Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilbetriebsveräußerung. rechtliches Gehör
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Teilbetrieb ist ein organisatorisch in sich geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist. Für die Würdigung kommt es auf das Gesamtbild der Verhältnisse an, wobei einzelne Elemente je nachdem, ob es sich um ein Produktions-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen handelt, unterschiedliches Gewicht haben können (hier: Verkehrslinie eines Personenbeförderungsunternehmens).
2. Nimmt der Beschwerdeführer trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens ohne Entschuldigung nicht an der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht teil und entzieht er sich auf diese Weise einer persönlichen Anhörung, begründet es keinen Verfassungsverstoß, wenn der Senat ohne persönliche Anhörung des Beschwerdeführers durch Urteil entscheidet. Aus dieser Verfahrensweise kann nur geschlossen werden, daß der Senat am Ende der mündlichen Verhandlung, an der die Prozeßbevollmächtigte des Beschwerdeführers teilgenommen hatte, eine persönliche Anhörung des Beschwerdeführers nicht mehr für erforderlich gehalten und die Anordnung des persönlichen Erscheinens stillschweigend aufgehoben hat. Dies läßt nicht auf einen Verfassungsverstoß schließen.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 76
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 15.12.1983; Aktenzeichen IV R 239/82) |
Gründe
Welches Wirtschaftsgebilde als Teilbetrieb im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusehen ist, ist eine Frage der Auslegung des einfachen Steuerrechts. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht im Verfahren der Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nicht Stellung zu nehmen; denn die Auslegung des Steuerrechts und seine Anwendung auf den einzelnen Steuerfall ist Sache der dafür fachlich zuständigen Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit, vornehmlich des Bundesfinanzhofs (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫). Das Bundesverfassungsgericht könnte nur eingreifen, wenn Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers verletzt wären. Dies ist nicht der Fall.
Nach der auch im vorliegenden Fall zugrundegelegten ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist ein Teilbetrieb ein organisatorisch in sich geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist. Für die Würdigung kommt es auf das Gesamtbild der Verhältnisse an, wobei einzelne Elemente je nachdem, ob es sich um ein Produktions-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen handelt, unterschiedliches Gewicht haben können. Wenn der Bundesfinanzhof zu dem Ergebnis gekommen ist, der Y-Linie des Beschwerdeführers habe eine hinreichende betriebsorganisatorische Abschließung und Selbständigkeit gegenüber dem Gesamtbetrieb gefehlt, läßt sich dies verfassungsrechtlich nicht beanstanden. Der Bundesfinanzhof konnte berücksichtigen, daß das Personenbeförderungsunternehmen des Beschwerdeführers außer der Y-Linie noch andere Linien unterhielt und selbst dann, wenn die Y-Linie die einzige Verkehrslinie gewesen wäre, diese gegenüber dem weiteren vom Beschwerdeführer betriebenen Anmietungs- und Ausflugsverkehr nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als nicht hinreichend verselbständigt angesehen werden müßte.
Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, daß der Bundesfinanzhof von einzelnen Feststellungen tatsächlicher Art, die das Finanzgericht in seinem Urteil getroffen hatte, abgewichen wäre. Wenn der Bundesfinanzhof bei der Würdigung des Gesamtbilds der Verhältnisse die Gewichte anders als das Finanzgericht verteilt haben sollte, ließe sich dies verfassungsrechtlich nicht beanstanden, weil die Würdigung des Gesamtbilds der Verhältnisse auf der Grundlage der einzelnen festgestellten Sachverhaltselemente im wesentlichen zur Rechtsanwendung und zur revisionsrichterlichen Überprüfung des Finanzgerichtsurteils gehört hat.
Auch das Finanzgericht hat bei der Feststellung des Sachverhalts nicht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt. Das Finanzgericht hat nur solche Umstände tatsächlicher Art festgestellt, zu denen sich der Beschwerdeführer äußern konnte. Daß das Finanzgericht relevante, vom Beschwerdeführer gestellte Beweisanträge unbeachtet gelassen hätte, ist in der Verfassungsbeschwerde nicht substantiiert dargetan. Der Beschwerdeführer kann nicht als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügen, der Senatsvorsitzende habe bei der Verhandlungsführung unter Verletzung der richterlichen Fragepflicht (§ 76 FGO) den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt. Wenn der Beschwerdeführer trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens ohne Entschuldigung nicht an der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht teilgenommen und sich auf diese Weise einer persönlichen Anhörung entzogen hat, begründet es keinen Verfassungsverstoß, wenn der Senat ohne persönliche Anhörung des Beschwerdeführers durch Urteil entschieden hat. Aus dieser Verfahrensweise kann nur geschlossen werden, daß der Senat am Ende der mündlichen Verhandlung, an der die Prozeßbevollmächtigte des Beschwerdeführers teilgenommen hatte, eine persönliche Anhörung des Beschwerdeführers nicht mehr für erforderlich gehalten und die Anordnung des persönlichen Erscheinens stillschweigend aufgehoben hat. Dies läßt nicht auf einen Verfassungsverstoß schließen.
Darauf, daß er bei der Veräußerung der Y-Linie unter einem erheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hätte (vgl. BFHE 126, 408) und daß der Erlös aus der Veräußerung der Y-Linie ganz oder zum Teil als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG für die Aufgabe oder Nichtausübung der Beförderungstätigkeit auf dieser Strecke angesehen werden könnte (vgl. einerseits BFHE 82, 645 mit Anmerkung von Kayser, StRK § 24 R. 53 und andererseits BFHE 84, 250 mit Anmerkung von Blencke und Eisenberg StRK § 24 R. 61) hatte sich der Beschwerdeführer im finanzgerichtlichen Verfahren nicht schlüssig berufen, so daß es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof nicht zur Frage einer Tarifermäßigung unter diesem Aspekt Stellung genommen haben.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen