Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach gescheiterter Telefaxübermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes
Leitsatz (redaktionell)
Scheitert die rechtzeitige Übermittlung der Verfassungsbeschwerde am letzten Tag der Frist daran, dass das Empfangsgerät durch andere Sendungen belegt war, so ist der Beschwerdeführerin mangelnde Sorgfalt bei den zur Fristwahrung getroffenen Vorkehrungen vorzuwerfen, wenn sie erst eine halbe Stunde vor Mitternacht mit Übermittlungsversuchen begonnen hat. Die Belegung des gerichtseigenen Telefaxanschlusses durch andere eingehende Sendungen ist nämlich eine kurz vor Fristablauf allgemein zu beobachtende Erscheinung, der ein Beschwerdeführer im Hinblick auf die ihm obliegende Sorgfaltspflicht durch einen zeitlichen Sicherheitszuschlag Rechnung zu tragen hat.
Normenkette
BVerfGG § 93 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie unzulässig ist. Sie wurde nicht innerhalb der am 27. Dezember 2005 abgelaufenen Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG eingelegt.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Beschwerdeführerin nicht zu gewähren. Sie war nicht ohne Verschulden verhindert, die versäumte Frist einzuhalten (§ 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
Ein die Beschwerdeführerin entlastender Fehler des Telefax-Empfangsgeräts lag nicht vor. Das Telefaxgerät des Bundesverfassungsgerichts war zum Zeitpunkt der Übermittlungsversuche der Beschwerdeführerin empfangsbereit, aber besetzt. Das Fax-Journal vom 27. Dezember 2005 weist für 23.29 Uhr den Empfang einer Sendung mit einer Übertragungsdauer von 7 Min. 40 Sek. aus, für 23.38 Uhr den Empfang einer Sendung mit einer Übertragungsdauer von 1 Min. 26 Sek., für 23.40 Uhr den Empfang einer Sendung mit einer Übertragungsdauer von 4 Min. 32 Sek. und für 23.46 Uhr den Empfang einer Sendung mit einer Übertragungsdauer von 26 Min. 59 Sek. Damit korrespondiert die vom zuständigen Personal gefertigte handschriftliche Aufstellung der in diesem Zeitraum eingegangenen Schriftsätze.
Durch diese Unterlagen wird die Behauptung der Beschwerdeführerin widerlegt, das Empfangsgerät sei außer Betrieb gewesen. Welche Geräusche der Mitarbeiter der Beschwerdeführerin, der die Übermittlung durchführen sollte, nach dem telefonischen Anwählen der Telefaxnummer des Bundesverfassungsgerichts vernommen hat, ist unter diesen Umständen irrelevant.
Ist die Übermittlung der Verfassungsbeschwerde am 27. Dezember 2005 aber daran gescheitert, dass das Empfangsgerät durch andere Sendungen belegt war, so ist der Beschwerdeführerin mangelnde Sorgfalt bei den zur Fristwahrung getroffenen Vorkehrungen vorzuwerfen.
Sie hat mit der Übermittlung der Verfassungsbeschwerde per Telefax nicht so rechtzeitig begonnen, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tage des Fristablaufs bis 24.00 Uhr hätte gerechnet werden dürfen. Dies wäre aber zur Vermeidung eines Verschuldensvorwurfs erforderlich gewesen. Die Belegung des gerichtseigenen Telefaxanschlusses durch andere eingehende Sendungen ist nämlich eine kurz vor Fristablauf allgemein zu beobachtende Erscheinung, der ein Beschwerdeführer im Hinblick auf die ihm obliegende Sorgfaltspflicht durch einen zeitlichen Sicherheitszuschlag Rechnung zu tragen hat (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 19. November 1999 – 2 BvR 565/98 –, NJW 2000, S. 574).
Nach diesen Maßstäben hat die Beschwerdeführerin mit der Übermittlung der Verfassungsbeschwerde zu spät begonnen. Sie konnte nicht davon ausgehen, dass die Verfassungsbeschwerdeschrift noch am 27. Dezember 2005 vollständig eingeht, wenn sie erst eine halbe Stunde vor Mitternacht mit Übermittlungsversuchen begonnen hat. Die Sendeprotokolle der Beschwerdeführerin weisen als Zeitpunkt der – gescheiterten – Übermittlung 00.48 Uhr und 00:54 Uhr am 28. Dezember 2005 aus, was nach Angaben der Beschwerdeführerin wegen einer nicht eingegebenen Zeitumstellung 23.48 Uhr und 23.54 Uhr am 27. Dezember 2005 entspricht. Die Beschwerdeführerin hätte beachten müssen, dass zu dieser Zeit mit einer verstärkten Auslastung des Empfangsgeräts zu rechnen war. Für die Übermittlung eines umfangreichen Schriftsatzes – die Übertragung dauerte am Folgetag ausweislich des Fax-Journals mehr als zehn Minuten – hätte sie zur Wahrung ihrer Sorgfaltspflichten eine längere Zeitreserve einkalkulieren müssen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Haas, Hömig, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 1489119 |
BFH/NV Beilage 2006, 361 |
HFR 2006, 506 |