Anlaß der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Abfindung – geruht habe (Bescheid vom 28. Februar 1986; Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 1986). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. Juni 1988). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 27. März 1990).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Berufung sei zulässig. Es gehe nicht um einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu dreizehn Wochen bzw drei Monaten (§ 144 Abs 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) oder um eine sog Beginnleistung (§ 147 SGG), bei denen eine Berufung nicht zulässig sei; denn die Beklagte habe für die Zeit vom 3. April bis 30. Juni 1984 weder die Alg-Bewilligung aufgehoben noch das Ruhen des Alg-Anspruchs angeordnet. Das Berufungsverfahren betreffe vielmehr einen Erstattungsanspruch, bei dem die Berufung nur dann nicht zulässig sei, wenn der Beschwerdewert 1.000,– DM nicht übersteige (§ 149 SGG). Vorliegend belaufe sich der Beschwerdewert auf 1.878,80 DM.
Die Berufung sei jedoch nicht begründet. Die Klägerin sei der Beklagten zur Erstattung des für die Zeit vom 3. April bis 30. Juni 1984 gezahlten Alg in Höhe von insgesamt 1.878,80 DM (77 Tage × 24,40 DM) verpflichtet. Die Voraussetzungen des von der Beklagten auf § 117 Abs 2 und Abs 4 Satz 2 AFG gestützten Erstattungsanspruchs seien gegeben. Dabei sei unerheblich, ob man das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der R.-KG als nach § 613a BGB mit der DB-GmbH fortgesetzt ansehe oder nicht.
Die Klägerin habe in den arbeitsgerichtlichen Verfahren versucht, unter Hinweis auf § 613a BGB den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses zu den mit der R.-KG vereinbarten Bedingungen über den 30. Juni 1984 hinaus auf Dauer zu sichern. Ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 613a BGB hätte ihr Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30. Juni 1984 geendet. Im Fall eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB wäre es ab 30. März 1984 unverändert mit der DB-GmbH über den 30. Juni 1984 hinaus fortgesetzt worden, da die Gemeinschuldnerin mit Ablauf des 29. März 1984 am Arbeitsverhältnis nicht mehr beteiligt gewesen sei und der Konkursverwalter es folglich nicht mehr hätte kündigen können.
Das Arbeitsverhältnis, das sonach ab 30. März 1984 entweder mit der R.-KG, vertreten durch den Konkursverwalter, oder aber mit der DB-GmbH bestanden und frühestens mit Ablauf des 30. Juni 1984 geendet habe, sei durch den Vergleich vom 8. März 1985 einvernehmlich als nicht über den 29. März 1984 hinaus bestehend angesehen worden. Die Abfindung in Höhe von 9.000,– DM sei unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die entsprechende Anwendung der §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) – und bei gleichzeitiger Erledigung der beiden anderen arbeitsgerichtlichen Verfahren (2 Ca 46/85 und 2 Ca 548/84) – „wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses” vereinbart und gezahlt worden. Ein Anrechnungsfall iS des § 117 Abs 2 AFG sei immer dann gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der maßgebenden Frist beendet werde und die Abfindung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in ursächlichem Zusammenhang stehe, ohne daß auf die Abfindung ohnehin ein Anspruch bestehe. Nicht entscheidend sei, daß die Abfindung nicht von der R.-KG, sondern der DB-GmbH getragen worden sei, die ein Interesse daran gehabt habe, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 29. März 1984 hinaus zu vermeiden. Die Vorschrift des § 117 Abs 2 Satz 1 AFG verlange lediglich, daß der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen habe, nicht aber, daß diese Leistung von dem am beendeten Arbeitsverhältnis beteiligten Arbeitgeber aufgebracht worden sei.
Die DB-GmbH habe die Abfindung auch mit befreiender Wirkung an die Klägerin erbracht; denn sie habe von dem Übergang des Arbeitsentgeltanspruchs von der Klägerin auf die Beklagte (§ 115 SGB X) keine Kenntnis gehabt (§§ 412, 407 Abs 1 BGB).
Mit der Revision macht die Klägerin eine Verletzung des § 117 Abs 2 AFG geltend. Das LSG habe unter Verstoß gegen die herkömmlichen Auslegungsregeln den gesetzlichen Tatbestand über den Wortlaut „Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnises” ausgedehnt. Dies sei insbesondere bei normativen Regelungen, die einen durch Beitragszahlung erworbenen öffentlich-rechtlichen Rechtsanspruch einschränken, unzulässig. Der Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der DB-GmbH habe sich ausschließlich damit befaßt, ob zwischen den Parteien infolge Betriebsübergangs rechtsgeschäftliche Beziehungen in Form eines Arbeitsverhältnisses entstanden seien.
Eine Abfindung, die zur Erledigung eines solchen Rechtsstreits gezahlt werde, könne von der zugrundeliegenden Interessenlage dem Regelfall des § 117 Abs 2 AFG nicht gleichgesetzt werden. § 117 Abs 2 AFG solle verhindern, daß ein Arbeitnehmer in einem gesicherten Arbeitsverhältnis auf den Bestands- und Kündigungsschutz nicht vergleichweise zu Lasten der Versichertengemeinschaft verzichte, um andererseits vom Arbeitgeber kompensierende finanzielle Vorteile zu erlangen. Hier werde die Abfindung dem Arbeitslohn in der Kündigungsfrist gleichgestellt. Es würden mithin nur Abfindungen in Zusammenhang mit der vorzeitigen Entlassung aus einem unzweifelhaft bestehenden Rechtsverhältnis gezahlt. Abfindungen, die wegen der Beendigung eines möglicherweise bestehenden Arbeitsverhältnisses oder wegen des Streits um die Begründung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, habe das Gesetz seinem Wortlaut nach nicht erfaßt. Daß die Abfindung in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG vereinbart worden sei, ändere hieran nichts. Mit dieser Formulierung habe die Steuerfreiheit der Leistung erreicht werden sollen; zum anderen hätten zur Klarstellung auch alle gegenseitigen Ansprüche aus einem etwaigen Arbeitsverhältnis für die Vergangenheit erledigt werden sollen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der Urteile des LSG und des SG den Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 1986 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert, die Auffassung der Vorinstanzen sei sachlich richtig. Die Vereinbarung vom 8. März 1985 lasse nur den Schluß zu, daß im Wege gegenseitigen Nachgebens (§ 779 BGB) die Klägerin auf die Geltendmachung von Kündigungsschutz, die DB-GmbH auf den Einwand des fehlenden Betriebsübergangs habe verzichten wollen. Wenn die Klägerin nunmehr nur noch das Nachgeben der DB-GmbH berücksichtigt wissen wolle, verkenne sie das einem Vergleich innewohnende Moment der Gegenseitigkeit. Damit seien die Voraussetzungen des § 117 Abs 2 Satz 1 AFG erfüllt, ohne daß es darauf ankomme, ob der „richtige” Arbeitgeber die Abfindung erbracht habe. Denn der Grund der Rechtsungewißheit, die zum Vergleichsabschluß und zur Abfindung geführt habe, sei ebenso unerheblich wie in sonstigen Streitfällen, die durch den Abschluß eines Vergleichs erledigt würden. Wesentlich sei hingegen, daß der Klägerin ohne den Vergleich eine Kündigungsfrist bis zum 30. Juni 1984 zugestanden hätte.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, daß die Berufung vorliegend gemäß § 143 SGG zulässig war. Ausschließungsgründe nach § 144 Abs 1 Nr 1 oder § 147 SGG sind nicht gegeben; denn unter Leistungen iS dieser Vorschriften sind nur Ansprüche des einzelnen Bürgers gegen öffentlich-rechtliche Leistungsträger, nicht aber Ansprüche öffentlich-rechtlicher Leistungsträger gegen einzelne Bürger zu verstehen (BSGE 3, 234, 236; 22, 181, 182; 30, 230, 232; Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl 1987, § 144 RdNr 5 und § 147 RdNr 3). Allerdings handelt es sich bei der von der Beklagten geltend gemachten Erstattungsforderung um eine Rückerstattung von Leistungen iS von § 149 SGG (BSG SozR § 117 Nr 2). Indes liegt der Betrag der Rückforderung hier über der maßgebenden Grenze von 1.000,– DM.
Ob der Bescheid vom 28. Februar 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 1986, mit dem die Beklagte von der Klägerin die Erstattung des in der Zeit vom 3. April bis 30. Juni 1984 bezogenen Alg in Höhe von 1.878,80 DM (77 Tage × 24,40 DM) verlangt, mit der Rechtslage in Einklang steht, kann aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht abschließend entschieden werden.
Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid allein § 117 Abs 4 Satz 2 AFG in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift – in der hier maßgebenden Fassung des Sozialgesetzbuchs – Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihrer Beziehungen zu Dritten – vom 4. November 1982 (BGBl I 1450) –, die eine Spezialregelung gegenüber den §§ 44 ff SGB X darstellt, hat der Empfänger des Alg dieses insoweit zu erstatten, als der Arbeitgeber die in § 117 Abs 1 bis 2 AFG genannten Leistungen trotz des Rechtsübergangs mit befreiender Wirkung an den Arbeitslosen oder einen Dritten gezahlt hat. Die Absätze 1 bis 2 des § 117 AFG regeln, daß der Anspruch auf Alg für eine bestimmte Zeit ruht, für die der Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, Urlaubsabgeltung oder, sofern das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet worden ist, eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat. Soweit der Arbeitslose diese Leistungen tatsächlich nicht erhält, wird das Alg auch in der Zeit gewährt, in der der Anspruch an sich ruht (§ 117 Abs 4 Satz 1 AFG). Der Anspruch des Arbeitnehmers auf die genannten Leistungen, die iS des § 115 SGB X Arbeitsentgelt sind (§ 117 Abs 4 Satz 1 AFG), geht in Höhe des gewährten Alg auf die Bundesanstalt über (§ 115 Abs 1 SGB X).
Hat der Arbeitslose nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG das Alg insoweit zu erstatten, als Arbeitsentgelt, Urlaubsabgeltung oder eine Abfindung usw trotz des Rechtsübergangs mit befreiender Wirkung an ihn ausgezahlt worden sind, erstattet er nicht eigentlich Alg, sondern zahlt in Wirklichkeit das Arbeitsentgelt usw in Höhe des Alg an die Bundesanstalt, das dieser aufgrund des gesetzlichen Übergangs des Arbeitsentgeltanspruchs infolge der Alg-Zahlung zugestanden hat (vgl BSGE 60, 168, 172 = SozR 4100 § 117 Nr 16; SozR 4100 § 117 Nr 19; BSGE 67, 221, 225 = SozR 3-4100 § 117 Nr 3).
Die Voraussetzungen des § 117 Abs 4 Satz 2 AFG sind vorliegend dem Grunde nach gegeben. Die Klägerin hat von der DB-GmbH 9.000,– DM ausgezahlt bekommen, obwohl aufgrund des Rechtsübergangs ein bestimmter Betrag davon, nämlich zumindest ein Teilbetrag des für die Zeit vom 3. April bis 30. Juni 1984 gezahlten Alg, der Beklagten zustand. Hätte die Klägerin die 9.000,– DM vor der Alg-Bewilligung erhalten, hätte ihr Anspruch nach § 117 Abs 2 und 3 AFG jedenfalls teilweise in der Zeit vom 3. April bis 30. Juni 1984 geruht. Der Klägerin hätte insoweit nach § 117 Abs 4 Satz 1 AFG kein Alg gewährt werden dürfen.
Nach § 117 Abs 2 AFG ruht der Anspruch auf Alg von dem Ende des Arbeitsverhältnisses bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der Frist geendet hätte, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist (Satz 1). Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Satz 2). Auch die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind, wie das LSG zutreffend erkannt hat, hier dem Grunde nach erfüllt.
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist vorzeitig, nämlich ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist, beendet worden. Insoweit ist – in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 117 Abs 2 Satz 1 AFG – allein die ordentliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers, nicht etwa eine kürzere des Arbeitnehmers, maßgebend. Das gilt uneingeschränkt, also unabhängig davon, wie das Arbeitsverhältnis beendet worden und von welcher Seite die Initiative hierzu ergriffen worden ist (Masuch in Gemeinschaftskomm zum AFG ≪GK-AFG≫, Stand März 1991, § 117 RdNr 43; Heuer in Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand Juli 1991, § 117 RdNr 10; Wittrock in Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl 1988, § 117 RdNrn 13 und 24). Vorliegend ist der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 29. März 1984 durch den am 8. März 1985 vor dem LAG im Verfahren 12 Sa 135/84 abgeschlossenen Vergleich die Kündigung des Konkursverwalters vom 10. April 1984 vorausgegangen. Diese Kündigung war, wie für die Fristberechnung nach § 117 Abs 2 Satz 2 AFG erforderlich (Masuch in GK-AFG, aaO, § 117 RdNr 45), das auslösende Moment für eine Entwicklung, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 29. März 1984 geführt hat. Aufgrund seines Schreibens vom 10. April 1984 hätte der Konkursverwalter, da die ordentliche Kündigungsfrist sechs Wochen zum Vierteljahresschluß betrug, frühestens zum 30. Juni 1984 kündigen können. Gründe für eine berechtigte Kündigung aus wichtigem Grunde waren nicht gegeben. Insbesondere hatte die Konkurseröffnung (29. März 1984) nicht ein außerordentliches Kündigungsrecht des Konkursverwalters mit sich gebracht (§ 22 Abs 1 Satz 2 Konkursordnung), womit eine Begrenzung des Ruhenszeitraumes iS von § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AFG ausscheidet.
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist vor Ablauf der der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, nämlich mit Ablauf des 29. März 1984. Das ergibt sich aus dem von der Klägerin und der DB-GmbH am 8. März 1985 vor dem LAG im Verfahren 12 Sa 135/84 abgeschlossenen Vergleich. Darin wurden alle gegenseitigen Ansprüche aus einem etwaigen Arbeitsverhältnis (auch) für die Vergangenheit für erledigt erklärt (Ziff 2). Dies schloß arbeitsvertragliche Ansprüche der Klägerin für die Zeit nach dem 29. März 1984 bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (30. Juni 1984) ein. Ungeachtet des Streits über die Frage eines Betriebsübergangs ist dem Vergleich mithin die Erklärung sowohl der Klägerin wie der DB-GmbH zu entnehmen, daß ein Arbeitsverhältnis über den 29. März 1984 hinaus nicht fortbestehen solle. Auf seiten der Klägerin hat sich dieser Wille zudem in ihrer Erledigungserklärung in dem gegen den Konkursverwalter angestrengten Kündigungsschutzverfahren (2 Ca 548/84) dokumentiert, in dem es ebenfalls um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses, nämlich aufgrund der durch den Konkursverwalter ausgesprochenen Kündigung vom 10. April 1984, ging.
Die 9.000,– DM, die die Klägerin von der DB-GmbH erhalten hat, sind auch eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung iS von § 117 Abs 2 Satz 1 AFG. Die Klägerin hat diesen Geldbetrag ausweislich des Vergleichs vom 8. März 1985 „in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz” erhalten.
Des weiteren hat die Klägerin die 9.000,– DM wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird eine Abfindung gewährt, wenn zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Abfindung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Das ist hier der Fall. Die Klägerin hätte die 9.000,– DM nicht erhalten, wenn ihr Arbeitsverhältnis nicht zum 29. März 1984 beendet worden wäre. Daß die Abfindung nicht von der R.-KG oder dem Konkursverwalter, sondern von der DB-GmbH gezahlt wurde, ist unerheblich; darauf, von wem der Arbeitslose die Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat, kommt es im Rahmen des § 117 Abs 2 AFG nicht an. Maßgebend ist, ob die Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung zur Abgeltung möglicher Ansprüche des Arbeitslosen aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und nicht aus sonstigen Rechtsgründen erbracht wurde. So verhielt es sich hier.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist nicht entscheidend, ob am 30. März 1984 ein Betriebsübergang stattgefunden hat oder nicht. Allerdings erscheint ein Betriebsübergang (mit den Folgen des § 613a Abs 1 Satz 1 BGB) zu diesem Tag durchaus möglich. Die Klägerin hat sich in dem von ihr gegen die DB-GmbH angestrengten arbeitsgerichtlichen Verfahren (2 Ca 690/84 = 12 Sa 135/84) darauf berufen; das ArbG hat durch Urteil vom 17. Juli 1984 festgestellt, daß zwischen ihr und der DB-GmbH mit Wirkung vom 30. März 1984 ein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen bestehe, wie es zwischen ihr und der R.-KG bestanden habe. Ein Arbeitnehmer, der wie die Klägerin ernsthaft und schlüssig geltend machen kann, sein Arbeitsverhältnis sei im Wege des Betriebsübergangs fortgesetzt worden, steht unter dem Blickwinkel des § 117 Abs 2 AFG nicht anders da als ein Arbeitnehmer, der sich gegen die fristlose Kündigung seines Arbeitgebers zur Wehr setzt und unter den Voraussetzungen des § 117 Abs 2 AFG das Ruhen des Alg-Anspruchs gegen sich gelten lassen muß. In beiden Fällen wird, wenngleich mit unterschiedlicher Begründung, um die Fortsetzung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses gestritten. Auch läßt ein Vergleich, der die einvernehmliche Erledigung zurückliegender arbeitsrechtlicher Ansprüche zum Gegenstand hat, in beiden Fällen die Frage offen, wie das Arbeitsverhältnis sonst in rechtmäßiger Weise seine Beendigung gefunden hätte. Jedenfalls ist es nach Sinn und Zweck des § 117 Abs 2 AFG, die dahin gehen, den Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Alg zu verhindern und Manipulationen zur Umgehung dieses Zweckes zu erschweren (BSGE 46, 20, 29 ff = SozR 4100 § 117 Nr 2; BSG SozR 4100 § 117 Nrn 17 und 21), kein maßgebendes Unterscheidungskriterium, ob vom Arbeitslosen geltend gemacht wird, das Arbeitsverhältnis habe mangels wirksamer Kündigung fortbestanden oder es sei wegen Betriebsübergangs fortgesetzt worden. Im einen wie im anderen Fall ist die dem § 117 Abs 2 AFG zugrundeliegende Vermutung gerechtfertigt, daß eine wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses erbrachte Abfindung in pauschaliertem Umfang auch Arbeitsentgelt enthält (BSG SozR 4100 § 117 Nrn 13 und 21). Beide Fälle müssen deshalb gleichbehandelt werden.
Der Hinweis der Klägerin, nur Abfindungen in Zusammenhang mit der vorzeitigen Entlassung aus einem unzweifelhaft bestehenden Rechtsverhältnis, nicht aber Abfindungen, die wegen der Beendigung eines möglicherweise bestehenden Arbeitsverhältnisses oder wegen des Streits um die Begründung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt würden, unterfielen dem § 117 Abs 2 AFG, überzeugt nicht. Er steht nicht nur in Widerspruch zum eigenen Vorbringen der Klägerin im arbeitsgerichtlichen Verfahren gegen die DB-GmbH (2 Ca 690/84 = 12 Sa 135/84). Er übersieht vor allem, daß im Fall eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB kein neues Arbeitsverhältnis begründet, sondern das mit dem alten Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis mit dem neuen Betriebsinhaber fortgesetzt wird (Palandt-Putzo, Komm zum BGB, 51. Aufl 1991, § 613a RdNr 17; Staudinger-Richardi, Komm zum BGB, 12. Aufl 1989, § 613a RdNrn 103 ff). Wird nun aber zwischen dem Arbeitnehmer und dem neuen Arbeitgeber im Vergleichsweg eine Einigung darüber erzielt, daß das mit dem alten Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis als mit dem neuen Arbeitgeber nicht fortbestehend anzusehen ist, handelt es sich iS des § 117 Abs 2 Satz 1 AFG um die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses; die gleichzeitig vereinbarte Abfindung soll der Arbeitnehmer gerade und nur deswegen erhalten.
Das Ergebnis steht mit der Rechtsprechung des Senats in Einklang, daß § 117 Abs 2 AFG selbst dann zur Anwendung gelangt, wenn es wegen besonderer Umstände nicht zur tatsächlichen Aufnahme eines vereinbarten Arbeitsverhältnisses kommt und zur Erledigung wie immer gearteter arbeitsrechtlicher Ansprüche eine Abfindung gezahlt wird (BSGE 46, 20 = SozR 4100 § 117 Nr 2).
Der anrechenbare Teil der Abfindung von 9.000,– DM ist von der DB-GmbH, wie in § 117 Abs 4 Satz 2 AFG verlangt, trotz des Rechtsübergangs auf die Beklagte mit befreiender Wirkung an die Klägerin gezahlt worden. Das ergibt sich aus § 407 Abs 1 BGB. Danach muß der neue Gläubiger eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß der Schuldner die Abtretung bei der Leistung kannte. Dasselbe trifft auf den Fall eines gesetzlichen Forderungsüberganges zu (§ 412 BGB), wie er hier gegeben ist (§ 115 Abs 1 SGB X). Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hatte die DB-GmbH im Zeitpunkt der Zahlung der 9.000,– DM an die Klägerin von den dem Forderungsübergang zugrundeliegenden Tatsachen keinerlei Kenntnis.
Obwohl sonach die Voraussetzungen der Erstattungspflicht der Klägerin gemäß § 117 Abs 4 Satz 2 AFG verwirklicht sind, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung nicht möglich, weil Feststellungen fehlen, die eine Prüfung der Richtigkeit der Höhe des von der Beklagten geforderten Erstattungsbetrages (1.878,80 DM) ermöglichen. Ob der Alg-Anspruch, wie die Beklagte meint, bis zum 30. Juni 1984 ruhte, richtet sich, da dieser Tag innerhalb der Jahresgrenze des § 117 Abs 3 Satz 1 AFG liegt, nach § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 1 und Satz 3 AFG. Danach ruht der Anspruch auf Alg nicht über den Tag hinaus, bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von siebzig vom Hundert der Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung als Arbeitsentgelt verdient hätte; der zu berücksichtigende Anteil der Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je fünf vom Hundert; er beträgt nicht weniger als 30 vom Hundert der Leistung. Im Fall der Klägerin, die fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb zurückgelegt hatte, jedoch noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet hatte, sind hiernach von der Abfindung 65 vH zu berücksichtigen. Bis wann die Klägerin bei Weiterzahlung des bis zuletzt erzielten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 65 vH der Abfindung, mithin 5.850,– DM, erzielt hätte, kann jedoch nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden; denn was die Klägerin in den am Tage des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis zuletzt abgerechneten Lohnabrechnungszeiträumen, die insgesamt mindestens 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassen (§ 117 Abs 3 Satz 4 AFG), kalendertäglich verdient hat, ist vom LSG nicht festgestellt worden. Dies wird nachzuholen sein.
Da der Senat die erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist das angefochtene Urteil gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.
Fundstellen