Entscheidungsstichwort (Thema)
Aberkennung der Gemeinnützigkeit nach Änderung der Vereinssatzung
Leitsatz (redaktionell)
Voraussetzung für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit eines Vereins ist, daß seine Satzung ihn auf die selbstlose Förderung gemeinnütziger Zwecke festlegt und seine Tätigkeit dieser satzungsmäßigen Bindung tatsächlich entspricht. Das Finanzamt ist nicht an seine frühere Rechtsauffassung hinsichtlich der Gemeinnützigkeit gebunden, wenn diese Voraussetzung nach einer Satzungsänderung nicht mehr gewährleistet ist, auch wenn sich der Zweck des Vereins i. S. des § 33 Abs. 1 BGB nicht ändert.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; AO 1977 §§ 59-60; BGB § 33 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Gründe
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde, die keine klärungsbedürftigen verfassungsrechtlichen Fragen aufwirft, ist nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte angezeigt.
1. Der verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes hinderte das beklagte Finanzamt nicht, nach der Satzungsänderung von 1983 die Tätigkeit des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt der Gemeinnützigkeit steuerrechtlich abweichend von seiner früheren Auffassung zu beurteilen. Durch die Satzungsänderung hatte sich lediglich der eng zu verstehende „Zweck des Vereins” im Sinne von § 33 Abs. 1 BGB nicht geändert, der die nähere Darstellung der Art, in der dieser Zweck verwirklicht werden soll, nicht umfaßt, die aber wiederum für die Frage der Steuerbegünstigung nach § 59 AO und § 60 AO von ausschlaggebender Bedeutung ist. War der Beschwerdeführer vor seiner Satzungsänderung von 1983 als ein Verein anzusehen, der jedenfalls nach dem festgeschriebenen Satzungszweck gleichrangig sowohl gewerblichen Interessen als auch Verbraucherinteressen diente, so bewirkte die Satzungsänderung gerade die satzungsmäßige Ausrichtung des Beschwerdeführers auf einen Verein zur Förderung gewerblicher Interessen (BGH NJW 1985, S. 1032 ≪1033≫; NJW 1986, S. 1033).
2. Jedenfalls vor diesem Hintergrund lag es nicht fern, an den Satzteil „insbesondere der Mitglieder” anknüpfend die Satzung dahin auszulegen, daß die gewerblichen Interessen gerade „insbesondere”) der Mitglieder gefördert werden sollten. Gegen diese Auslegung der Satzung durch das Finanzgericht läßt sich mithin nicht der Vorwurf erheben, sie sei unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und deshalb willkürlich.
3. Das angegriffene Urteil des Finanzgerichts ist ferner nicht deshalb willkürlich, weil das Finanzgericht selbst hervorhebt, tatsächlich habe der Beschwerdeführer sich in den Streitjahren selbstlos verhalten. Die Anerkennung als gemeinnützig und von dieser Gemeinnützigkeit abhängende Steuervorteile setzen nach § 59 AO und § 60 AO in der mit dem Wortlaut übereinstimmenden und deshalb willkürfreien Auslegung dieser Vorschriften durch das Finanzgericht zweierlei voraus: Zum einen muß die Satzung des Vereins diesen auf die selbstlose Förderung gemeinnütziger Zwecke festlegen, und zum anderen muß die tatsächliche Tätigkeit des Vereins dieser satzungsmäßigen Bindung entsprechen. Die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit hat das Finanzgericht gerade nicht feststellen können.
4. Auf diesen Gesichtspunkt durfte das Finanzgericht ohne Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG entscheidungserheblich abstellen, ohne den Beschwerdeführer zuvor ausdrücklich auf die Bedenken gegen die satzungsrechtlichen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit hingewiesen zu haben. Die Aussetzungsentscheidung und die prozeßleitende Verfügung im Hauptsacheverfahren, die der näheren Ermittlung der tatsächlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in den Streitjahren diente, beruhten ersichtlich auf einer lediglich vorläufigen Meinungsbildung des Gerichts. Der Beschwerdeführer mußte auch ohne besonderen Hinweis des Gerichts damit rechnen, dieses werde die angestrebte Gemeinnützigkeit an der Umschreibung des Vereinszwecks in der Satzung scheitern lassen, denn darauf hatte das beklagte Finanzamt in den angefochtenen Steuerbescheiden entscheidend abgestellt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen