Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 27.12.2005; Aktenzeichen 6 Qs 97/05) |
AG Stuttgart (Beschluss vom 29.10.2004; Aktenzeichen 28 Gs 846/04) |
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 2004 – 28 Gs 846/04 – und der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 27. Dezember 2005 – 6 Qs 97/05 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Stuttgart zurückverwiesen.
Das Land Baden-Württemberg hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Durchsuchung der Wohn- und Büroräume einer Nichtbeschuldigten im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen.
I.
Ab März 2004 ermittelte die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen die Beschuldigten W., einen bundesweit bekannten Schützer von Minderheitsaktionären, sowie K. und L. wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Insiderhandelsverbot.
1. Am 8. Juni 2004 ordnete das Amtsgericht Stuttgart die Durchsuchung der Wohn- und Büroräume der Beschuldigten an. Den Durchsuchungsbeschlüssen lag folgende Verdachtsannahme zu Grunde:
Im Dezember 2001 habe die A. GmbH, die dem österreichischen Geschäftsmann K. zuzurechnen sei, 94,5 % des Grundkapitals der deutschen Firma A. AG, erworben. In der Folgezeit habe die A. GmbH ihre Absicht kundgetan, nach den gesetzlichen Vorschriften über den Ausschluss der verbleibenden Minderheitsaktionäre gegen eine angemessene Barabfindung (sog. squeeze-out) die Aktien der Minderheitsaktionäre der A. AG zu übernehmen. Im Rahmen der am 10. Juli 2002 veröffentlichten Einladung zur Hauptversammlung der A. AG sei erklärt worden, man werde in der Hauptversammlung als angemessene Barabfindung den Betrag von 34,50 EUR je Aktie vorschlagen.
Ab Anfang 2002 habe der Zeuge S. dem Geschäftsmann K. „seine Hilfe zur Schaffung einer einvernehmlichen Regelung mit den Minderheitsaktionären” angeboten und diesem gegenüber erklärt, insbesondere die Beschuldigten W. und L. seien keinesfalls bereit, ihre Aktien zu einem Preis von rd. 35 EUR abzugeben, er könne insoweit aber zu einer einvernehmlichen Lösung gegen entsprechendes Entgelt verhelfen. Im Rahmen der hierauf geführten Verhandlungen habe K. dem Zeugen S. spätestens am 22. Juli 2002 mitgeteilt, man werde den Aktionären eine Barabfindung von 56 EUR anbieten. Hierauf sei am 21. August 2002 in einem von Minderheitsaktionären beim Landgericht Stuttgart angestrengten Zivilrechtsstreit gegen die A. AG ein entsprechender Prozessvergleich protokolliert und die Nachricht noch am selben Tag mittels einer Ad-hoc-Mitteilung publiziert worden. Es bestehe der Verdacht, der Zeuge S. habe die Absicht des Geschäftsmanns K., eine Barabfindung von 56 EUR anzubieten, zu einem noch näher zu ermittelnden Zeitpunkt – mittelbar oder unmittelbar – den Beschuldigten als Primär- oder Sekundärinsidern zur Kenntnis gegeben oder diese hätten die Insidertatsache in sonstiger Weise erfahren. Der Beschuldigte K. habe am 16. Juli 2002 Kaufaufträge über insgesamt 600 A.-Aktien für die J. GmbH erteilt, wodurch diese in Folge des späteren Kurssprungs einen Kursgewinn von 10.000 EUR erzielt habe. Die Beschuldigten L. und W. hätten durch ihre am 30. Juli beziehungsweise 20. August 2002 in Auftrag gegebenen Aktienkäufe Kursgewinne in Höhe von 3.850 EUR beziehungsweise 10.633,68 EUR erzielt. Es bestehe der Verdacht des verbotenen und strafbaren Insiderhandels gemäß §§ 14 Abs. 1 Ziff. 1, 38 Abs. 1 Ziff. 1 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG).
2. Am 6. Oktober 2004 wurden die Durchsuchungen bei den Beschuldigten und bei dem Zeugen S. im Wesentlichen ergebnislos vollzogen.
In seiner Vernehmung vom 6. Oktober 2004 gab der Zeuge S. an, die Beschwerdeführerin und den Beschuldigten K. nicht zu kennen. Zu dem Beschuldigten W. habe er im Vorfeld der Ad-hoc-Mitteilung keinen Kontakt gehabt.
In seiner Vernehmung vom selben Tage ließ sich der Beschuldigte W. dahingehend ein, er habe bereits ab März 2002 wiederholt Aktien der A. AG erworben, weil er aus allgemein zugänglichen Informationsquellen neben anderen Gesellschaften auch die A. AG als Squeeze-out-Kandidatin identifiziert habe. Seine Kaufentscheidung habe er auch auf den – nachweislich – angeforderten Squeeze-out-Bericht der A. AG gestützt.
3. Am 29. Oktober 2004 ordnete das Amtsgericht Stuttgart die Durchsuchung der Wohn- und sonstigen Räume der Beschwerdeführerin sowie eines weiteren Zeugen, K., gemäß § 103 StPO an. Der Wortlaut des Durchsuchungsbeschlusses entspricht demjenigen der Beschlüsse vom 8. Juni 2004. Sichergestellt werden sollten sämtliche Unterlagen und sonstige Aufzeichnungen, insbesondere Verkaufsaufträge, Depotauszüge und anderes, Gesprächsnotizen und Schriftverkehr des Beschuldigten W. und Dritter, den An- und Verkauf von Aktien der Firma A. AG im Juli 2002 betreffend sowie hierauf bezogene Verhandlungsunterlagen und Gesprächsnotizen, auch Aufzeichnungen bezüglich hierauf bezogener Gespräche oder sonstiger Vereinbarungen des Beschuldigten W. mit den Mitbeschuldigten L., K. beziehungsweise der Firma J. GmbH und dem Verein A. und den Zeugen S., P. und K.
4. Die Durchsuchung wurde am 30. November 2004 ergebnislos vollzogen.
5. Am 4. November 2005 wurde das gegen die Beschuldigten W. und K. gerichtete Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Gegen den Beschuldigten L. wurde Strafbefehlsantrag gestellt.
6. In der gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 29. Oktober 2004 gerichteten Beschwerde vom 30. November 2005 bemängelt die Beschwerdeführerin das Fehlen eines Tatverdachts im Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung. Der Zeuge S. habe rund drei Wochen zuvor angegeben, mit dem Beschuldigten W. bis zur Ad-hoc-Mitteilung am 21. August 2002 keinerlei Kontakt gehabt zu haben. Mit der Erwähnung seines Namens habe er lediglich „Politik” betreiben wollen. Im Hinblick darauf, dass auch die am 6. Oktober 2004 vollzogenen Durchsuchungen keine den Tatverdacht gegen W. erhärtenden bzw. auf die Beschwerdeführerin als mögliche Informationsübermittlerin hinweisenden Unterlagen zutage gefördert hätten, sei nicht ersichtlich, welche relevanten Spuren oder Unterlagen in der Wohnung der Beschwerdeführerin hätten gefunden werden können. Allein der Umstand, dass die Zeugin mit dem Beschuldigten bekannt gewesen sei, sei dafür nicht ausreichend gewesen.
7. Mit dem angegriffenen Beschluss des Landgerichts vom 27. Dezember 2005 wurde die Beschwerde als unbegründet verworfen.
Bei Beschlusserlass habe ein Tatverdacht vorgelegen; denn die Beschwerdeführerin sei Geschäftsführerin und Gesellschafterin der J. GmbH, für die der Beschuldigte K. die in Rede stehenden Aktien erworben habe. Nähere Hinweise zu möglichen Vorkontakten zwischen den Beschuldigten und der Beschwerdeführerin ergäben sich aus den für die Durchsuchenden, die Beschwerdeführerin und die für die Überprüfung Zuständigen erkennbaren Umständen. Die durchsuchenden Beamten hätten beim Zugang zum Durchsuchungsobjekt auf dem Briefkasten der Beschwerdeführerin festgestellt, dass dort eine Reihe von Firmennamen vermerkt gewesen seien, darunter der der J. GmbH, die auch im Durchsuchungsbeschluss erwähnt werde. Die Beschwerdeführerin sei sich dessen bei der Durchsuchung auch bewusst gewesen und habe mitgeteilt, dass sie und der Beschuldigte K. Geschäftsführer der J. GmbH seien, die hier ihren Sitz habe. Die Beschwerdeführerin habe unverzüglich den Beschuldigten K. angerufen, der kurz darauf am Durchsuchungsort eingetroffen sei. Die Beschwerdeführerin habe zudem vorab erklärt, sie habe von der bereits im Oktober 2004 vollzogenen Durchsuchung beim Beschuldigten K. erfahren, weshalb man schon aus diesem Grunde nicht davon ausgehen könne, bei ihr etwas zu finden. Damit seien sich die Durchsuchenden und die Beschwerdeführerin durchaus der Zusammenhänge bewusst gewesen, und der Schluss von den vorliegenden Erkenntnissen auf einen möglichen Durchsuchungserfolg sei trotz des Hinweises auf die Kenntnis von der zuvor erfolgten Durchsuchung beim Beschuldigten K. vertretbar.
II.
Die Beschwerdeführerin sieht sich in ihren Rechten aus Art. 13 und Art. 3 GG verletzt und rügt die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme.
Der Tatverdacht sei schon deshalb unsubstantiiert, weil die inkriminierten Aktienkäufe des Beschuldigten K. bereits am 16. Juli 2002 in Auftrag gegeben worden seien – also zu einem Zeitpunkt, zu dem nach den Darstellungen im Durchsuchungsbeschluss selbst der Zeuge S. möglicherweise noch nichts von dem erhöhten Übernahmeangebot gewusst habe. Abgesehen davon sei in dem Durchsuchungsbeschluss eine Mitwirkung der Beschwerdeführerin am Aktienkauf noch nicht einmal andeutungsweise erwähnt. Sie werde überhaupt nur bei der Angabe des Durchsuchungsziels erwähnt, ohne dass deutlich werde, was man in ihrer Wohnung zu finden gehofft habe.
Die Durchsuchung sei angeordnet worden, obwohl sich der unsubstantiierte Tatverdacht nach Durchführung der anderen Durchsuchungen und der Vernehmung des Zeugen S. restlos verflüchtigt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei den Ermittlungsbehörden bereits bekannt gewesen, dass die J. GmbH grundsätzlich bei Aktiengesellschaften regelmäßig Aktien zu erwerben suchte, sobald der Zwangsausschluss der Minderheitsaktionäre angekündigt worden sei.
Entscheidungsgründe
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Danach ist die Verfassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer eröffnenden Sinne offensichtlich begründet.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Sie entspricht den Begründungsanforderungen nach § 23 Abs. 1, § 92 BVerfGG (vgl. BVerfGE 88, 40 ≪45≫; 93, 266 ≪288≫). Die Beschwerdeführerin hat hinreichend substantiiert dargelegt, dass die von ihr angegriffenen und vorgelegten Durchsuchungsbeschlüsse weder eine Verhältnismäßigkeitsprüfung enthielten noch einen Bezug zwischen ihr und den damaligen Beschuldigten aufzeigten.
2. Der Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 2004 – 28 Gs 846/04 – und der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 27. Dezember 2005 – 6 Qs 97/05 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG.
a) aa) Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Damit wird dem Einzelnen zur freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In seinen Wohnräumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (vgl. BVerfGE 42, 212 ≪219 f.≫; 59, 95 ≪97≫; 96, 27 ≪40≫; 103, 142 ≪150 f.≫). Dem Gewicht dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält. Dieser Richtervorbehalt zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz (vgl. BVerfGE 20, 162 ≪223≫; 57, 346 ≪355 f.≫; 76, 83 ≪91≫; 103, 142 ≪150 f.≫).
bb) Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient auch dazu, die Durchführung der Eingriffsmaßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten (vgl. BVerfGE 20, 162 ≪224≫; 42, 212 ≪220≫; 103, 142 ≪151≫). Dazu muss der Beschluss insbesondere den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Dies versetzt den von der Durchsuchung Betroffenen zugleich in den Stand, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegen zu treten (vgl. BVerfGE 42, 212 ≪221≫; 103, 142 ≪151 f.≫). Um die Durchsuchung rechtsstaatlich zu begrenzen, muss der Richter die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist (vgl. BVerfGE 20, 162 ≪224≫; 42, 212 ≪220 f.≫).
Notwendiger und grundsätzlich auch hinreichender Eingriffsanlass für Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren ist der Verdacht einer Straftat. Der Verdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353 ≪381 f.≫; 59, 95 ≪97 f.≫; BVerfGK 1, 126 ≪131≫).
cc) Die Durchsuchung bedarf vor allem einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck Erfolg versprechend sein. Ferner muss gerade diese Maßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (vgl. BVerfGE 96, 44 ≪51≫; BVerfG, NJW 2006, S. 976 ≪982≫; Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2006 – 2 BvR 2099/04 –). Hierbei sind auch die Bedeutung des potentiellen Beweismittels für das Strafverfahren sowie der Grad des auf verfahrenserhebliche Informationen bezogenen Auffindeverdachts zu bewerten (vgl. BVerfG, NJW 2006, S. 976 ≪982≫; Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2006 – 2 BvR 2099/04 –). Im Einzelfall können die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat, eine geringe Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden Verbindungsdaten sowie die Vagheit des Auffindeverdachts der Maßnahme entgegenstehen (vgl. BVerfG, NJW 2006, S. 976 ≪982≫; Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2006 – 2 BvR 2099/04 –). Der Richter darf die Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich aufgrund eigenverantwortlicher Prüfung der Ermittlungen überzeugt hat, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist (vgl. BVerfGE 96, 44 ≪51≫).
b) Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts vom 29. Oktober 2004 genügt nicht den Anforderungen an den Inhalt eines Durchsuchungsbeschlusses (aa). Beide angegriffenen Entscheidungen haben dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht Rechnung getragen (bb).
aa) Der Durchsuchungsbeschluss vom 29. Oktober 2004 beschreibt zwar die dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Taten und auch die zu suchenden Gegenstände. Aus ihm geht jedoch nicht hervor, welche Verbindung zwischen den damals Beschuldigten und den ihnen vorgeworfenen Taten einerseits und der Beschwerdeführerin andererseits bestehen soll. Ist für die betroffene Zeugin nicht ersichtlich, weshalb sich die Durchsuchungsmaßnahme gerade gegen ihre Wohnräume richtet, schränkt dies die Messbarkeit und Kontrollierbarkeit der Maßnahme ein. Dem Betroffenen wird etwa die Möglichkeit genommen, bereits vor Beginn der Durchsuchung eine Klärung offensichtlicher Unrichtigkeiten herbeizuführen, etwa im Falle einer Personenverwechslung. § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO verlangt für die Suche nach Beweismitteln bei Dritten die Angabe von Tatsachen, aus denen zu schließen ist, dass sich die gesuchte Sache gerade in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Schon deshalb hätte es eines zumindest kurzen Hinweises auf die angenommene Verbindung zwischen der Beschwerdeführerin und den Beschuldigten bedurft (vgl. dazu auch Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl. ≪2005≫, § 103 Rn. 6). Der Durchsuchungsbeschluss erschöpft sich dagegen in einer Wiederholung des Wortlauts der gegenüber den damaligen Beschuldigten erlassenen Durchsuchungsbeschlüsse und erwähnt die Beschwerdeführerin überhaupt nur in ihrer Eigenschaft als Inhaberin der zu durchsuchenden Wohnung. Wird die Durchsuchung auf eine richterliche Anordnung gestützt und nicht ausnahmsweise auf die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden, reicht es nicht aus, dass sich Anlass und Zusammenhang der Durchsuchung für den Betroffenen erst aus den Gesamtumständen der Durchsuchung ergeben.
Die bloße Wiedergabe des Wortlauts der gegenüber den damaligen Beschuldigten ergangenen Durchsuchungsbeschlüssen und das Fehlen jeglicher auf die Beschwerdeführerin bezogener Erwägungen weckt zudem erhebliche Zweifel an der eigenständigen richterlichen Prüfung der Durchsuchungsvoraussetzungen; um so mehr, als auch die verdachtserheblichen Ergebnisse der zwischenzeitlich durchgeführten Durchsuchungen und Vernehmungen keinerlei Erwähnung finden.
bb) Beide Beschlüsse sind den vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgehenden Anforderungen an die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung nicht gerecht geworden.
Die Durchsuchung bei einem Nichtbeschuldigten, der durch sein Verhalten auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden in keiner Weise Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben hat, stellt erhöhte Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit (vgl. auch Nack, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. ≪2003≫, § 103 Rn. 12; Meyer-Goßner, a.a.O., § 103 Rn. 1).
(1) Es kann dahinstehen, ob im Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung überhaupt noch ein Verdacht gegen die Beschuldigten vorlag, dessen Aufklärung die Durchsuchung hätte dienen können. Jedenfalls stand die Anordnung der Maßnahme mit Rücksicht auf die Schwäche des Tatverdachts und die geringe Auffindewahrscheinlichkeit außer Verhältnis zur Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs.
(a) Maßgeblich konnte dabei nur der gegen die damals Beschuldigten W. und K. bestehende Tatverdacht sein. Weder in den angegriffenen Beschlüssen noch dem polizeilichen Vermerk vom 18. Oktober 2004 wird die Beschwerdeführerin mit dem weiteren Beschuldigten L. in Verbindung gebracht.
(b) Die Fachgerichte werden den Anforderungen an eine eigenständige Verdachtsprüfung auf der Grundlage der im Zeitpunkt der Entscheidung bekannten Tatsachen nicht gerecht. Sie gehen nicht darauf ein, dass der für den Tatvorwurf maßgebliche Zeuge S. in seiner Zeugenaussage vom 6. Oktober 2004 angegeben hatte, weder mit den Beschuldigten noch mit den von der Durchsuchung betroffenen Zeugen im maßgeblichen Zeitraum Kontakt gehabt zu haben, ja die Beschwerdeführerin und den Mitgeschäftsführer K. nicht einmal zu kennen. Der dem Durchsuchungsbeschluss zugrunde liegende Verdacht baute aber gerade darauf auf, der Zeuge S. habe für die Kursentwicklung der Aktie der A. AG maßgebliche Informationen an die damals Beschuldigten weitergegeben. Nachdem S. dies ausdrücklich und wiederholt ausgeschlossen hatte und auch die durchgeführten Durchsuchungen keine gegenteiligen Anhaltspunkte erbracht hatten, standen der Verdachtsannahme gewichtige Gründe entgegen, die eine Neubewertung verlangten.
Hinzu kam, dass der damals Beschuldigte W. bei seiner Vernehmung am 6. Oktober 2004 angegeben hatte, bereits ab März 2002 Aktien der A. AG erworben zu haben. Die Ermittlungen hatten auch ergeben, dass von ihm im Vorfeld seiner Kaufaufträge ein Squeeze-out-Bericht der A. AG angefordert worden war. Damit stand vor der Durchsuchung bei der Beschwerdeführerin fest, dass es auf die A. AG gerichtete konkrete Interessen und von dem Zeugen S. unabhängige Informationsquellen des W. bereits vor dem mutmaßlichen Tatzeitraum gegeben hatte. Bezogen auf den damals ebenfalls beschuldigten K. ist zu berücksichtigen, dass dieser durch das gemeinsame Engagement im Verein A. und weitere gemeinsame Projekte mit W. verbunden war.
Dabei ist nicht zu verkennen, dass Gerichte und Ermittlungsbehörden keineswegs gehalten waren, den Angaben der vernommenen Beschuldigten und Zeugen ohne weiteres in vollem Umfang zu folgen. Gegenstand von Ermittlungen kann auch die Feststellung der Stichhaltigkeit von Angaben vernommener Personen sein. Das aus Sicht der Ermittlungsbehörden hinsichtlich der damals Beschuldigten W. und K. negative Ermittlungsergebnis verlangte allerdings eine Bewertung aller Feststellungen sowie eine Konkretisierung der nunmehrigen Verdachtsgrundlagen und der Stärke des Tatverdachts, bevor man sich zu grundrechtlich schwerwiegenden Maßnahmen gegenüber Nichtverdächtigen entschloss, die dem unmittelbaren mutmaßlichen Tatgeschehen ferner standen, als die zunächst von den Ermittlungsmaßnahmen Betroffenen.
(c) Die Schwächen der Beweisführung betreffend den Informationsfluss zwischen dem Zeugen S. und den damaligen Beschuldigten konnte das Landgericht auch nicht durch seine nachträglichen Ausführungen zur Geschäftsverbindung der Beschwerdeführerin und des damaligen Beschuldigten K. überwinden, die allenfalls die Frage betrafen, warum man gerade die Wohnung der Beschwerdeführerin als weiteres Durchsuchungsobjekt ausgewählt hatte.
(2) Infolge der bereits durchgeführten Durchsuchungsmaßnahmen, die unter anderem die Geschäftsräume einer auch von der Beschwerdeführerin geleiteten Gesellschaft und die Wohnung des Mitgeschäftsführers betroffen hatten, war auch die Auffindewahrscheinlichkeit deutlich herabgesetzt, weil die Beschwerdeführerin sie betreffende Ermittlungsmaßnahmen zumindest für möglich halten durfte. Im Übrigen durften – wie bereits erwähnt – Anhaltspunkte für die Erfolgsaussichten der Durchsuchung bei der Beschwerdeführerin nicht aus den Feststellungen der Polizeibeamten beim Vollzug der Durchsuchungsanordnung gewonnen werden, wenn die Maßnahme auf einen richterlichen Durchsuchungsbefehl gestützt wird.
cc) Angesichts der Schwäche des Tatverdachts und der geringen Auffindewahrscheinlichkeit greifen die Durchsuchungsbeschlüsse unverhältnismäßig in grundrechtliche Positionen der Beschwerdeführerin ein und vermochten die vorgenommene Durchsuchungsmaßnahme nicht zu rechtfertigen.
III.
Die angefochtenen Beschlüsse sind aufzuheben; die Sache ist zur Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Landgericht Stuttgart zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG). Gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG sind der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 1644021 |
NJW 2007, 1804 |
WM 2006, 1740 |
PStR 2007, 71 |
NPA 2007 |