Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung. Berechtigung zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag. Selbständiger. bei zwischenzeitlicher Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung keine Anknüpfung an eine davor erfolgte selbständige Tätigkeit möglich
Leitsatz (amtlich)
1. Auch Selbstständige, die ihre Tätigkeit am 1.2.2006 bereits seit mehreren Jahren ausübten, waren bei Antragstellung bis 31.12.2006 zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag in der Arbeitslosenversicherung zugelassen, sofern sie den Tatbestand für diese freiwillige Weiterversicherung dem Grunde nach erfüllten.
2. Die zwischenzeitliche Ausübung einer versicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung schließt es aus, für die Prüfung des Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag an eine davor (erstmalig) erfolgte Existenzgründung durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit anzuknüpfen.
Leitsatz (redaktionell)
Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag nach § 28a SGB III kann nicht mehr begründet werden, wenn nach der selbstständigen Tätigkeit, an die für die Versicherungsberechtigung angeknüpft werden soll, zwischenzeitlich eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt worden ist.
Normenkette
SGB 3 § 28a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 2003-12-23, S. 2 Nr. 1 Fassung: 2003-12-23, Nr. 3 Fassung: 2003-12-23; SGB 3 § 434j Abs. 2 Fassung: 2003-12-23
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung zur freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit einer Existenzgründung.
Der 1953 geborene Kläger (Kfz-Elektrikermeister) war von 1969 bis Ende 1989 versicherungspflichtig beschäftigt. Von Anfang 1990 (Gewerbeanmeldung zum 21.3.1990) bis Ende März 2000 war er selbstständiger Tankstellenpächter. Vom 1.4.2000 bis 31.3.2001 bestand eine Gewerbeanmeldung für die Abwicklung von Pacht-Ausgleichszahlungen mit dem alten Tankstellenverpächter. Zwischenzeitlich war der Kläger vom 15.6. bis 15.12.2000 - nach seinen Angaben parallel zur Abwicklungstätigkeit - versicherungspflichtig als Geschäftsführer einer anderen Tankstelle beschäftigt; seinen Angaben in den Vorinstanzen zufolge wurde ihm diese Beschäftigung angeboten, weil er bis zur Fertigstellung einer neuen Tankstelle nicht ohne Einkommen habe sein können. Zum 19.4.2001 meldete er das Gewerbe für den Betrieb einer neuen Tankstelle an.
Am 20.4.2006 beantragte der Kläger bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit unter Hinweis auf die im Jahr 2001 neu übernommene Tankstelle die freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung als Selbstständiger ab Februar 2006. Die Beklagte lehnte dies ab, weil er insoweit zuvor nicht in den letzten 24 Monaten mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen sei (Bescheid vom 30.6.2006; Widerspruchsbescheid vom 6.10.2006).
Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Weiterversicherungsantrag des Klägers zu entsprechen; denn er habe unmittelbar nach seiner bis Ende 1989 dauernden versicherungspflichtigen Beschäftigung bereits Anfang 1990 eine selbstständige Tätigkeit als Tankstelleninhaber aufgenommen, diese in der Folgezeit fortgesetzt und übe diese bis in die Gegenwart hinein weiter aus (Urteil vom 4.9.2007).
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Der Kläger könne die freiwillige Weiterversicherung nicht beanspruchen, da "unmittelbar" vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit im Jahr 1990 kein Versicherungspflichtverhältnis bestanden habe. Er habe seine seit 1990 fortlaufend ausgeübte selbstständige Tätigkeit zwar nicht zum 31.3.2000 beendet, weil er vom 1.4.2000 bis 31.3.2001 im Zusammenhang mit der Abwicklung von Pachtausgleichszahlungen mit dem alten Verpächter wieder ein Gewerbe ausgeübt habe. Selbst wenn - was offen bleiben könne - diese selbstständige Tätigkeit im erforderlichen Umfang von 15 Wochenstunden stattgefunden haben sollte, scheitere der Anspruch auf Weiterversicherung. Der Kläger habe nämlich seine ursprüngliche versicherungspflichtige Beschäftigung zum 31.12.1989 aufgegeben, das Gewerbe aber erst zum 21.3.1990 angemeldet und eine Übernahme der Tankstelle erst für die Zeit ab Fertigstellung des Großumbaus, spätestens zum 1.3.1990 vereinbart. Die bis zur Eröffnung der Tankstelle getroffenen Maßnahmen seien - wie näher ausgeführt wird - nur als Vorbereitungsmaßnahmen für die Aufnahme der Selbstständigkeit zu qualifizieren, nicht aber bereits als Aufnahme selbst (Urteil vom 18.12.2009).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB III. Aus der Regelung lasse sich nicht herleiten, dass der Begriff der "Unmittelbarkeit" eng ausgelegt werden müsse. Zum Gründungszuschuss für Existenzgründer nach § 57 SGB III heiße es in der Gesetzesbegründung, dass eine als "absolut" verstandene Unmittelbarkeit des Übergangs von der abhängigen in die selbstständige Erwerbstätigkeit den praktischen Erfordernissen bei der Existenzgründung, die keinen punktuellen Vorgang darstelle, nicht gerecht werde. Daher dürfe über die Einkommenserzielungsabsicht hinaus nicht gefordert werden, dass der Existenzgründer nach außen mit einer Gewerbeanmeldung unternehmerisch im Geschäftsverkehr aufgetreten sei. Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des BSG zu § 57 SGB III. Er (der Kläger) habe zahlreiche Handlungen vorgenommen, die die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit hinreichend belegten.
|
|
Der Kläger beantragt, |
|
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 4. September 2007 zurückzuweisen. |
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das LSG-Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.
Das LSG hat auf die Berufung der beklagten Bundesagentur zutreffend das erstinstanzliche Urteil aufgehoben, weil die angefochtenen Bescheide über die Ablehnung des Antrags auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung rechtmäßig sind. Der Kläger kann die Feststellung einer - allein hierauf möglicherweise beruhenden - Versicherungspflicht nicht verlangen, weil die Voraussetzungen des § 28a SGB III (eingefügt mW zum 1.2.2006 durch Art 1 Nr 20 und Art 124 Abs 4 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848) nicht vorliegen.
1. Nach § 28a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III können Selbstständige - unter den in Satz 2 näher umschriebenen Voraussetzungen - auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis begründen, wenn sie eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben. Neben einer fristgebundenen Antragstellung (§ 28a Abs 2 Satz 2, § 434j Abs 2 SGB III) ist Voraussetzung für die begehrte Feststellung der Versicherungspflicht auf Antrag nach § 28a Abs 1 Satz 2 SGB III, dass der Antragsteller innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit "mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts gestanden oder eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen hat" (Nr 1), dass er "unmittelbar vor Aufnahme der Tätigkeit …, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts gestanden oder eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen hat" (Nr 2) und dass Versicherungspflicht (§§ 26, 27) anderweitig nicht besteht (Nr 3). Diese kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen liegen bei dem Kläger nicht vor.
2. Allerdings war der mit Wirkung zum 1.2.2006 gestellte Antrag des Klägers vom 20.4.2006 auf freiwillige Weiterversicherung noch fristgerecht. Obwohl mit diesem Antrag (auch) an eine bereits vor 26 Jahren aufgenommene selbstständige Tätigkeit angeknüpft wurde, wurde der Antrag bei der Beklagten auch insoweit rechtzeitig innerhalb der gesetzlich verlängerten Antragsfrist des § 434j Abs 2 Satz 1 SGB III gestellt.
Zwar muss der Antrag auf Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses nach § 28a Abs 2 Satz 2 SGB III an sich grundsätzlich spätestens innerhalb von einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, gestellt werden. Mit Wirkung vom 1.1.2004 wurde jedoch durch eine Übergangsregelung in § 434j Abs 2 SGB III bestimmt, dass § 28a Abs 2 SGB III mit der Maßgabe gilt, dass ein solcher Antrag ungeachtet der Voraussetzungen des Satzes 2 bis zum 31.12.2006 gestellt werden kann. Ausweislich der Gesetzesmaterialien sollte hierdurch erreicht werden, dass Betroffenen, die am 1.2.2006 den Tatbestand für die Versicherungspflicht dem Grunde nach erfüllten, aufgrund der Antragsfrist des § 28a Abs 2 Satz 2 SGB III gleichwohl nicht von der freiwilligen Weiterversicherung ausgeschlossen waren; ihnen sollte vielmehr noch die Möglichkeit eröffnet werden, den entsprechenden Antrag bis Ende des Jahres 2006 zu stellen (so Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf eines Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 15/1515 S 111 f zu Nummer 249 zu Absatz 2; vgl auch: Berchtold in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2009, § 28a SGB III RdNr 6; Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Dezember 2010, § 28a RdNr 72; Timme in Hauck/Noftz/Voelzke, SGB III, K § 28a RdNr 24 ≪Lfg 4/09 V/09≫ und Voelzke, ebenda, K § 434j RdNr 7; Fuchs in Gagel, SGB II/SGB III, Stand November 2010, § 28a SGB III RdNr 12). Da das Gesetz zunächst keine zeitliche Begrenzung dazu vorsah, wann vor dem 1.2.2006 spätestens die selbstständige Erwerbstätigkeit aufgenommen worden sein musste (so aber § 434j Abs 2 Satz 2 SGB III angefügt mWv 1.6.2006 durch Gesetz vom 20.7.2006, BGBl I 1706), konnten auch Selbstständige die freiwillige Weiterversicherung beantragen, die bereits seit Jahrzehnten selbstständig waren, wenn sie nur vor Aufnahme dieser Tätigkeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren oder einen gleichgestellten Sachverhalt erfüllten (kritisch, auch zu der Praxis, dass die Beklagte Zeiträume bis zu 30 Jahren seit der letzten Beschäftigung für unschädlich erachtet: Wenner, SozSich 2006, 9, 12 mit Fußnote 22).
3. Allerdings sind die unter 1. beschriebenen Voraussetzungen des § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 1 bis 3 SGB III für eine Berechtigung des Klägers zur freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung ab Februar 2006 in Bezug auf die in Betracht kommenden, potenziell zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigenden und zu Erwerbszwecken ausgeübten Formen seiner selbstständigen Tätigkeit nicht erfüllt.
a) Wenn man für die Weiterversicherungsberechtigung an die letzte, im Jahr 2001 aufgenommene selbstständige Tätigkeit des Klägers anknüpft (= Übernahme einer Tankstelle mit Gewerbeanmeldung zum 19.4.2001), fehlt es an der Voraussetzung, dass er - was allein in Betracht kommt - innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme dieser Tätigkeit mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt war. Denn entsprechend den Feststellungen des LSG umfasste die Beschäftigung als angestellter Geschäftsführer nur die Zeit vom 15.6. bis 15.12.2000 und damit einen Zeitraum von lediglich ca sechs Monaten.
b) Ebenso wenig folgt eine Berechtigung zur freiwilligen Weiterversicherung daraus, dass der Kläger speziell zur Abwicklung des Pachtverhältnisses seiner durchgehend von 1990 bis Ende März 2000 betriebenen ersten Tankstelle vom 1.4.2000 bis 31.3.2001 ein neues selbstständiges Gewerbe angemeldet hatte. Selbst wenn er dieser Tätigkeit in einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich nachgegangen sein sollte und er damit auch im Rechtssinne "selbstständig tätig" iS von § 28a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III gewesen sein sollte - was das LSG offengelassen hat -, würde es auch insoweit schon daran fehlen, dass er vor dem 1.4.2000 innerhalb der letzten 24 Monate mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt war oder eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezog.
c) Schließlich steht dem Kläger auch bei Anknüpfung an seine erste, Anfang des Jahres 1990 aufgenommene Tätigkeit als selbstständiger Tankstellenpächter kein Recht zur freiwilligen Weiterversicherung nach § 28a SGB III zu. Zwar stand er darauf bezogen bis Ende 1989 innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit mindestens zwölf Monate als abhängig Beschäftigter in einem Versicherungspflichtverhältnis iS von § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III. Gleichwohl erfüllt er nicht alle seit dieser Zeit durchgehend einzuhaltenden Erfordernisse.
aa) Es kommt vorliegend nicht darauf an, ob - was das LSG mit ausführlicher Begründung verneint hat - die von § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB III verlangte Unmittelbarkeit zwischen einem der dort genannten Sachverhalte als Anknüpfungspunkt der Weiterversicherung (hier: die bis 31.12.1989 ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung) und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit (hier: die Tätigkeit als selbstständiger Tankstellenpächter mit Gewerbeanmeldung zum 21.3.1990) gegeben war. Daran könnten hier Zweifel bestehen, weil - worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat - die von der Regelung geforderte enge Verbindung zwischen beiden Elementen nach den Gesetzesmaterialien nur vorliegen soll, "wenn die Unterbrechung nicht mehr als einen Monat beträgt" (aaO, BT-Drucks 15/1515 S 78 zu Nummer 20 zu Absatz 1, letzter Satz; ebenso: Brand in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl 2010, § 28a RdNr 7; Scheidt in Mutschler ua, SGB III, 3. Aufl 2008, § 28a RdNr 51; Schlegel in Eicher/Schlegel, aaO, § 28a RdNr 66; Wagner in GK-SGB III, Stand März 2011, § 28a RdNr 18; Fuchs in Gagel, SGB II/SGB III, § 28a SGB III RdNr 4; Reinhard in Kruse/Lüdtke ua, LPK-SGB III, 2008, § 28a RdNr 9; Timme in Hauck/Noftz/Voelzke, aaO, K § 28a RdNr 27; für die Unschädlichkeit der Zeit von "etwa einem Monat" beim Zuschuss für Existenzgründer gemäß § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III: BSG Urteil vom 5.5.2010 - B 11 AL 11/09 R, Leitsatz und RdNr 24, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Auch erfüllen nach der Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 3.6.2009 - B 12 AL 1/08 R, juris RdNr 15) reine Vorbereitungshandlungen, die erst noch dazu dienen, eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen, selbst noch nicht den Begriff der "selbstständigen Tätigkeit"; nur bei Vorbereitungshandlungen, die nach den Umständen bereits "Außenwirkung im Geschäftsverkehr" entfalten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind, kann anderes gelten (so BSG Urteil vom 5.5.2010 - B 11 AL 28/09 R, RdNr 17 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Ob in diesem Zusammenhang maßgeblich auf einen formalen Zulassungsakt oder einen ähnlichen Akt abzustellen ist, der die auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung dokumentiert (vgl BSG Urteil vom 5.5.2010, aaO, RdNr 18 f mwN ≪Restaurantbetreiber mit Mietvertrag und Gewerbeanmeldung vor Geschäftseröffnung≫; BSG Urteil vom 1.6.2006 - B 7a AL 34/05 R - SozR 4-4300 § 57 Nr 1 RdNr 11 ≪Zulassung zur Rechtsanwaltschaft≫), muss nicht entschieden werden.
bb) An der Berechtigung des Klägers zur freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung fehlt es jedenfalls aus anderen Gründen. Er kann selbst dann keinen Erfolg haben, wenn entsprechend den zu seinen Gunsten vorgenommenen Unterstellungen des LSG angenommen wird, dass er von Anfang 1990 durchgehend bis in die Gegenwart hinein iS von § 28a SGB III im Umfang von 15 Wochenstunden selbstständig tätig war und wenn zusätzlich als unschädlich angesehen wird, dass er vom 1.4.2000 bis 31.3.2001 ein selbstständiges Gewerbe mit einem anderen Geschäftsgegenstand als dem Betreiben einer Tankstelle ausübte.
Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag kann der Kläger deshalb nicht begründen, weil er zwischenzeitlich vom 15.6. bis 15.12.2000 eine versicherungspflichtige Beschäftigung als angestellter Geschäftsführer der Tankstelle eines Großhändlers seiner neuen Mineralölfirma ausübte; diese Beschäftigung wurde ihm nach seinen Angaben in den Vorinstanzen angeboten und nahm er wahr, weil er bis zur Fertigstellung der neuen Tankstelle - die er als Selbstständiger betreiben sollte - nicht ohne Einkommen habe sein können. Wegen dieser Beschäftigung kann nach dem Regelungsinhalt des § 28a SGB III nicht mehr an die Phase der Begründung seiner selbstständigen Existenz in den Jahren 1989/1990 angeknüpft werden, um eine Versicherungsberechtigung als dem Kreis der "Existenzgründer" zuzurechnende Person zu bejahen (zur gesetzgeberischen Intention der Begünstigung gerade des Personenkreises der Existenzgründer durch § 28a Abs 1 Satz 1 Nr 2 vgl BT-Drucks 15/1515 S 78 zu Nummer 20 und dort zu Absatz 1).
Obwohl - wie unter 2. dargestellt - die freiwillige Weiterversicherung nach § 28a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III auch unter Anknüpfung an bereits weit zurückliegende Ereignisse möglich ist, entbindet dies nicht davon, dass seinerzeit eine rechtlich erhebliche selbstständige Tätigkeit tatsächlich aufgenommen und in der Folgezeit beibehalten worden sein muss. Denn das "Privileg der Versicherungsberechtigung" (vgl BT-Drucks 15/1515, aaO) setzt sowohl eine besonders ausgeprägte Bindung des Betroffenen zur Versichertengemeinschaft dieses Versicherungszweiges voraus als auch ein gerade aus der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit aus dieser Gemeinschaft heraus folgendes typisches Sicherungsbedürfnis. Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, steht die Option, sich ihren in der Vergangenheit begründeten sozialen Schutz gegen Arbeitslosigkeit auf Antrag in einem Versicherungspflichtverhältnis zu erhalten, nicht mehr zur Verfügung. Trotz der neu geschaffenen Regelung ist dem geltenden Recht eine allgemeine Versicherungsberechtigung aller Selbstständigen in der Arbeitslosenversicherung weiterhin fremd.
Vor diesem Hintergrund zeigt sich an mehreren Tatbestandsmerkmalen des § 28a SGB III, dass ein Wechsel der beruflichen Tätigkeiten in der Erwerbsbiographie des Betroffenen für den Weiterversicherungsanspruch in der Arbeitslosenversicherung schädlich sein kann. So belegt bereits die in § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB III normierte Voraussetzung, dass ein bestimmter begünstigender Sachverhalt (Versicherungspflichtverhältnis, Bezug einer SGB III-Entgeltersatzleistung, geförderte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme) der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit "unmittelbar" vorangegangen sein muss (vgl zu den Grenzen insoweit bereits näher unter aa), die grundsätzlich anspruchshindernde Wirkung von Unterbrechungen für die Weiterversicherungsberechtigung.
In ähnlicher Weise verdeutlicht § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III, wonach der Betroffene ua innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit mindestens zwölf Monate als abhängig Beschäftigter versicherungspflichtig gewesen sein muss, dass der Gesetzgeber das Sicherungsbedürfnis gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit in der Übergangsphase von einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zur selbstständigen Tätigkeit nur als begrenzt schutzwürdig anerkennt und gerade nicht jedweder Wechsel zwischen abhängiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit für Betroffene unschädlich ist; denn Selbstständigen wird das Weiterversicherungsrecht erst (wieder) bei einer mindestens zwölf Monate andauernden Beschäftigung eingeräumt, während - wie im Falle des Klägers - eine Beschäftigung unterhalb dieser zeitlichen Grenze nicht zu einer Begünstigung führt.
Schließlich kommt der genannte Gesichtspunkt eines (fortbestehenden) typischen Sicherungsbedürfnisses gerade bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit darin zum Ausdruck, dass die Begründung der Versicherungspflicht nach § 28a Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III zur Voraussetzung hat, dass "Versicherungspflicht (§§ 26, 27) anderweitig nicht besteht". Wie der Senat dazu bereits in seinem Urteil vom 2.3.2010 - B 12 AL 1/09 R (SozR 4-4300 § 28a Nr 1 RdNr 15 f) ausgeführt hat, folgt daraus im Sinne einer Subsidiarität der Ausschluss des Rechts Selbstständiger zur Antragspflichtversicherung bei Vorliegen einer anderweitigen Versicherungspflicht. Die Regelung bezieht sich insoweit nicht auf die konkret zur Antragspflichtversicherung berechtigende Tätigkeit, sondern auf jede "anderweitige" Tätigkeit oder Beschäftigung, die sonst Versicherungspflicht begründen würde; anderenfalls hätte die Regelung keinen Anwendungsbereich, weil die Tätigkeiten bzw Beschäftigungen der Fallgruppen des § 28a Abs 1 Satz 1 SGB III gerade keine Versicherungspflicht nach anderen Vorschriften des SGB III begründen.
Aus alledem folgt, dass über die bezeichneten gesetzlichen Einschränkungen hinausgehende Formen des Wechsels in einer Erwerbsbiographie, die - wie hier die Beschäftigung vom 15.6. bis 15.12.2000 - mit dem zwischenzeitlichen Wegfall der Versicherungsberechtigung nach § 28a SGB III verbunden waren, dem Anspruch auf Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses unter Anknüpfung an zeitlich weit zurückliegende Sachverhalte entgegenstehen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2705264 |
FA 2012, 62 |
NZS 2011, 5 |
SGb 2011, 265 |
Breith. 2012, 375 |