Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
1. Der 1928 geborene Beschwerdeführer war seit 1971 als wissenschaftlicher Angestellter und Justitiar im öffentlichen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg tätig. Nachdem das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 20. Oktober 1993 (NZA 1994, S. 128) entschieden hatte, daß tarifvertragliche Altersgrenzen nicht mehr uneingeschränkt gültig seien, wurde er auf seinen Antrag über das 65. Lebensjahr hinaus auf unbestimmte Zeit weiterbeschäftigt. Im August 1994 teilte ihm seine Arbeitgeberin mit, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI ÄndG) vom 26. Juli 1994 (BGBl I S. 1797) mit dem 30. November 1994 ende.
2. Dieses Gesetz stellt eine bis 1992 geltende Rechtslage weitgehend wieder her. Danach galten Vereinbarungen, die die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt vorsahen, in dem der Arbeitnehmer vorgezogenes Altersruhegeld beanspruchen konnte, als auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abgeschlossen. Im Zusammenhang mit der weiteren Flexibilisierung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung wurde durch § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2261) die Wirksamkeit von Vereinbarungen über Altersgrenzen eingeschränkt. Die Vorschrift lautete:
Eine Vereinbarung, wonach ein Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt enden soll, in dem der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Rente wegen Alters hat, ist nur wirksam, wenn die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt geschlossen oder von dem Arbeitnehmer bestätigt worden ist.
Das Bundesarbeitsgericht hat in dem erwähnten Urteil vom 20. Oktober 1993 den Standpunkt vertreten, die Vorschrift sei nicht tarifdispositiv; kollektivrechtliche Altersgrenzen, die auf den Zeitpunkt des Entstehens sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche abstellten, seien nur unter den in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen wirksam.
Daraufhin hat der Gesetzgeber die im Jahre 1992 eingeführte Beschränkung für Vereinbarungen über Altersgrenzen wieder aufgehoben. Nunmehr lautet § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI:
Eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, in dem der Arbeitnehmer vor Vollendung des 65. Lebensjahres eine Rente wegen Alters beantragen kann, gilt dem Arbeitnehmer gegenüber als auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abgeschlossen, es sei denn, daß die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer bestätigt worden ist.
Damit ist die Rechtslage, die bis 1992 gegolten hat, weitgehend wieder hergestellt.
3. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die in Art. 2 SGB VI ÄndG getroffene Übergangsregelung. Sie lautet:
Ist das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers wegen § 41 Abs. 4 Satz 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 1. August 1994 geltenden Fassung über das 65. Lebensjahr hinaus fortgesetzt worden, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des dritten Kalendermonats, der auf den Monat des Inkrafttretens dieses Gesetzes folgt, es sei denn, Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbaren etwas anderes.
Die Anwendung dieser Übergangsregelung hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom 8. November 1994 bis zum Ablauf des 31. März 1995 ausgesetzt (BVerfGE 91, 252). Das Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers hatte infolgedessen zumindest faktisch bis dahin Bestand. Der Beschwerdeführer will aus wirtschaftlichen Gründen weiter berufstätig sein. Seit dem 31. März 1995 habe er zwar einen Beratervertrag. Als Entgelt erhalte er eine Aufwandsentschädigung in Höhe von etwa 20 vom Hundert seiner früheren Bezüge. Seine Rente liege um etwa 2.000 DM unter seinem erzielbaren Arbeitsentgelt. Durch die angegriffene Vorschrift werde er in seinen Rechten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 und Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.
4. Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände ergänzend geäußert. Sie sehen keine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG und sonstigem Verfassungsrecht. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund vertritt diesen Standpunkt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG (vgl. BVerfGE 90, 22 [24 f.]) liegen nicht vor. Ihr kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu. Die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen sind hinreichend geklärt (vgl. BVerfGE 7, 377 [400 ff.]; 9, 338 [344 ff.]; 64, 72 [82 ff.]). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung des als verletzt bezeichneten Verfassungsrechts angezeigt. Sie bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
1. Art. 2 SGB VI ÄndG greift unmittelbar in die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Beschwerdeführers ein (vgl. BVerfGE 91, 252 [258]). Das Gesetz beendet die erfaßten Arbeitsverhältnisse. Nach seinem klaren Wortlaut geschieht das ohne weiteres und nicht erst durch eine nach Art. 1 SGB VI ÄndG möglicherweise von selbst wieder auflebende Altersgrenzenvereinbarung.
2. Altersgrenzen sind subjektive Zulassungsbeschränkungen (vgl. BVerfGE 9, 338 [345]; 64, 72 [82]). Anders als sonstige Altersgrenzen enthält Art. 2 SGB VI ÄndG aber kein selbständiges Verbot einer bestimmten beruflichen Tätigkeit nach Erreichen eines gewissen Alters, sondern nur die gesetzliche Beendigung bestimmter Arbeitsverhältnisse zur Regelung eines Übergangs. Diese Besonderheiten sind bei der Beurteilung der Rechtfertigung des Eingriffs zu berücksichtigen und verbieten eine Verallgemeinerung dieses Sonderfalls.
a) Art. 2 SGB VI ÄndG dient einer ausgewogenen Altersstruktur in den Unternehmen, der Nachwuchs- und Personalplanung, der Verhütung von Mißbräuchen bei Forderungen nach Abfindung und der Vermeidung eines gleichzeitigen Bezuges von Arbeitsentgelt und Altersrente. Einem hohen Beschäftigungsstand dient die Vorschrift jedenfalls dadurch, daß ein großer Teil der betroffenen Arbeitnehmer nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses – nicht zuletzt aufgrund ihrer sozialen Sicherung durch Altersrente – nicht weiter arbeitssuchend sein wird. Schon ein hoher Beschäftigungsstand ist ein wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfGE 21, 245 [251]). Auch in den übrigen Zielen des Gesetzgebers liegen jedenfalls Gemeinschaftsgüter von solchem Gewicht, daß sie insgesamt den von den bezeichneten Besonderheiten geprägten Eingriff in Verbindung mit dem Ziel des hohen Beschäftigungsstandes rechtfertigen.
b) Art. 2 SGB VI ÄndG genügt auch den Anforderungen, die aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen (vgl. BVerfGE 90, 145 [172 f.]).
aa) Mit der Beendigung der erfaßten Arbeitsverhältnisse wird die Aussicht anderer Arbeitnehmer gefördert, einen frei werdenden Arbeitsplatz zu erhalten. Die Eignung des gewählten Mittels wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Zahl der betroffenen Arbeitsverhältnisse möglicherweise nicht groß ist. Auch die übrigen Ziele des Gesetzgebers werden durch die angegriffene Regelung gefördert. Das gewählte Mittel ist erforderlich. Ein anderes, für die Förderung der angestrebten Ziele gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbares Mittel ist nicht erkennbar.
bb) Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe wird auch die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten.
Die Schwere des Eingriffs wird dadurch geprägt, daß auch lang andauernde Arbeitsverhältnisse beendet werden und sich häufig nach Vollendung des 65. Lebensjahres ein anderer Arbeitgeber nicht mehr wird finden lassen, der ein neues Arbeitsverhältnis abzuschließen bereit ist. Das wird vielfach zu einem endgültigen Eintritt in den beruflichen Ruhestand oder jedenfalls zu einem weniger gut bezahlten Arbeitsverhältnis führen.
Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, daß es den betroffenen Arbeitnehmern möglich bleibt, sich um ein anderes Arbeitsverhältnis zu bemühen. Sie sind in aller Regel durch ihre Altersrente gesichert. Den ganz überwiegenden Teil ihres Arbeitslebens mußten und konnten sie sich auch hinsichtlich ihrer Altersversorgung auf eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit dem 65. Lebensjahr einstellen. Nur in einem im Verhältnis dazu sehr kurzen Zeitraum konnten sie mit einer Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über das Rentenalter hinaus rechnen. Das angegriffene Gesetz verhindert das Verlangen nach sachlich nicht gerechtfertigten Abfindungen. Es dient dem Betriebsfrieden, der durch eine Blockierung von Arbeitsplätzen für Nachwuchskräfte durch ältere Arbeitnehmer mit voller Altersrente gefährdet werden kann. Arbeitnehmer, die auf die frei werdenden Arbeitsplätze nachrücken, erhalten damit auch Gelegenheit, ihre Altersversorgung aufzubauen und zur Sicherung der Altersrente der bereits im Ruhestand befindlichen Arbeitnehmer beizutragen. Hinzu kommt, daß die von Art. 2 SGB VI betroffenen Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern, die erst nach dem 31. Juli 1994 das 65. Lebensjahr vollendet haben, ohnehin im Vorteil sind. So hatte das Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers immerhin noch über 18 Monate über die Vollendung seines 65. Lebensjahres hinaus jedenfalls faktisch Bestand. Während dieser Zeit konnte er neben seinem Arbeitsentgelt Altersrente beziehen. Durch diese und seine Einkünfte aus dem Beratervertrag ist er wirtschaftlich gesichert.
3. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen Art. 1 SGB VI ÄndG bestehen nicht. Die Regelung hebt nur bestehende Beschränkungen des durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Normsetzungsrechtes der Tarifvertragsparteien auf. Eine Beschränkung der Zulässigkeit einzelvertraglicher oder kollektivvertraglicher Altersgrenzenvereinbarungen, wie sie § 41 Abs. 4 Satz 3 SGB VI a.F. enthielt, ist aber verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Beurteilung einzelner Altersgrenzenvereinbarungen bedarf es in diesem Zusammenhang nicht.
4. Dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz ist jedenfalls durch die bis zum 31. März 1995 befristete Aussetzung der Anwendung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht hinreichend Rechnung getragen worden (BVerfGE 91, 252). Solange hatten die betroffenen Arbeitsverhältnisse zumindest faktisch noch Bestand.
5. Im übrigen wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kühling, Jaeger, Steiner
Fundstellen