Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafnormen durch Gemeindesatzung zulässig. Getränkesteuer
Leitsatz (amtlich)
Gemeindesatzungen können Strafbestimmungen enthalten, die auf einer speziellen Ermächtigung des Landesgesetzgebers beruhen. Dem in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen Gebot der Gesetzesbestimmtheit ist jedoch nur Genüge getan, wenn schon aus der Ermächtigung die Grenzen der Strafbarkeit sowie Art und Höchstmaß der Strafe für den Bürger voraussehbar sind.
Normenkette
GG Art. 3, 80, 103 Abs. 2, Art. 105 Abs. 2a, Art. 74; BayGAG Art. 16 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Augsburg (Beschluss vom 06.04.1971; Aktenzeichen Cs 2373/69) |
Gründe
A.-I.
1. Das bayerische Gemeindeabgabengesetz – GAG – vom 20. Juli 1938 (BayBS. I S. 553), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Vereinfachung verwaltungsrechtlicher Vorschriften vom 27. Oktober 1970 (GVBl. S. 469), ermächtigt die Gemeinden und Landkreise, örtliche Abgaben (Art. 1 ff.), örtliche Verbrauchsteuern (Art. 7) und bestimmte Beiträge (Art. 9) zu erheben sowie im einzelnen näher umschriebene sonstige Leistungen (Art. 10 und 11) zu verlangen. Die Gemeinden, Landkreise, Bezirke und öffentlichen Zweckverbände sind außerdem grundsätzlich berechtigt, für die Benützung der von ihnen im öffentlichen Interesse unterhaltenen Einrichtungen Gebühren zu erheben (Art. 8). Art. 16 enthält eine Ermächtigung zum Erlaß bewehrter Satzungen. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
Art. 16
I. Die Gemeinden, Landkreise und Bezirke sind vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung berechtigt, zur Sicherung der örtlichen Abgaben, der örtlichen Verbrauchssteuern sowie der Beiträge und sonstigen Leistungen (Art. 9 bis 11) bewehrte Satzungen zu erlassen und darin die Hinterziehung mit Geldstrafen nach § 396 der Abgabenordnung, andere Zuwiderhandlungen gegen die Satzung mit Geldstrafen bis zu 500 DM oder mit Ordnungsstrafen bis zu 150 DM zu bedrohen.
II. Die Strafverfolgung von Zuwiderhandlungen nach Abs. I verjährt in fünf Jahren und, wenn es sich um Zuwiderhandlungen handelt, die mit Ordnungsstrafen bedroht sind, in einem Jahre. Die Verjährung wird durch die Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens und den Erlaß eines Strafbescheids unterbrochen.
III. Die Zuständigkeit und das Verfahren bei strafbaren Zuwiderhandlungen richten sich nach den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung.
IV. …
2. Die jetzige Fassung des Art. 16 Abs. 1 GAG beruht auf Art. 69 Nr. 1 des Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG –) vom 17. November 1956 (GVBl. S. 161). Ursprünglich lautete diese Bestimmung wie folgt (GVBl. 1938 S. 225):
Art. 16
I. Die Gemeinden und Bezirke sind vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung berechtigt, zur Sicherung der örtlichen Abgaben, örtlichen Verbrauchsteuern, Gebühren sowie Beiträge und sonstigen Leistungen (Art. 9 bis 14) orts-(bezirks-)polizeiliche Vorschriften zu erlassen und darin die Hinterziehung mit Geldstrafen nach § 396 der Reichsabgabenordnung, andere Zuwiderhandlungen gegen die Satzung oder die orts-(bezirks-)polizeilichen Vorschriften mit Geldstrafen bis zu 500 Reichsmark oder mit Ordnungsstrafen bis zu 150 Reichsmark zu bedrohen.
II. Die Strafverfolgung von Zuwiderhandlungen nach Abs. I verjährt in fünf Jahren und, wenn es sich um Zuwiderhandlungen handelt, die mit Ordnungsstrafen bedroht sind, in einem Jahre. Die Verjährung wird durch die Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens und den Erlaß eines Strafbescheids unterbrochen.
III. Die Zuständigkeit und das Verfahren bei strafbaren Zuwiderhandlungen richten sich nach den Vorschriften des Reichsgerichtsverfassungsgesetzes und der Reichsstrafprozeßordnung.
IV. …
Unter „Bezirken” waren, entsprechend dem damaligen Sprachgebrauch, die Landkreise zu verstehen. Durch § 1 der Dritten Verordnung über den Neuaufbau des Reichs vom 28. November 1938 (RGBl. I S. 1675) wurden die bayerischen „Bezirke” in „Landkreise” umbenannt.
3. Auf Grund des Art. 16 Abs. 1 GAG erließ die Stadt Augsburg am 20. Juli 1960 die Satzung über die Erhebung einer Gemeindegetränkesteuer in der Stadt Augsburg (Amtsblatt der Stadt Augsburg, S. 129). In § 14 sind die Strafbestimmungen enthalten.
Er lautet:
§ 14
Strafbestimmungen
1. …
2. …
3. Wer leichtfertig als Steuerpflichtiger, als Vertreter oder bei…Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen bewirkt,…daß die Einnahmen aus der Gemeindegetränkesteuer verkürzt oder Steuervorteile zu Unrecht gewährt oder belassen werden, wird wegen fahrlässiger Steuerverkürzung mit Geldstrafe bis zu…fünfhundert Deutsche Mark bestraft.
4. Andere Zuwiderhandlungen gegen § 6 Ziff. 1 und § 10 dieser…Satzung oder gegen § 7 Ziff. 3 mit 10 sowie § 9 Abs. 1 und § 10 der Ausführungsbestimmungen zum Vollzug der…Gemeindegetränkesteuersatzung unterliegen einer Ordnungsstrafe bis … inhundertfünfzig Deutsche Mark.
Diese Satzung wurde am 30. Januar 1968 geändert (Amtsblatt der Stadt Augsburg, S. 14). Die Änderungen betreffen § 14 der Satzung jedoch nicht.
4. Leichtfertige Steuerverkürzungen werden im Bundesrecht seit dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze – 2. AOStrafÄndG – vom 12. August 1968 (BGBl. I S. 953) als Ordnungswidrigkeiten behandelt. Durch Art. 1 Nr. 19 AOStrafÄndG wurde § 404 AO wie folgt gefaßt:
(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen leichtfertig bewirkt, daß Steuereinnahmen verkürzt oder Steuervorteile zu Unrecht gewährt oder belassen werden (§ 392 Abs. 1 bis 3). § 392 Abs. 5 gilt entsprechend.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Deutsche Mark geahndet werden.
(3) …
II.
1. Die Beschuldigten des Ausgangsverfahrens, ein inzwischen geschiedenes Gastwirtsehepaar, waren Pächter einer Schankwirtschaft in Augsburg. Anläßlich einer getränkesteuerlichen Überprüfung des gepachteten Gaststättenbetriebes stellte sich heraus, daß die getränkesteuerpflichtigen Einnahmen in der Zeit vom 1. September 1964 bis 7. November 1967 unvollständig aufgezeichnet worden waren. Es ergaben sich Mehreinnahmen von 46 570 DM; dem entsprach eine Steuernachholung von 4 657 DM. Ein Nachweis einer vorsätzlichen Steuerverkürzung ließ sich nicht erbringen, da der beschuldigte Ehemann vorher eine andere Tätigkeit ausgeübt hatte, das Ehepaar sich eines selbständigen Kaufmanns für die Ermittlung der Umsätze bedient und der Steuerberater sogenannte Zwischenschätzungen vorgenommen hatte.
2. Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Augsburg hat in Anbetracht dieses Sachverhalts beim Amtsgericht Augsburg am 24. Juni 1969 den Antrag gestellt, gegen die Beschuldigten wegen einer Dauerübertretung der leichtfertigen Getränkesteuerverkürzung gemäß § 14 Ziff. 3 der Getränkesteuersatzung der Stadt Augsburg vom 20. Juli 1960 Strafbefehle zu erlassen und eine Geldstrafe von 500 DM (Ehemann) und 200 DM (Ehefrau) festzusetzen, an deren Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Haftstrafe von 25 Tagen (Ehemann) und 10 Tagen (Ehefrau) treten soll.
III.
Mit Beschluß vom 6. April 1971 hat das Amtsgericht Augsburg das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob Art. 16 Abs. 1 GAG vom 20. Juli 1938 (BayBS I S. 553) in der Fassung des Art. 69 Nr. 1 des Gesetzes vom 17. November 1956 (GVBl. S. 261) mit den Artikeln 3 und 103 Abs. 2 GG vereinbar sei, soweit diese Vorschrift ermächtigt, zur Sicherung des Getränkesteueraufkommens Satzungen derart zu bewehren, daß andere Zuwiderhandlungen als Hinterziehungen mit Geldstrafen bis zu 500 DM oder mit Ordnungsstrafen bis zu 150 DM bedroht werden.
1. Die vorgelegte Vorschrift sei entscheidungserheblich. Die gemeindliche Getränkesteuer stelle eine örtliche Verbrauchsteuer i. S. des Art. 16 Abs. 1 GAG dar. Würden die beantragten Strafbefehle erlassen, so erlangten sie, falls kein Einspruch erfolge, die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Selbst im Falle eines Einspruchs komme der Unterzeichnung eines Strafbefehls eine einem Eröffnungsbeschluß ähnliche Wirkung zu.
Die Entscheidungserheblichkeit scheide auch nicht aus anderen Gründen aus. Insbesondere sei eine Verfolgungsverjährung nicht eingetreten; denn Art. 16 Abs. 2 GAG werde, soweit nicht bereits durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 1967 (BVerfGE 22, 49) eine Rechtsänderung erfolgt sei, einer verfassungskonformen Auslegung für zugänglich erachtet.
2. Durch die unter dem zeitlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes ergangene Änderung des Art. 16 Abs. 1 GAG durch Art. 69 Nr. 1 LStVG habe diese Bestimmung den Charakter einer nachkonstitutionellen Vorschrift erhalten. Mit der Änderung habe der Gesetzgeber klar zu erkennen gegeben, daß er Art. 16 GAG auch im Ausmaß der vorkonstitutionellen Fassung in seinen Willen aufgenommen habe.
Dagegen sei Art. 16 GAG im Zuge der Neufassung der §§ 391 ff. der Abgabenordnung durch das 2. AOStrafÄndG nicht geändert worden. Zwar verweise Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Anwendung von bundesrechtlichen Vorschriften des allgemeinen Abgabenrechts auf landesrechtlich geregelte Abgaben vom 12. Juni 1956 (GVBl. S. 102), zuletzt geändert durch § 5 des Gesetzes zur Änderung grunderwerbsteuerlicher Vorschriften vom 24. Juni 1969 (GVBl. S. 153), ganz allgemein auf die Vorschriften der Abgabenordnung. Aus Art. 3 dieses Gesetzes sei jedoch zu entnehmen, daß der besondere Tatbestand des Art. 16 GAG eigenständig sei. Darüber hinaus sei es herrschende Meinung, daß eine direkte Anwendung der Strafbestimmungen der Abgabenordnung gemäß § 3 AO ausscheide, weil die Getränkesteuer keine durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltete öffentlich-rechtliche Abgabe und keine Realsteuer sei.
3. Art. 16 Abs. 1 GAG sei im vorgelegten Umfang verfassungswidrig. Er verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 2 GG.
a) Ein vernünftiger Grund, leichtfertige Getränkesteuerverkürzungen abweichend von den Vorschriften der Abgabenordnung mit Strafe zu bewehren, sei nicht ersichtlich. Es fehle jeder sachlich einleuchtende Grund für eine derartige gesetzliche Differenzierung. Zwar seien Unterschiede im vorliegenden Fall durchaus erkennbar – bei § 404 AO gehe es um Bundes- und Landessteuern, bei Art. 16 GAG um Gemeindesteuern; darüber hinaus sei die Gesetzgebungs- und Verwaltungshoheit unterschiedlich –, doch ließen sie eine unterschiedliche Rechtsfolgeregelung im Falle einer Steuerverkürzung nicht plausibel erscheinen. Es sei sachfremd und willkürlich, leichtfertige Verletzungen des Gemeindesteueraufkommens mittels einer Strafdrohung zu schützen, während solche Verstöße gegen das Aufkommen an Bundes- und Landessteuern als Ordnungswidrigkeiten geahndet würden. Derartige willkürliche Unterscheidungen leuchteten dem Staatsbürger nicht ein und seien jeglichem Rechtsverständnis abträglich. Sie beeinträchtigten seine Rechtsposition erheblich; eine Strafe habe eine viel stärkere Wirkung als eine Buße (vgl. BVerfGE 22, 49 [79]).
Schließlich sei auch kein Grund ersichtlich, weshalb nur die Getränkesteuerhinterziehung nach beiden Gesetzen, der AO und dem GAG, gleich behandelt werden, „andere Zuwiderhandlungen” dagegen nicht.
b) Dem in Art. 103 Abs. 2 GG niedergelegten Grundsatz der Gesetzesgebundenheit im Strafrecht sei in Art. 16 Abs. 1 GAG nicht Rechnung getragen. Abgesehen davon, daß überhaupt Zweifel bestünden, ob die Ausfüllung eines unzureichend umschriebenen Straftatbestandes einem Satzungsgeber überlassen werden könne – der Begriff „gesetzlich bestimmt” in Art. 103 Abs. 2 GG spreche dagegen –, sei die zum Erlaß einer bewehrten Satzung ermächtigende Bestimmung des Art. 16 Abs. 1 GAG nach Inhalt, Zweck und Ausmaß nicht derart bestimmt, daß die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der jeweils verwirkten Strafe schon aus der Ermächtigungsnorm erkennbar seien. Der in Art. 16 Abs. 1 GAG verwendete Ausdruck „zur Sicherung der örtlichen Abgaben …” sage über die Voraussetzungen einer Bestrafung, soweit sie nicht Folge einer Steuerhinterziehung sei, zu wenig aus. Mit dem Wort „Hinterziehung” unter Hinweis auf § 396 AO a. F. könnten genaue Vorstellungen verbunden werden, die Formulierung „andere Zuwiderhandlungen gegen die Satzung” sei dagegen nichtssagend. Sie enthalte eine bloße, den Erfordernissen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht genügende Verweisung auf die Satzung. Art. 16 Abs. 1 GAG gebe außerdem keinen Aufschluß darüber, in welchen Fällen eine „andere Zuwiderhandlung” mit Geldstrafe bis zu 500 DM und in welchen Fällen sie mit einer Ordnungsstrafe bis zu 150 DM zu belegen sei. Ein derart unkontrollierbarer Straftatbestand lasse sich mit den Prinzipien eines Rechtsstaates nicht vereinbaren.
4. Einen Verstoß gegen Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG glaube das Gericht verneinen zu dürfen. In Art. 16 Abs. 1 GAG werde für „andere Zuwiderhandlungen” weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Ersatzfreiheitsstrafe angedroht. Es könne sein, daß der Gesetzgeber von der irrigen Überlegung ausgegangen sei, die Regelung der Ersatzfreiheitsstrafe könne, ohne daß es einer Erwähnung im Gesetz bedürfe, in der entsprechenden Satzung erfolgen. Solche Gedanken hätten jedoch in Art. 16 Abs. 1 GAG keinen objektiven Niederschlag gefunden. Das Gericht könnte einem derartigen, von den Strafverfolgungsbehörden nachvollzogenen „Irrtum” aber ohne Vorlage an das Bundesverfassungsgericht entgegentreten, denn die Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe allein auf Grund einer Satzung hielte sich nicht im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung, wäre also gesetzwidrig. Die bloße Unvereinbarkeit einer Rechtsnorm im materiellen Sinne mit einem förmlichen Gesetz sei vom Gericht in eigener Zuständigkeit zu entscheiden.
IV.
Zu dem Vorlagebeschluß haben der Bayerische Senat und die Bayerische Staatsregierung Stellung genommen. Der Bayerische Senat hält Art. 16 Abs. 1 GAG für verfassungswidrig, die Bayerische Staatsregierung ist dagegen der Auffassung, er verstoße nicht gegen das Grundgesetz.
1. Der Bayerische Senat tritt der Auffassung des vorlegenden Gerichts, Art. 16 Abs. 1 GAG verstoße gegen die Art. 3 Abs. 1 und 103 Abs. 2 GG, bei. Diese Vorschrift widerspreche dem allgemeinen Gerechtigkeitsgedanken und behandele wesentlich Gleiches ohne vernünftigen Grund ungleich. Auch genüge sie nicht dem in Art. 103 Abs. 2 GG niedergelegten Bestimmtheitsgrundsatz.
2. Die Bayerische Staatsregierung hält die Vorlage für zulässig. Art. 16 Abs. 1 GAG sei ein nachkonstitutionelles förmliches Gesetz und entscheidungserheblich. Als Entscheidung i. S. des Art. 100 Abs. 1 GG sei auch die Entscheidung über den Erlaß eines Strafbefehls anzusehen.
Art. 16 Abs. 1 GAG sei jedoch mit dem Grundgesetz vereinbar.
a) Seit der Neufassung des § 1 StGB durch Art. 1 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 26. November 1964 (BGBl. I S. 921) seien Handlungen, die mit Geldstrafe bis 500 DM bedroht sind, Übertretungen. Damit seien auch alle derartigen Handlungen, die landesrechtlich unter Strafe gestellt werden, Übertretungen geworden. Seit diesem Zeitpunkt sei Art. 16 Abs. 1 GAG insoweit gegenstandslos geworden, als er zur Androhung von Ordnungsstrafen bis 150 DM ermächtigt, weil der Landesgesetzgeber nicht mehr abweichend vom Bundesgesetzgeber Übertretungen mit Geldstrafe bis 150 DM vorsehen könne. Eine solche Möglichkeit werde auch nicht durch Art. 2 LStVG angesprochen. Dort heiße es zwar, daß auf die Straftaten des Landesrechts der Erste Teil des Strafgesetzbuches anzuwenden ist, „soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist”. Ob jedoch überhaupt eine „Straftat des Landesrechts” vorliegt, bestimme sich nach § 1 StGB; insoweit sei für eine abweichende Regelung des Landesgesetzgebers kein Raum. Es sei daher für die heutige Rechtslage davon auszugehen, daß Art. 16 Abs. 1 GAG dazu ermächtige, „andere Zuwiderhandlungen gegen die Satzung” allgemein mit Geldstrafen bis zu 500 DM, d. h. als Übertretungen, zu bedrohen.
Diese Übertretungstatbestände seien im Laufe der letzten Jahre auch nicht durch Bundesgesetz in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt worden. Auch gebe es kein Bundesgesetz, das dem Landesgesetzgeber die Verpflichtung auferlegt habe, bestimmte Übertretungen in Ordnungswidrigkeiten umzuwandeln. Das Gesetz zur Bereinigung des Landesrechts und zur Anpassung von Straf- und Bußgeldvorschriften an das Bundesrecht vom 31. Juli 1970 (GVBl. S. 345) mit seinen zahlreichen Umwandlungsbestimmungen habe der Landesgesetzgeber ohne bundesrechtlichen Zwang erlassen. Man müsse daher davon ausgehen, daß es sich bei den „anderen Zuwiderhandlungen” i. S. des Art. 16 Abs. 1 GAG solange um Übertretungen handele, bis der Landesgesetzgeber ausdrücklich die Umwandlung in Ordnungswidrigkeiten vornehme.
b) Das Gebot der Wahrung des Gleichheitssatzes gelte für den Gesetzgeber nur in seinem Herrschaftsbereich. Die Verfassungsmäßigkeit eines Landesgesetzes könne grundsätzlich nicht deshalb in Zweifel gezogen werden, weil das Landesgesetz von verwandten Regelungen in anderen Bundesländern oder im Bund abweiche (vgl. BVerfGE 17, 319 [331]; 27, 175 [179]). Dem Landesgesetzgeber stehe die Gesetzgebungskompetenz über die örtlichen Verbrauchsteuern jedenfalls schon deshalb zu, weil der Bund in diesem Bereich keine gesetzlichen Vorschriften erlassen, also von einer eventuell bestehenden konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 105 Abs. 2 oder Art. 74 Nr. 1 GG keinen Gebrauch gemacht habe. Insbesondere seien nach § 3 AO die Vorschriften der Abgabenordnung mit ihren Strafbestimmungen nicht allgemein anzuwenden. Die Ausnahmeregelung des § 8 AO greife nicht ein. Die unterschiedliche Ahndung von leichtfertigen Steuerverkürzungen durch die bundesrechtliche Regelung des § 404 AO und die landesrechtliche Regelung des Art. 16 Abs. 1 GAG sei daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
c) Unter Hinweis auf BVerfGE 21, 54 [62] vertritt die Bayerische Staatsregierung die Auffassung, auch Art. 103 Abs. 2 GG sei nicht verletzt. Art. 16 Abs. 1 GAG ermächtige zum Erlaß autonomer Satzungen, nicht zum Erlaß von Rechtsverordnungen. Hier gelte Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht; die in ihm niedergelegten Grundsätze kämen auch nicht über den Umweg des Rechtsstaatsprinzips zur Anwendung. Für den Erlaß autonomer Satzungen genüge eine allgemein gefaßte Ermächtigung, auch wenn es sich um strafbewehrte Satzungen handele. Ausreichend sei, wenn die in der Satzung enthaltene Strafvorschrift selbst genügend bestimmt sei. Satzungen seien insoweit formellen Gesetzen gleichzustellen. Die Frage, ob die Vorschriften der autonomen Satzung der Stadt Augsburg den Erfordernissen des Art. 103 Abs. 2 GG entsprächen, sei nicht zu entscheiden.
V.
Der Bayerische Landtag hat beschlossen, sich am Verfahren zu beteiligen, und beantragt festzustellen, daß Art. 16 Abs. 1 GAG nicht im Widerspruch zu Bestimmungen des Grundgesetzes steht. Er hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.
B.-I.
Die Vorlage ist zulässig.
1. Art. 16 Abs. 1 GAG ist ein förmliches nachkonstitutionelles Gesetz.
Gesetze, die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes verkündet worden sind, unterliegen nicht der Entscheidungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG, es sei denn, daß der Gesetzgeber sie nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes in seinen Willen aufgenommen hat. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn sich ein Bestätigungswille aus dem Inhalt des Gesetzes selbst ergibt (vgl. BVerfGE 11, 126 [131 f.]; 26, 321 [324]), wenn also die vorgelegte Vorschrift von dem nachkonstitutionellen Gesetzgeber inhaltlich und nicht bloß redaktionell geändert worden ist (vgl. BVerfGE 25, 25 [27]).
Die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes verkündete Vorschrift des Art. 16 Abs. 1 GAG wurde durch Art. 69 Nr. 1 LStVG und damit durch ein förmliches nachkonstitutionelles Landesgesetz geändert. Diese Änderung hatte auch nicht ausschließlich redaktionellen Charakter. Einmal wurden die (Regierungs-) Bezirke in den Kreis der Ermächtigungsadressaten neu aufgenommen; insoweit wurde der Anwendungsbereich des Art. 16 Abs. 1 GAG erweitert. Zum anderen wurden die Gebühren als Anknüpfungspunkt für den Erlaß strafbewehrter Satzungen gestrichen; insoweit wurde der Anwendungsbereich des Art. 16 Abs. 1 GAG eingeschränkt. Durch diese sachlichen Änderungen hat der nachkonstitutionelle bayerische Gesetzgeber Art. 16 Abs. 1 GAG in seinen Willen aufgenommen.
2. Die von dem vorlegenden Gericht beabsichtigte Entscheidung, die von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehle im Falle der Gültigkeit des Art. 16 Abs. 1 GAG zu erlassen, ist eine „Entscheidung” i. S. des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG, die zur Vorlage berechtigt.
Gemäß Art. 16 Abs. 3 GAG richten sich die Zuständigkeit und das Verfahren nach der Strafprozeßordnung. Ein nach den §§ 407 ff. StPO erlassener Strafbefehl hat, wenn gegen ihn kein Einspruch eingelegt wird, die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils (§ 410 StPO). Legt der Beschuldigte Einspruch ein, so ersetzt der vom Richter unterzeichnete Strafbefehl die Eröffnung des Hauptverfahrens; ein Eröffnungsbeschluß erübrigt sich, weil dem Beschuldigten die öffentliche Klage zugestellt worden ist (vgl. Kleinknecht, StPO, 29. Aufl., Anm. 1 zu § 411 StPO). Der Richter muß sich deshalb vor dem Erlaß eines Strafbefehls ebenso wie vor dem Erlaß eines Eröffnungsbeschlusses über die Gültigkeit der in Betracht kommenden Strafnormen schlüssig werden (vgl. hinsichtlich des Eröffnungsbeschlusses BVerfGE 4, 352 [355]; 22, 39 [41]) und kann, wenn er eine entscheidungserhebliche Strafnorm für verfassungswidrig hält, schon vor Erlaß des Strafbefehls nach Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen.
3. Art. 16 Abs. 1 GAG ist in dem vorgelegten Umfang mittelbar entscheidungserheblich.
a) Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Anträge auf Erlaß der Strafbefehle zwar auf § 14 Nr. 3 der Getränkesteuersatzung der Stadt Augsburg und nicht auf Art. 16 Abs. 1 GAG. Diese Vorschrift ist jedoch für die von dem Amtsgericht zu treffende Entscheidung, ob es die Strafbefehle erlassen soll oder nicht, mittelbar erheblich. Ist nämlich die vorgelegte Ermächtigungsnorm nichtig, so ist auch die Strafbestimmung des § 14 Nr. 3 der Getränkesteuersatzung ungültig. In diesem Fall könnten die beantragten Strafbefehle nicht erlassen werden.
b) Die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Gesetzesbestimmung scheidet auch nicht aus anderen Gründen aus.
Das Amtsgericht legt dar, daß sich die Beschuldigten des Ausgangsverfahrens auf Grund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft je einer Dauerübertretung der leichtfertigen Getränkesteuerverkürzung gemäß § 14 Nr. 3 der Getränkesteuersatzung der Stadt Augsburg schuldig gemacht haben. Es vertritt weiter die Auffassung, die Strafvorschriften der Abgabenordnung fänden weder unmittelbar noch mittelbar Anwendung. Diese Auffassungen sind nicht offensichtlich unhaltbar und deshalb für das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung bindend (vgl. BVerfGE 13, 31 [35]; 24, 1 [14]). Dies gilt auch für die Ansicht des Gerichts, eine Verfolgungsverjährung sei nicht eingetreten.
c) Endlich gibt der Vorlagebeschluß klar zu erkennen, daß das vorlegende Gericht von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm überzeugt ist und welche Verfassungsnormen es als verletzt ansieht.
II.
Die Vorlage ist unbegründet.
1. Bei der in Art. 16 Abs. 1 GAG getroffenen Regelung handelt es sich um eine Materie, die in den Bereich der Gesetzgebungskompetenz des bayerischen Landesgesetzgebers fällt.
Die Länder hatten zu dem Zeitpunkt, in dem die vorgelegte Norm erlassen worden ist, gemäß Art. 105 Abs. 2 GG a. F. die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis. Daraus und aus Art. 74 Nr. 1 GG „Strafrecht”) ergab sich ihre Befugnis, insoweit auch Strafnormen zu erlassen, da der Bund unter Inanspruchnahme des Art. 74 Nr. 1 GG für den Bereich der örtlichen Verbrauchsteuern Strafnormen nicht erlassen hat. Die Gesetzgebungskompetenz auf diesem Gebiet ist auch nach der Neufassung des Art. 105 Abs. 2 GG und der Einfügung des Art. 105 Abs. 2a GG durch das Einundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl. I S. 359) den Ländern verblieben.
2. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
a) Es kann dahingestellt bleiben, ob durch Art. 16 Abs. 1 GAG der allgemeine Gleichheitssatz dann verletzt wäre, wenn diese Bestimmung und der von dem vorlegenden Gericht zum Vergleich herangezogene § 404 AO von demselben Gesetzgeber erlassen worden wären. Ein Vergleich zwischen der von dem bayerischen Landesgesetzgeber getroffenen Regelung des Art. 16 Abs. 1 GAG und der von dem Bundesgesetzgeber durch das Zweite Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 12. August 1968 (BGBl. I S. 953) erlassenen Vorschrift des § 404 AO scheitert schon daran, daß beide Bestimmungen von verschiedenen Gesetzgebern stammen.
Der Gleichheitssatz bindet zwar auch den Gesetzgeber (BVerfGE 1, 14 [52]; seither st. Rspr.) und verbietet ihm, wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln (BVerfGE 1, 14 [52]; 22, 254 [263]). Der Landesgesetzgeber ist jedoch mit Rücksicht auf die föderalistische Struktur der Bundesrepublik Deutschland nur verpflichtet, den Gleichheitssatz innerhalb des Geltungsbereichs der Landesverfassung zu wahren (BVerfGE 10, 354 [371]; 11, 299 [305]; 12, 139 [143]; 12, 319 [324]; 17, 319 [331]). Das Bundesverfassungsgericht hat aus diesem Grunde in ständiger Rechtsprechung anerkannt, daß die Verfassungsmäßigkeit eines Landesgesetzes grundsätzlich nicht deshalb in Zweifel gezogen werden kann, weil es von verwandten Regelungen anderer Länder oder des Bundes abweicht (vgl. BVerfGE 17, 319 [331]; 27, 175 [179]). Dies gilt auch für den vorliegenden Fall.
b) Andere Anhaltspunkte dafür, daß sich für Art. 16 Abs. 1 GAG ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund nicht finden ließe, daß diese Bestimmung also willkürlich wäre (vgl. BVerfGE 4, 352 [355 f.]; 27, 142 [149]), sind nicht ersichtlich. Da der Landesgesetzgeber unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gehalten ist, seine Gesetze den Gesetzen anderer Länder oder des Bundes, die dieselbe Materie regeln, anzupassen, kann auch aus der Tatsache nichts hergeleitet werden, daß das bayerische Gesetz zur Bereinigung des Landesrechts und zur Anpassung von Straf- und Bußgeldvorschriften an das Bundesrecht vom 31. Juli 1970 (GVBl. S. 345) Art. 16 Abs. 1 GAG unberührt ließ. Insoweit handelt es sich um Fragen, deren Lösung dem bayerischen Gesetzgeber in eigener Verantwortung obliegt.
3. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG scheidet als Prüfungsmaßstab aus. Eine unmittelbare Anwendung dieser Verfassungsnorm kommt nicht in Betracht, weil sie sich nur auf die Bundes-, nicht aber auf die Landesgesetzgebung bezieht (vgl. BVerfGE 12, 319 [325]; 19, 253 [266]; 26, 228 [237]). Auch die Frage, ob sie als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips wenigstens mittelbar den Landesgesetzgeber bindet, bedarf keiner Vertiefung. Denn Art. 16 Abs. 1 GAG ermächtigt nicht zum Erlaß einer Rechtsverordnung, sondern zum Erlaß einer Satzung.
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, daß die für die Übertragung rechtsetzender Gewalt an die Exekutive durch deren Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen geltenden Grundsätze sich nicht auf die Verleihung autonomer Satzungsgewalt an rechtsfähige Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts anwenden lassen (vgl. BVerfGE 12, 319 [325]; 19, 253 [266 f.]; 21, 54 [62 f.]).
Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG betrifft nur das herkömmliche Verordnungsrecht der Exekutive, nicht dagegen das auf dem Gedanken der Selbstverwaltung beruhende Satzungsrecht von Gebietskörperschaften. Er gilt schon nach seinem Wortlaut nur für Rechtsverordnungen und nicht für andere unter dem Gesetz stehende Rechtsquellen. Auch sein Sinn zwingt nicht dazu, die dort normierten Anforderungen auf Satzungen von Gemeinden auszudehnen. Bei solchen Satzungen wird der Gewaltenteilungsgrundsatz nicht durchbrochen. Sie werden von den Gemeindevertretungen im Rahmen der Gemeindeautonomie beschlossen. Auch wenn es sich bei dem Gemeinderat nicht um ein echtes Parlament handelt (vgl. Bay VerfGH, N. F. 5, 66 [76]), ist er doch als demokratisch gewähltes Beschlußorgan insoweit dem Bereich der Legislative zuzuordnen. Es wird also durch Gesetze, die zum Erlaß von Satzungen ermächtigen, die Rechtsetzungsbefugnis innerhalb der Legislative nur auf andere demokratische Gremien und nicht auf die Exekutive verlagert. Dieser Sachverhalt unterscheidet sich wesentlich von dem, der dem Verfassungsgeber Anlaß zur Einführung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gegeben hat (BVerfGE 21, 54 [62 f.]).
4. Auch Art. 103 Abs. 2 GG ist nicht verletzt.
a) Aus dem Gebot, daß die Strafbarkeit einer Tat vor deren Begehung „gesetzlich bestimmt” sein muß, folgt, daß eine strafgerichtliche Verurteilung nur auf Grund eines gültigen Strafgesetzes ergehen kann (vgl. BVerfGE 14, 174 [185]; 25, 269 [285]). Sinn des Art. 103 Abs. 2 GG ist es vor allem, dem Bürger die Grenze des straffreien Raumes klar vor Augen zu stellen, damit er sein Verhalten daran orientieren kann. Deshalb muß jede Rechtsnorm, an deren Verletzung eine strafrechtliche Sanktion geknüpft ist, von dem dazu berufenen Organ in einem formell geordneten Verfahren erlassen, also auch schriftlich fixiert und veröffentlicht sein und sich im Zeitpunkt der Tat bereits in Geltung befinden.
Gesetze im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG sind nicht nur Gesetze im formellen Sinn. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits klargestellt, daß auch Rechtsverordnungen Strafbestimmungen enthalten können, wenn sie im Rahmen von Ermächtigungen ergangen sind, die den Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 GG genügen (BVerfGE 14, 174 [185]; 14, 245 [251]; 14, 254 [257]; 22, 21 [25]). Entsprechendes gilt für Satzungen von Gemeinden. Zwar kann ein formelles Gesetz, das zum Erlaß von Satzungen ermächtigt, nicht an Art. 80 Abs. 1 GG gemessen werden; diese Verfassungsbestimmung findet auch nicht analog Anwendung. Daraus folgt jedoch nicht, daß derartige Satzungsermächtigungen keinerlei verfassungsrechtlichen Beschränkungen unterworfen wären. Dem in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen Gebot der Gesetzesbestimmtheit ist nur Genüge getan, wenn der Einzelne der Strafnorm entnehmen kann, was strafrechtlich verboten ist und welche Strafe ihm für den Fall eines Verstoßes gegen jenes Verbot droht. Beruht, wie im vorliegenden Fall, die Satzungsgewalt der Gemeinde auf einer speziellen Ermächtigung des Landesgesetzgebers, so muß nicht nur die Satzung, die ja das eigentliche Strafgesetz darstellt, sondern auch die Ermächtigung diesen Anforderungen Rechnung tragen. Schon aus der Ermächtigung und nicht erst aus der auf sie gestützten Satzung müssen die Grenzen der Strafbarkeit und die Art der Strafe für den Bürger voraussehbar sein. Andernfalls könnten weder der Bürger noch der Richter im konkreten Fall abwägen, ob der Satzungsgeber zum Erlaß einer bestimmten strafbewehrten Satzung überhaupt befugt war und ob die ihm übertragene Strafgewalt dafür ausreichte. Die Ermächtigung muß deshalb so gehalten sein, daß sich aus ihr ablesen läßt, ob der in der Satzung geregelte Straftatbestand nach den Intentionen des Gesetzgebers überhaupt statuiert und wie er bewehrt werden konnte.
Die Ermächtigung braucht allerdings die Straftatbestände nicht in allen Einzelheiten zu regeln. Den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG an eine derartige Ermächtigung ist Genüge getan, wenn sich aus ihr die möglichen Straftatbestände einschließlich der Schuldform und der Art und des Höchstmaßes der Strafe nach den anerkannten Regeln juristischer Auslegung hinreichend deutlich bestimmen lassen. Dabei kann der Gesetzgeber den Inhabern der Satzungsgewalt – sofern, wie hier, nicht unter den Gesetzesvorbehalt des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fallende Freiheitsbeschränkungen in Frage stehen (vgl. dazu BVerfGE 14, 174 [186 f.]) – auch ein gewisses Ermessen hinsichtlich des Strafrahmens der einzelnen von der Ermächtigung umfaßten Tatbestände einräumen, um ihnen die Möglichkeit offenzuhalten, die Bewertung des Unrechtsgehalts der von ihnen pönalisierten Satzungsverstöße der verschiedenartigen wirtschaftlichen und sozialen Struktur der jeweiligen Gebietskörperschaft anzupassen.
b) Art. 16 Abs. 1 GAG verstößt in dem vorgelegten Umfang nicht gegen diese Grundsätze.
aa) Art. 16 Abs. 1 GAG ermächtigt u. a., zur Sicherung der örtlichen Verbrauchsteuern bewehrte Satzungen zu erlassen. Bei der Getränkesteuer handelt es sich um eine örtliche Verbrauchsteuer. Ihrer „Sicherung” soll die Satzung dienen. Dieser Begriff ist zwar nicht eindeutig, aber auslegungsfähig. Erfaßt werden sollen alle Handlungen, die darauf gerichtet sind, die Getränkesteuer zu verkürzen, oder die geeignet sind, den Steueranspruch der Gemeinde zu gefährden. Welche Handlungen danach im einzelnen in Betracht kommen, läßt sich an Hand der Systematik des allgemeinen Steuer-, insbesondere des Steuerstrafrechts unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Getränkesteuerrechts feststellen. Der Kreis der von Art. 16 Abs. 1 GAG erfaßten Taten ist mithin hinreichend bestimmt umschrieben. Das in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltene Bestimmtheitsgebot zwingt nicht dazu, im Strafrecht auf die Verwendung auslegungsfähiger Begriffe ganz zu verzichten. Ohne sie wäre der Gesetzgeber nicht in der Lage, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden (BVerfGE 11, 234 [237]; 28, 175 [183]). Das gilt auch und insbesondere für Normen, die zum Erlaß strafrechtlicher Bestimmungen ermächtigen.
bb) Art. 16 Abs. 1 GAG unterscheidet zwischen Getränkesteuerhinterziehung und anderen Zuwiderhandlungen dadurch, daß er für Hinterziehungen, also vorsätzliche Steuerverkürzungen, § 396 AO a. F. – jetzt § 392 AO n. F. – für anwendbar erklärt und andere Verstöße mit geringeren Sanktionen bedroht. Diese Differenzierung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
cc) Daß Art. 16 Abs. 1 GAG zur Zeit des Erlasses der Getränkesteuersatzung vom 20. Juli 1960 dazu ermächtigte, andere Zuwiderhandlungen gegen die Getränkesteuersatzung entweder mit Geldstrafen bis zu 500 DM oder mit Ordnungsstrafen bis zu 150 DM zu bedrohen, verstieß nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG.
Die damit dem Satzunggeber offengehaltene Möglichkeit, innerhalb des Bereichs der „anderen Zuwiderhandlungen” i. S. des Art. 16 Abs. 1 GAG eine weitere Abstufung der Strafrahmen nach den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten vorzunehmen, hält sich auch unter dem Blickpunkt des Art. 103 Abs. 2 GG im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen. Die Getränkesteuer hat für die Gemeinden je nach ihrer Größe, ihrer soziologischen und wirtschaftlichen Struktur eine unterschiedliche Bedeutung. Bei der von ihnen zu treffenden Entscheidung sind die Gemeinden allerdings nicht völlig frei. Sie müssen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wie die anderen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit beachten und dürfen insbesondere nicht willkürlich vorgehen. Die Gerichte können nachprüfen, ob diese Grundsätze im konkreten Fall beachtet worden sind und die Satzung auch im übrigen den Anforderungen, welche die Ermächtigung an sie stellt, genügt.
Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob – wie die Bayerische Staatsregierung meint – mit der Neufassung des § 1 Abs. 2 StGB durch Art. 1 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 26. November 1964 (BGBl. I S. 921) Art. 16 Abs. 1 GAG insoweit gegenstandslos geworden ist, als er auch zur Androhung von Ordnungsstrafen bis zu 150 DM ermächtigt. Weder die Verfassungsmäßigkeit des Art. 16 Abs. 1 GAG noch die Gültigkeit des von dem vorlegenden Gericht unmittelbar anzuwendenden Art. 14 Ziffer 3 der Getränkesteuersatzung der Stadt Augsburg würden davon berührt.
C.
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Fundstellen
BVerfGE, 346 |
NJW 1972, 1856 |
NJW 1972, 860 |
VerwRspr 1973, 385 |
VerwRspr 1973, 88 |