Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Beschluss vom 29.11.1999; Aktenzeichen 5 Bf 269/98) |
VG Hamburg (Urteil vom 24.03.1998; Aktenzeichen 11 VG 2838/97) |
Tenor
Der Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. November 1999 – 5 Bf 269/98 –, das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. März 1998 – 11 VG 2838/97 –, der Widerspruchsbescheid der Freien und Hansestadt Hamburg vom 12. Juni 1997 – G 2100/823.15-1 – sowie der Bescheid der Freien und Hansestadt Hamburg vom 18. März 1997 – G 2401/823.15-1 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Die Gerichtsentscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Hamburg zurückverwiesen.
- Die Freie und Hansestadt Hamburg hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu ersetzen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung der Aufnahme eines privaten Krankenhauses in den “Krankenhausplan 2000 der Freien und Hansestadt Hamburg” zum 1. Januar 1997.
1. Krankenhauspläne werden gemäß § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl I S. 886) von den Ländern zur Verwirklichung der in § 1 des Gesetzes genannten Ziele aufgestellt. Nach § 1 KHG ist Zweck des Gesetzes die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen. Bei der Durchführung des Gesetzes ist nach § 1 Abs. 2 KHG die Vielfalt der Krankenhausträger zu beachten, insbesondere ist die wirtschaftliche Sicherung freigemeinnütziger und privater Krankenhäuser zu gewährleisten. Die Aufnahme in den Krankenhausplan ist Voraussetzung für eine Investitionsförderung nach §§ 8 ff. KHG und grundsätzlich auch für die Erbringung von Krankenhausleistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 108 Nr. 2 SGB V).
a) Die Aufstellung von Krankenhausplänen und das Planungsverfahren sind nach § 6 Abs. 4 KHG dem Landesrecht zugewiesen. Die Rechtsprechung qualifiziert die Aufstellung des Krankenhausbedarfsplans als eine verwaltungsinterne Maßnahme ohne unmittelbare Rechtswirkungen nach außen (vgl. BVerwGE 72, 38 ≪45≫). Daran schließen sich die von der zuständigen Landesbehörde zu treffenden Entscheidungen über die Aufnahme oder Nichtaufnahme eines bestimmten Krankenhauses in den Plan an. Dabei wird zwischen zwei Entscheidungsstufen differenziert. Auf der ersten Stufe ist festzustellen, welche vorhandenen Krankenhäuser für eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern zu sozial tragbaren Pflegesätzen in Betracht kommen. Hierfür sind die maßgebenden Kriterien die Leistungsfähigkeit und Kostengünstigkeit eines Krankenhauses. Bei der Beurteilung dieser Kriterien steht der zuständigen Landesbehörde weder ein Planungs- noch ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1986, Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 11; Urteil vom 14. November 1985, Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 8). Die behördliche Entscheidung kann vom Gericht erforderlichenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen in vollem Umfang nachvollzogen werden. Soweit die Zahl der in diesen Krankenhäusern vorhandenen Betten den Bedarf übersteigt, ergibt sich auf der zweiten Entscheidungsstufe die Notwendigkeit einer Auswahl zwischen den in Betracht kommenden Krankenhäusern (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1986, Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 11; BVerwGE 72, 38 ≪51≫). Erst bei der Frage, welches von mehreren in gleicher Weise bedarfsgerecht, leistungsfähig sowie wirtschaftlich betriebenen Krankenhäusern im Rahmen einer Auswahlentscheidung in den Plan aufgenommen wird, besteht ein Ermessensspielraum (§ 8 Abs. 2 Satz 2 KHG).
Für die Frage, welches von mehreren Krankenhäusern den Zielen der Krankenhausbedarfsplanung des Landes am besten gerecht wird, bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch der Überprüfung, ob sich die im Krankenhausbedarfsplan festgelegten Ziele im Rahmen der Gesetze gehalten haben und ob die öffentlichen und privaten Interessen gerecht gegeneinander abgewogen worden sind (vgl. BVerwGE 72, 38 ≪58≫). Dabei verbietet es der Grundsatz der Trägervielfalt, staatlichen oder kommunalen Krankenhäusern einen grundsätzlichen Vorrang vor gemeinnützigen und privaten Krankenhäusern einzuräumen.
b) Nach § 1 Abs. 1 des Hamburgischen Krankenhausgesetzes (HmbKHG) vom 17. April 1991 (HmbGVBl S. 127) soll eine patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung in leistungs- und entwicklungsfähigen sowie sparsam und eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern durch öffentliche, freigemeinnützige und private Krankenhausträger sichergestellt werden. Der Krankenhausplan wird von der zuständigen Behörde aufgestellt (§ 15 Abs. 2 Satz 1 HmbKHG). Einvernehmliche Vorschläge für die Aufstellung und Anpassung des Krankenhausplans sowie für die Aufstellung der Investitionsprogramme erarbeitet der in § 18 HmbKHG vorgesehene Landesausschuss (§ 18 Abs. 3 Satz 1 HmbKHG). Er besteht aus der zuständigen Behörde und den unmittelbar Beteiligten. Das sind nach § 17 Abs. 2 HmbKHG die Hamburgische Krankenhausgesellschaft e.V., die Landesverbände der Krankenkassen, die Verbände der Ersatzkassen und der Landesausschuss des Verbandes der privaten Krankenversicherung.
Der Krankenhausplan 2000 der Freien und Hansestadt Hamburg vom 21. November 1995 formuliert als allgemeines Ziel die Schaffung der Voraussetzungen für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige, dem Stand der Wissenschaft qualitativ entsprechende und wirtschaftliche Krankenhausversorgung (Punkt 1.3, S. 8). Als ein vorrangiges Ziel der Krankenhausplanung wird daneben die Ausgewogenheit der Trägerstruktur genannt (Punkt 1.5, S. 9).
Der Anteil der privaten Krankenhäuser an den Versorgungskapazitäten wird für den Krankenhausplan 2000 auf 0,62 vom Hundert beziffert, der der freigemeinnützigen Träger auf 36,11 vom Hundert und der der staatlichen Krankenhäuser auf 63,27 vom Hundert (Krankenhausplan 2000 Punkt 1.5, S. 9). Insgesamt wurden in Hamburg im Jahr 2000 in Plankrankenhäusern 10.326 Betten vorgehalten (vgl. Statistisches Bundesamt ≪Hrsg.≫, Fachserie 12, Reihe 6.1, Grunddaten der Krankenhäuser und Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, 2000, S. 38). Von den in Allgemeinen Krankenhäusern insgesamt vorhandenen 13.140 Betten entfielen auf öffentliche Träger 7.363, auf freigemeinnnützige Träger 5.433 und auf private Träger 344 Betten (vgl. Statistisches Bundesamt, a.a.O., S. 38 ≪40≫).
2. Die Beschwerdeführerin betreibt in privater Trägerschaft seit 1995 in Hamburg im Stadtteil Bergedorf ein Krankenhaus (Praxisklinik) mit Schwerpunkt auf orthopädischem Fachgebiet. Im Dezember 1996 beantragte sie die Aufnahme von 20 Betten (14 Betten für Orthopädie, 5 Betten für Neurochirurgie und 1 Bett im Fach Urologie) in den Krankenhausplan 2000 aufgrund ihres vorgelegten “Interdisziplinären Klinikkonzepts zur ganzheitlichen Versorgung des Bewegungs- und Stützapparates”.
a) Im März 1997 lehnte die Beklagte des Ausgangsverfahrens den Antrag ab. Das Versorgungsangebot der Beschwerdeführerin sei ungeeignet. In den Krankenhausplan würden vorrangig Krankenhäuser aufgenommen, die eine breitbasige Allgemeinversorgung böten und in die Not- und Unfallversorgung einbezogen werden könnten. Diese Voraussetzungen erfülle die Beschwerdeführerin nicht. Darüber hinaus bestehe kein Bedarf für die von ihr angebotenen medizinischen Leistungen. Alle im Klinikkonzept aufgeführten Leistungen würden bereits flächendeckend in den geeigneten Hamburger Krankenhäusern erbracht. Ohnedies müssten in den Bereichen Orthopädie und Urologie Kapazitäten abgebaut werden. Für die Neurochirurgie sehe der Krankenhausplan 2000 zwar zusätzliche Kapazitäten vor, diese würden jedoch durch die Umwidmung chirurgischer Betten in bestehenden Plankrankenhäusern realisiert, wo ein direkter Zusammenhang der Neurochirurgie mit dem übrigen Leistungsspektrum insbesondere im Bereich der Not- und Unfallversorgung bestehe. Wegen der stadtstaatlichen Struktur bestehe keine Notwendigkeit für eine regionale Krankenhausplanung.
Es werde nicht bestritten, dass die Beschwerdeführerin ihre Leistungen besonders wirtschaftlich erbringe. Das falle nicht besonders ins Gewicht, weil ein großer Teil der Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen abgerechnet werde, so dass in allen Krankenhäusern die gleichen Entgelte anfielen. Auch dem Grundsatz der Ausgewogenheit der Trägervielfalt werde Rechnung getragen. Der Bettenanteil der freigemeinnützigen und privaten Krankenhäuser werde zu Lasten der staatlichen Krankenhäuser bis zum Jahr 2000 zunehmen. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem weitergehenden Versorgungsangebot der Beschwerdeführerin etwa in den Bereichen Frühmobilisierung, physikalische Therapie und ambulante Rehabilitation.
Im Widerspruchsbescheid wurde ausgeführt: Ein Versorgungsbedarf ergebe sich nicht aus der großen Zahl der von der Beschwerdeführerin 1996 und 1997 durchgeführten Operationen. Die Spezialisierung der Beschwerdeführerin führe auch nicht zu einer qualitativen Überlegenheit gegenüber anderen Leistungserbringern. Eine Änderung im laufenden Krankenhausplan zu Lasten anderer Krankenhäuser sei nur unter besonderen Umständen möglich, wenn der zu erwartende Kostenvorteil durch die Umstrukturierungsmaßnahme größer als die damit verbundenen finanziellen Nachteile sei. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte. Das Gebot der Ausgewogenheit der Trägerstruktur nach § 1 Abs. 1 KHG könne nur langfristig verwirklicht werden. Gegenwärtig müsse von einer “gewachsenen Struktur” ausgegangen werden: In die zum Teil vor vielen Jahrzehnten geplanten kommunalen und gemeinnützigen Krankenhäuser seien im Laufe der Jahre hohe Beträge investiert worden. Sie könnten nicht von einem Tag auf den anderen zu Fehlinvestitionen gemacht werden.
b) Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf die Entscheidungsgründe des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts in dem vorangegangenen Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes bezogen, in denen ausgeführt worden war: Es könne zwar davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin ein Krankenhaus betreibe, das den Anforderungen des § 1 Abs. 1 KHG ohne Einschränkungen gerecht werde. Indes bestehe kein Bedarf, weil in Hamburg ein deutliches Bettenüberangebot bestehe. Dies habe zur Folge, dass die Planungsbehörde unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Krankenhausträger nach pflichtgemäßem Ermessen eine Auswahl zwischen den vorhandenen Krankenhäusern vorzunehmen habe. Es sei nicht erkennbar, dass ihr dabei ein Ermessensfehler unterlaufen sei.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg. Rechtsstaatliche Bedenken dagegen, dass die Beklagte des Ausgangsverfahrens nicht nur Planungsbehörde, sondern zugleich auch Trägerin mehrerer Hamburger Krankenhäuser sei, sah das Oberverwaltungsgericht nicht. Fehler im Verwaltungsverfahren könnten zum Gegenstand der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte gemacht werden. Auch wenn private Krankenhausbetten im Krankenhausplan 2000 nur mit 0,62 vom Hundert vertreten seien, spreche das nicht für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Vielfalt der Krankenhausträger. Es fehle an Anhaltspunkten dafür, dass sachfremde Erwägungen bei der Auswahlentscheidung eine Rolle gespielt haben könnten. Der geringe Anteil sei ohne weiteres mit der beschriebenen gewachsenen Struktur erklärbar. Private Krankenhäuser wie auch das von der Beschwerdeführerin betriebene würden regelmäßig dem Ziel der Krankenhausplanung nicht genügen, eine breitbasige Allgemeinversorgung und eine flächendeckende Not- und Unfallversorgung sicherzustellen. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Krankenhäusern den Vorzug gebe, die diesen Zielen gerecht würden, auch wenn sie möglicherweise nicht so kostengünstig seien wie Spezialkrankenhäuser.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 20 GG. Da die Beklagte des Ausgangsverfahrens Planungsbehörde und gleichzeitig Trägerin ihrer Krankenhäuser sei, liege eine Interessenkollision vor, die gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoße. Es bestehe eine institutionelle Befangenheit, die eine Entscheidung durch die Planungsbehörde ausschließe. Das Problem verschärfe sich in einem Stadtstaat, in dem die politischen Rahmenbedingungen von besonders großem Einfluss seien.
Ferner werde in den angegriffenen Entscheidungen der Grundsatz der Trägervielfalt nicht in der durch Art. 12 Abs. 1 GG gebotenen Weise angewandt. Dass diesem Grundsatz nicht hinreichend Rechnung getragen werde, zeige schon das Missverhältnis zwischen staatlichen und privaten Krankenhausbetten. Der Umstand, dass die Einrichtung der Beschwerdeführerin eine um 35 vom Hundert niedrigere Verweildauer und durchschnittlich um 30 vom Hundert geringere Fallkosten vorweisen könne, hätte in die Auswahlentscheidung einfließen müssen, auch wenn hierbei Betten in den “teureren und insgesamt antiquiert arbeitenden staatlichen Häusern” abgebaut werden müssten.
4. Neben den Beteiligten des Ausgangsverfahrens haben das Bundesverwaltungsgericht und die Bundesrechtsanwaltskammer Stellungnahmen abgegeben.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung eines der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 BVerfGG liegen vor. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Krankenhausplanungsrecht hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Die wirtschaftlichen Belastungen durch die Nichtaufnahme in den Krankenhausplan sind so schwerwiegend, dass sie einer Beschränkung der Berufswahl nahe kommen, weshalb nur Gemeinwohlbelange von hoher Bedeutung gegenüber dem schutzwürdigen Interesse des Aufnahme begehrenden Krankenhausträgers an ungehinderter Betätigung den Vorrang verdienen können (vgl. BVerfGE 82, 209 ≪229 f.≫). Verfahrensrechtlich ist geklärt, dass im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Bescheidung von Aufnahmeanträgen keine überspannten Anforderungen gestellt, insbesondere in Grenz- und Zweifelsfällen angemessene Lösungen gefunden werden müssen (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 231).
Das Bundesverfassungsgericht hat auch entschieden, dass der Grundsatz, niemand könne in eigener Sache Richter sein, zu den rechtsstaatlichen Prinzipien gehört (vgl. BVerfGE 3, 377 ≪381≫). Das verbietet aber nicht, dass Behörden, insbesondere kommunale Behörden, in Wahrnehmung unterschiedlicher Funktionen und Interessen entscheiden (vgl. BVerfG, S. 382).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, wohl aber zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG erforderlich (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
a) Soweit die Beschwerdeführerin eine institutionelle Befangenheit der Planungsbehörde rügt, hat die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg. Es ist der Behörde durch Verfassungsrecht grundsätzlich nicht untersagt, in eigener Sache zu entscheiden (vgl. BVerfGE 3, 377 ≪381, 382≫). Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Stellungnahme zu Recht darauf hingewiesen, dass es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz gibt, der es einer Verwaltungsbehörde verböte, für den Bürger verbindliche Entscheidungen in “eigener Sache” zu treffen. Grundlage dieser Entscheidungsbefugnis ist die verfassungsrechtliche Bindung an Recht und Gesetz, die die Behörde an der einseitigen Durchsetzung ihrer Interessen hindert. Flankiert wird diese Bindung durch die volle richterliche Kontrolle des Verwaltungshandelns. Insoweit kompensiert Art. 19 Abs. 4 GG eventuelle Defizite der Verwaltungsentscheidungen, die Folge einer Interessenkollision sein könnten.
Außerdem liegt die wirtschaftliche Sicherung der von der öffentlichen Hand betriebenen Krankenhäuser auch im öffentlichen Interesse, so dass nicht ausschließlich fiskalische Interessen im Vordergrund stehen. Im Gesetz finden sich verfahrensrechtliche Sicherungen durch die Einbeziehung der unmittelbar Beteiligten (§ 17 Abs. 2 HmbKHG), die über ihre Mitgliedschaft im Landesausschuss (§ 18 HmbKHG) im Vorfeld der Aufstellung und Anpassung des Krankenhausplans mitwirken. Vor allem aber sind die Entscheidungen der zuständigen Behörde hinsichtlich Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 1985, Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 8); die Auswahlentscheidung unterliegt jedenfalls hinsichtlich der Ermessensfehler gerichtlicher Überprüfung (vgl. zum Gebot effektiven Rechtsschutzes gegen die Ablehnung der Aufnahme in den Krankenhausplan Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfasungsgerichts vom 14. Januar 2004 – 1 BvR 506/03 – ≪Juris≫).
b) Die angegriffenen Entscheidungen werden aber dem Maßstab des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht gerecht. Sie stellen an die Zulassungsvoraussetzungen der Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsfähigkeit und Kostengünstigkeit Anforderungen, die zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin führen.
Grundlage der staatlichen Krankenhausplanung ist § 6 in Verbindung mit § 17 KHG. Die Auslegung und Anwendung dieser Bestimmungen können vom Bundesverfassungsgericht – abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot – nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheiten führt (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f., 96≫; 85, 248 ≪257 f.≫; 87, 287 ≪323≫). Letzteres ist hier im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG der Fall.
aa) Die Bedarfsgerechtigkeit hat die zuständige Behörde mit der Begründung verneint, dass auch ohne die Mitwirkung der Einrichtung der Beschwerdeführerin an der stationären, im Wesentlichen orthopädischen Krankenversorgung eine ausreichende allgemeine und fachspezifische Bettenzahl gegeben sei. Dieser verkürzte Maßstab trägt der Bedeutung des Grundrechts der Beschwerdeführerin nicht hinreichend Rechnung.
Den Begriff der Bedarfsgerechtigkeit als Voraussetzung für die Aufnahme in den Krankenhausplan hat das Bundesverwaltungsgericht dahin ausgelegt, dass ein Krankenhaus dann bedarfsgerecht ist, wenn es nach seinen objektiven Gegebenheiten in der Lage ist, einem vorhandenen Bedarf gerecht zu werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1986, Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 11). Das ist nicht nur dann der Fall, wenn die von dem Krankenhaus angebotenen Betten zusätzlich notwendig sind, um den in seinem Einzugsbereich aktuell vorhandenen Bettenbedarf zu decken, sondern auch dann, wenn ein Krankenhaus neben oder an Stelle eines anderen Krankenhauses geeignet wäre, den fiktiv vorhandenen Bedarf zu decken. Diese Auslegung des Merkmals der Bedarfsgerechtigkeit wird den Aufforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG gerecht (vgl. BVerfGE 82, 209 ≪225, 226≫). Nur in dieser Auslegung haben hinzutretende Krankenhäuser überhaupt eine Chance auf Aufnahme in den Krankenhausbedarfsplan, solange sich am Gesamtbedarf nichts ändert. Ansonsten könnte mit dem Hinweis auf die bestehenden Kapazitäten jeder Neuzugang verhindert werden. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens und ihr folgend die Gerichte verengen das Kriterium der Bedarfsgerechtigkeit in verfassungswidriger Weise, wenn sie es auf die Frage eines derzeit ungedeckten Bettenbedarfs reduzieren und die objektive Eignung zur Bedarfsdeckung überhaupt nicht mehr prüfen.
bb) Ob die Ausführungen der Planungsbehörde zum quantitativen Bedarf einer Überprüfung an den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Maßstäben standhalten, ist im Übrigen ebenfalls zweifelhaft, insofern lässt die Anwendung einfachen Rechts aber keine Verkennung von Grundrechten erkennen.
cc) Auch die Ausführungen zu den Merkmalen der Leistungsfähigkeit und Kostengünstigkeit tragen der besonderen Grundrechtsbetroffenheit der Beschwerdeführerin nicht hinreichend Rechnung.
Einer Diskussion über die betriebswirtschaftlichen Gründe unterschiedlicher Kosten weicht das Gericht mit dem Hinweis auf die Fallpauschalenregelung aus. Damit wird die derzeitige Kostensituation zementiert; eine Abwägung findet nicht statt. Mit dieser Argumentation verlieren die Merkmale der Leistungsfähigkeit und Kostengünstigkeit jede Relevanz für die Auswahlentscheidung. Das verhindert die Öffnung für neue Bewerber, auch wenn sie deutlich sparsamer wirtschaften als die derzeitigen Plankrankenhäuser.
Soweit die Planungsbehörde eine Kostensteigerung durch die Aufnahme der Beschwerdeführerin in die Abwägung einstellt, vernachlässigt sie, dass es bei der Fortschreibung der Krankenhausbedarfsplanung nicht notwendig darum geht, das Bettenangebot zu vergrößern. Durch die Neuaufnahme eines wirtschaftlicheren Krankenhauses können vielmehr teurere Planbetten entbehrlich werden.
dd) Die Entscheidungen entsprechen auch insofern nicht den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG, als dem Grundsatz der Trägervielfalt mit Rücksicht auf gewachsene Strukturen letztlich nicht Rechnung getragen wird.
(1) Die Trägervielfalt wird auch vom Bundesverwaltungsgericht als wesentlicher Gesichtspunkt bei der Auswahl zwischen mehreren Krankenhäusern angesehen (vgl. BVerwGE 72, 38 ≪58≫; Urteil vom 14. November 1985, Buchholz 451.74 KHG § 8 Nr. 8). Das Bundesverfassungsgericht hat der Berücksichtigung dieses Grundsatzes im Zusammenhang mit der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Beschränkung der Berufsfreiheit durch die nach dem Krankenhausplanungsrecht erforderliche Auswahlentscheidung besondere Bedeutung beigemessen (vgl. BVerfGE 82, 209 ≪231≫). Diesen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt hebt auch die Bundesrechtsanwaltskammer in ihrer Stellungnahme besonders hervor.
In den angegriffenen Entscheidungen wird dieser Aspekt, der bei einer unausgewogenen Verteilung die Belange privater Träger und deren Berufsfreiheit zur Geltung bringen kann, vernachlässigt. In der Auslegung durch die angegriffenen Entscheidungen gewährleistet die Krankenhausbedarfsplanung letztlich die Auslastung vorhandener Einrichtungen, denen der Vorrang eingeräumt wird, auch wenn eine stärkere Berücksichtigung privater Träger möglich wäre.
(2) Die strukturelle Benachteiligung privater Krankenhäuser mit einem spezialisierten Angebot beruht vorliegend auch darauf, dass die Planungsbehörde generell Häuser bevorzugt, die eine breitbasige Allgemeinversorgung und eine flächendeckende Not- und Unfallversorgung sicherstellen. Mit diesen Merkmalen werden private Krankenhäuser im Verhältnis zu großen kommunalen oder freigemeinnützigen Häusern benachteiligt, auch ohne ausdrückliche Erwägungen in diese Richtung. Abgesehen davon, dass die Struktur der bisher vorhandenen Plankrankenhäuser diesen Anspruch nicht unbedingt widerspiegelt, vernachlässigt dieser Ansatz, dass das Krankenhausfinanzierungsgesetz auf dem Prinzip der abgestuften Krankenhausversorgung beruht. Nicht alle Krankenhäuser müssen über den gleichen medizinischen Standard in technischer und personeller Hinsicht verfügen.
Ein genereller Rechtssatz, dass größere Häuser mit einem umfassenden Leistungsangebot zu bevorzugen seien, lässt sich dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht entnehmen. Er wäre auch verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen (vgl. Steiner, DVBl 1979, S. 865 ≪870≫). Damit würde größeren Versorgungseinheiten eine Priorität eingeräumt, für die es jedenfalls in dieser Allgemeinheit keinen sachlichen Grund gibt. Private Krankenhäuser würden hiervon in besonderem Maße betroffen, weil sie, wie auch die Beschwerdeführerin, regelmäßig nur über ein begrenztes Bettenkontingent verfügen und in Spezialgebieten tätig sind. Der Krankenhausplan 2005 trägt dem Rechnung. Im Hinblick auf die zunehmende Spezialisierung des Leistungsangebots sieht er vom Erfordernis der breitbasigen Allgemeinversorgung als maßgebendes Kriterium für die Aufnahme in den Krankenhausplan weitgehend ab (S. 6-4).
(3) Die von der Beschwerdeführerin zum Beleg einer ungleichen Chancenverteilung angeführte Verteilung der Kapazitäten unterstreicht die Benachteiligung privater Träger. Zwar weist die Beklagte des Ausgangsverfahrens in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass von 48 Krankenhäusern in Hamburg nur 11 in öffentlicher und 15 in privater Trägerschaft geführt werden. Dem entpricht aber die Bettenverteilung im Krankenhausbedarfsplan gerade nicht. Angesichts dieser Krankenhauslandschaft ist kaum nachvollziehbar, warum von den insgesamt im Krankenhausplan 2000 aufgeführten 36 Krankenhäusern (Übersicht S. 70, 71) sich lediglich 2 Krankenhäuser mit insgesamt 102 Betten in privater Trägerschaft befinden. Die Zahl der privat geführten Plankrankenhäuser soll sich auch nach dem Krankenhausplan 2005 nicht erhöhen (s. Anlage 1 des Krankenhausplans). Im vorliegenden Verfahren ist von der Beklagten des Ausgangsverfahrens nicht etwa ein Mangel an Häusern in privater Trägerschaft dafür verantwortlich gemacht worden, dass seit 1990 deren Beitrag zu den Planbetten stets weniger als 1 vom Hundert betrug.
Der Hinweis auf gewachsene Strukturen ist nur geeignet, den status quo zu erklären, nicht aber als sachlicher Grund die Verfestigung bestehender Unterschiede zu rechtfertigen. Die Bedarfsplanung ist grundsätzlich offen für eine Strukturveränderung, wenn die oben dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsätze beachtet werden. Auch dann mag eine Ausgewogenheit der Trägerstruktur nur langfristig zu verwirklichen sein; das ist aber kein Argument dafür, den Aspekt der Trägervielfalt im Rahmen einer konkreten Auswahl zu Lasten eines geeigneten Bewerbers außer Acht zu lassen.
Aus eben diesem Grund trägt auch der Hinweis auf eventuelle Fehlinvestitionen bei öffentlichen und gemeinnützigen Trägern nicht. Anderenfalls hätten hinzutretende Bewerber bei stagnierender Bettenzahl keine reelle Berufschance. Mit diesem Argument könnten sonst die zur Wahrung chancengerechter Berufswahlfreiheit eingeführten Kriterien der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit zugunsten der bestehenden Versorgungsstruktur, jedoch zu Lasten von Patienten und Kostenträgern ausgehebelt werden.
3. Wie über den Antrag der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung ihrer besonderen Grundrechtsbetroffenheit zu entscheiden ist, kann von den Fachgerichten erst nach weiterer Sachaufklärung beurteilt werden.
4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Jaeger, Hömig, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 1129104 |
NJW 2004, 1648 |
NVwZ 2004, 1350 |
ArztR 2005, 81 |
NZS 2004, 420 |
GesR 2004, 296 |