Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Umsatzsteuerbefreiung für Laborleistungen eines Klinischen Chemikers
Leitsatz (redaktionell)
1. Die von einem Klinischen Chemiker erbrachten labordiagnostischen Leistungen sind nicht nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1967 steuerfrei.
2. Daß der BFH bei der Auslegung des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG an die einzelnen im Gesetz genannten Berufe anknüpft und die Frage, ob eine „ähnliche heilberufliche Tätigkeit” vorliegt, nicht nach allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen, sondern nach der Vergleichbarkeit mit den Berufsbildern der in § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG bzw. in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aufgezählten Berufe beantwortet, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
UStG 1967 § 4 Nr. 14 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten.
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits festgestellt, daß die in § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG geregelte Steuerbefreiung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfGE 43, 58 [71 f.]); danach durfte der Gesetzgeber ohne Verfassungsverstoß zur Abgrenzung des in dieser Vorschrift begünstigten Personenkreises an die Leistungen der in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG bestimmten Heilberufe anknüpfen und die Steuerfreiheit auf diese Berufe beschränken, selbst wenn deren Leistungen zum Teil auch von anderen Berufen erbracht werden können und erbracht werden.
Die Auslegung des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG und die Festlegung, unter welchen Voraussetzungen das Tatbestandsmerkmal der „ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit” erfüllt ist, ist in erster Linie eine Frage des Steuerrechts. Zur Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts sind jedoch vorrangig die Fachgerichte berufen; das Bundesverfassungsgericht kann hier nur eingreifen, wenn spezifisches Verfassungsrecht verletzt ist (BVerfGE 18, 85 [92]). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
1. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.
Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Verletzung des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) greift nicht bei jedem etwaigen Fehler in der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte ein. Hinzu kommen muß vielmehr, daß die Anwendung des einfachen Rechts bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerfGE 4, 1[7]; 13, 132 [150]; 42, 64 [74]; ständige Rechtsprechung). Das Bundesverfassungsgericht kann unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden und lediglich eingreifen, wenn für eine getroffene Differenzierung sachlich einleuchtende Gründe schlechthin nicht mehr erkennbar sind, so daß ihre Aufrechterhaltung als willkürlich beurteilt werden müßte. Dies trifft vorliegend jedoch nicht zu.
Wenn der Bundesfinanzhof bei der Auslegung des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG an die einzelnen im Gesetz genannten Berufe anknüpft und die Frage, ob eine „ähnliche heilberufliche Tätigkeit” vorliegt, nicht nach allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen, sondern nach der Vergleichbarkeit mit den Berufsbildern der in § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG bzw. in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aufgezählten Berufe beantwortet, so ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (zur Bedeutung von Berufsbildern, an welche Rechtsfolgen geknüpft werden, und ihrer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zulässigkeit vgl. BVerfGE 13, 97 [106, 117]; 25, 236 [247]). Der Bundesfinanzhof mußte nicht jede Heil- oder Heilhilfstätigkeit, nur weil sie in der praktischen Ausübung den Tätigkeiten der im Gesetz genannten Berufsgruppen ähnlich ist, der Steuerfreiheit des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG unterstellen, sondern konnte, der Intention der gesetzlichen Regelung entsprechend, gerade auf die wesentlichen Merkmale der Berufe als solche abstellen. Allerdings gebietet Art. 3 Abs. 1 GG, daß die Unterscheidungsmerkmale, aufgrund deren bei der Gesetzesauslegung die „ähnlichen” Berufe von denen, bei welchen eine solche Ähnlichkeit nicht gegeben ist, abgegrenzt werden, sachlich gerechtfertigt sind.
Die vom Bundesfinanzhof herausgearbeiteten Merkmale, durch welche sich der Beruf des Klinischen Chemikers vom Beruf des Arztes (auch dem des Laborarztes, der eine dem Klinischen Chemiker durchaus vergleichbare Tätigkeit ausübt, was auch der Bundesfinanzhof einräumt) unterscheidet, genügen diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen und vermögen als sachlicher Rechtfertigungsgrund für die unterschiedlichen Behandlungen beider Berufsgruppen im Rahmen des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG zu dienen.
Der Bundesfinanzhof geht zutreffend davon aus, daß von den im Gesetz genannten Berufen nur der des Arztes für einen Vergleich mit dem Klinischen Chemiker in Frage kommt. Dabei stellt der Bundesfinanzhof auf die Art der Berufsausbildung, die Bedingungen der Berufsaufnahme und diejenigen der Berufsausübung ab. In diesen Richtungen finden sich gewichtige Unterschiede zwischen den Berufsbildern des Klinischen Chemikers und des (Labor-) Arztes. Die Ausbildung des Klinischen Chemikers, die in ihrer Höhe und Qualifikation der des Arztes keineswegs nachsteht, ist, bedenkt man die unterschiedlichen Studieninhalte, von der medizinischen Ausrichtung stark verschieden, abgesehen von Grenzgebieten. Auch die auf dem Studium aufbauende Weiterbildung ist jeweils unterschiedlich. Die Berufsaufnahme des Arztes ist an eine formelle staatliche Zulassung, die Approbation, gebunden; Vergleichbares fehlt beim Klinischen Chemiker. Das dem Beschwerdeführer von einem privaten Verband, der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie e.V. erteilte Zertifikat kann der öffentlich-rechtlichen ärztlichen Approbation nicht gleichgesetzt werden. Dabei ist zu bedenken, daß die in § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG und § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aufgezählten Heilberufe und Heilhilfsberufe (nicht nur der Beruf des Arztes selbst) gerade auch dadurch gekennzeichnet sind, daß sie eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis zur Berufsaufnahme erfordern und die Ausübung dieser Berufe im allgemeinen gesetzlich geregelt ist. Während der Arzt bei seiner Berufsausübung strengen standesrechtlichen Regeln unterworfen ist, ist eine derartige öffentlich-rechtliche Überwachung und Ordnung der Berufsausübung des Klinischen Chemikers nicht gegeben. Die genannten Bedingungen der Berufsaufnahme und Berufsausübung charakterisieren aber durchaus in erheblichem Maße das Berufsbild des Arztes.
Nach alledem sind die vom Bundesfinanzhof zur Abgrenzung der „ähnlichen” Berufe herausgearbeiteten Kriterien, der von ihm vorgenommene Vergleich mit einzelnen der im Gesetz aufgezählten Berufe und nicht mit diesen Berufen gemeinsamen Tätigkeitsmerkmalen, das Abstellen auf die Vergleichbarkeit der Berufsbilder und die Maßgeblichkeit der Art und Weise der Ausbildung sowie der öffentlich-rechtlichen Regelung der Berufsaufnahme und -ausübung nicht sachfremd und willkürlich. Die unter Heranziehung dieser Kriterien vom Bundesfinanzhof im Falle des Beschwerdeführers angestellten Überlegungen und seine insbesondere auf Unterschiede zwischen dem Klinischen Chemiker und dem Laborarzt in der Art der Ausbildung und den gesetzlichen Bedingungen der Berufsausübung, vor allem hinsichtlich des Erfordernisses einer Approbation, gegründeten Schlußfolgerungen lassen daher einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht erkennen.
Ob unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten auch eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre und ob es rechtspolitisch wünschenswert erscheinen könnte, auch Klinische Chemiker, wie den Beschwerdeführer, in den Kreis der durch § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG Begünstigten einzubeziehen, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden.
2. Der Beschwerdeführer wird auch nicht in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.
Zwar können steuerliche Vorschriften die Freiheit der Berufswahl mittelbar beeinträchtigen, wenn sie infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen (BVerfGE 13, 181 [185 f.]; 37, 1 [17]; 42, 374 [384]).
Derartige Voraussetzungen sind im Falle des Beschwerdeführers jedoch nicht gegeben. Eine – auch nur objektiv – berufsregelnde Tendenz ist in § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG nicht erkennbar. Zwar ist unzweifelhaft der Beschwerdeführer für die in seinem Institut erbrachten Leistungen gegenüber selbständigen Laborärzten in wettbewerblicher Hinsicht in gewissem Umfang benachteiligt. Es ist jedoch nicht ersichtlich, daß diese Belastung des Beschwerdeführers mit der – auf den halben Steuersatz beschränkten – Umsatzsteuer wirtschaftlich in wirklich gravierender Weise Wirkungen entfaltet.
3. Schließlich fehlt es auch an einem Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG.
Die angegriffene Regelung führt nicht zu einer grundlegenden Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers (vgl. BVerfGE 14, 221 [241]; 23, 288 [315]; 30, 250 [272]).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar
Fundstellen