Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweitwohnungssteuer. Zweitwohnung aus Gründen der Berufstätigkeit. Erwerbszweitwohnung. Aufwandsteuer. Anknüpfung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Unbeachtlichkeit des Zwecks für das Innehaben einer Zweitwohnung
Leitsatz (amtlich)
Eine Kommune ist befugt, sog. Erwerbszweitwohnungen der Zweitwohnungssteuer zu unterwerfen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2a
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Entscheidung vom 21.04.1999; Aktenzeichen 13 L 5282/98) |
VG Hannover (Entscheidung vom 29.08.1997; Aktenzeichen 7 A 190/97) |
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. April 1999 wird aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Hannover vom 29. August 1997 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Zweitwohnungssteuer für eine Wohnung, die er aus beruflichen Gründen an seinem Beschäftigungsort gemietet hat.
Die Beklagte erhebt nach ihrer am 1. April 1994 in Kraft getretenen Zweitwohnungssteuersatzung (ZwStS) vom 10. März 1994 eine Zweitwohnungssteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung in ihrem Stadtgebiet (§ 1 Abs. 1 ZwStS). Nach § 1 Abs. 2 dieser Satzung ist Zweitwohnung „jede Wohnung im Sinne des Absatzes 3,
- die dem Eigentümer oder Hauptmieter als Nebenwohnung im Sinne des Nieders. Meldegesetzes vom 02.07.1985 (Nieders. GVBl S. 192), zuletzt geändert am 17.06.1993 (Nieders. GVBl S. 150), dient,
- die der Eigentümer oder Hauptmieter unmittelbar oder mittelbar einem Dritten entgeltlich oder unentgeltlich überläßt und die diesem als Nebenwohnung im vorgenannten Sinne dient oder
- die jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des eigenen persönlichen Lebensbedarfs oder des persönlichen Lebensbedarfs seiner Familie innehat. (…)”
Die Bestimmung des § 1 Abs. 2 Buchst. c) ZwStS wurde durch die 1. Änderungssatzung vom 26. Januar 1999 mit Wirkung vom 1. Februar 1999 gestrichen.
Der Kläger ist in der beklagten Landeshauptstadt als Ministerialbeamter beschäftigt. Er hatte dort bereits vor dem 1. April 1994 eine Wohnung gemietet und als Nebenwohnung angemeldet, von der aus er werktags seiner Arbeit nachgeht. Außerdem bewohnt er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seiner Tochter eine als Hauptwohnung angemeldete Wohnung in Emden, wo seine Ehefrau berufstätig ist und seine Tochter die Schule besucht. Schon mit einer Steuererklärung vom 29. April 1994 hatte er gegen seine Zweitwohnungssteuerpflicht eingewandt, die Steuer verstoße als Mehrbelastung von Arbeitnehmern mit beruflich bedingter doppelter Haushaltsführung gegen das Gebot, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten.
Mit Bescheid vom 17. September 1996 veranlagte die Beklagte den Kläger für seine Wohnung in Hannover zu einer Zweitwohnungssteuer: Für den Zeitraum vom 1. April 1994 bis zum 30. September 1996 setzte sie einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1 800 DM und für die Zeit ab dem 1. Oktober 1996 einen Jahressteuerbetrag von 720 DM fest. Hierzu führte sie aus, das Bundesverfassungsgericht habe es in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 1983 (BVerfGE 65, 325 ff.) mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar gehalten, Zweitwohnungsinhaber, die aus beruflichen Gründen eine Zweitwohnung innehätten, von der Steuerpflicht auszunehmen. Das Wesen der Aufwandsteuer verbiete es, auf die mit dem Aufwand verfolgten Zwecke abzustellen.
Am 20. September 1996 erhob der Kläger hiergegen im wesentlichen mit der Begründung Widerspruch, der Bescheid verstoße gegen den Gleichheitssatz, weil er als verheirateter Arbeitnehmer mit doppelter Haushaltsführung (aufgrund des Melderechts) keine Möglichkeit habe, zur Vermeidung einer Zweitwohnungssteuerpflicht seinen Hauptwohnsitz abweichend von Frau und Tochter an seinen Arbeitsort zu verlegen. Dies verletze auch sein Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und widerspreche dem grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie. Über diesen Widerspruch wurde nicht entschieden.
Im Januar 1997 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er ergänzend ausgeführt, die gebotene verfassungsrechtliche Überprüfung müsse auch am Maßstab der Art. 11 und 12 GG erfolgen. Die Handhabung der Zweitwohnungssteuer in Hannover verletze außerdem das Gebot der Steuergerechtigkeit. Arbeitnehmer würden dort durch die Zweitwohnungssteuer unterschiedlich besteuert, und zwar nur abhängig davon, ob jemand mit seiner Familie in Hannover wohne oder nicht, wobei gerade der Arbeitnehmer, der durch die doppelte Haushaltsführung mit höheren Aufwendungen belastet sei, höhere Steuern zahlen müsse. Im übrigen sei die berufsbedingte Notwendigkeit einer doppelten Haushaltsführung kein Ausdruck einer besonderen Vermögens- oder Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf, welche allein zur Erhebung einer örtlichen Aufwandsteuer berechtige. Wie bei einer zweitwohnungssteuerfreien reinen Kapitalanlage werde seine Wohnung ausschließlich zur Einkommenserzielung gehalten.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Steuererhebung bedeute weder einen gezielten Eingriff in die grundgesetzlich gewährleistete Freizügigkeit, noch sei die Abgabenlast so hoch, daß sie einen beherrschenden Einfluß auf die Wohnsitzwahl ausüben könne.
Das Verwaltungsgericht Hannover hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. August 1997 abgewiesen und dies im wesentlichen damit begründet, es bestünden keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten. Insbesondere sei nicht zu beanstanden, daß die Abgrenzung zwischen Haupt- und Zweitwohnung über das Melderecht vorgenommen werde. Die vom Kläger im Gebiet der Beklagten gemietete Wohnung sei eine Zweitwohnung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. a) ZwStS. Denn nach § 8 Abs. 1 des Niedersächsischen Meldegesetzes (NMG) sei die Hauptwohnung eines verheirateten Einwohners, der nicht dauernd getrennt von seiner Familie lebe, die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie. Diese liege im Falle des Klägers in Emden. Der Kläger unterhalte die im Gebiet der Beklagten gelegene Wohnung auch zu seinem persönlichen Lebensbedarf, da er die Wohnung angemietet habe und bewohne, um von ihr aus seiner Arbeit nachzugehen. Daß der Kläger die Zweitwohnung nicht zum Zwecke der Erholung innehabe, stehe der Erhebung einer Zweitwohnungssteuer nicht entgegen. Bei der Zweitwohnungssteuer handele es sich um eine Aufwandsteuer, die die in der Vermögens- und Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende besondere Konsumfähigkeit besteuere. Die Erhebung der Zweitwohnungssteuer verstoße auch nicht gegen Grundrechte. Sie verletze keine Rechte aus Art. 6 GG. Es bleibe der Familie überlassen, wo sie den Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen wähle. Daß diese Entscheidung für einen Ledigen einfacher zu treffen sei, sei nur eine mittelbare Auswirkung. Auch eine Einschränkung der Rechte aus Art. 2, 11 oder 12 GG sei nicht ersichtlich. Niemand verwehre es dem Kläger, sich im Bereich der Beklagten aufzuhalten und von dort aus seinem Beruf nachzugehen.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger die vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
Mit Urteil vom 21. April 1999 (NVwZ-RR 1999, S. 790) hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht den Gerichtsbescheid geändert und den Zweitwohnungssteuerbescheid der Beklagten vom 17. September 1996 aufgehoben. Die Heranziehung des Klägers zur Zweitwohnungssteuer sei rechtswidrig. Die von ihm an seinem Arbeitsort gemietete Wohnung könne nach keiner der in § 1 Abs. 2 Buchst. a) bis c) ZwStS genannten Alternativen der Zweitwohnungssteuer unterworfen werden.
Als Aufwandsteuer könne die Zweitwohnungssteuer nur den besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand erfassen. Eine zusätzliche Wohnung, die ein verheirateter Beschäftigter an seinem Arbeitsort weit entfernt von seiner Haupt- und Familienwohnung unterhalten müsse, um von dort aus seiner täglichen Arbeit nachzugehen und den Lebensunterhalt seiner Familie zu sichern, stelle jedoch keinen besonderen Aufwand dar und drücke keine besondere Leistungsfähigkeit aus. Vielmehr sei der Betroffene in seiner Leistungsfähigkeit gegenüber demjenigen beeinträchtigt, der seiner Arbeit von seiner Familienwohnung aus nachgehen könne.
Eine Erfassung auch solcher unmittelbar der Einkommenserzielung dienender „Erwerbswohnungen” verletze zudem die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, da sie Sachverhalte einbeziehe, die unter die doppelte Haushaltsführung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG fielen und damit den Abzug der Aufwendungen als Werbungskosten ermöglichten.
Die Erfassung zusätzlicher Wohnungen eines verheirateten Arbeitnehmers am vom Familienwohnsitz entfernten Arbeitsort sei auch nicht durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 1993 zwingend geboten. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht dort ausgeführt, daß für die Steuerpflicht nicht von vornherein auf eine wertende Berücksichtigung der Absichten und verfolgten ferneren Zwecke abgestellt werden dürfe. Dadurch werde eine konkrete Prüfung, ob die zusätzliche Wohnung einen besonderen Aufwand darstelle und eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indiziere, jedoch nicht verboten, zumal das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich auf die Möglichkeit von Befreiungstatbeständen hinweise.
Auch die vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Steuerfreiheit von Zweitwohnungen, die als reine Kapitalanlage gehalten würden, erfordere eine Abgrenzung, die auf den mit der Wohnung verbundenen Zweck abstelle. Komme es bei solchen Wohnungen auf die Verfolgung erwerbswirtschaftlicher Zwecke und die ausschließliche Absicht der Einkommenserzielung an, so verbiete es der Gleichheitssatz, einen solchen Erwerbszweck bei einer „Erwerbswohnung” unberücksichtigt zu lassen, die ein verheirateter Arbeitnehmer an seinem Arbeitsort fern von seiner Familienwohnung gemietet habe.
Die Heranziehung des Klägers finde auch, nachdem § 1 Abs. 2 Buchst. c) ZwStS mit Wirkung vom 1. Februar 1999 entfallen sei, in den Bestimmungen des § 1 Abs. 2 Buchst. a) und b) keine tragfähige Grundlage, wonach die Wohnung als Nebenwohnung im melderechtlichen Sinne dienen müsse. Eine solche Anknüpfung an den objektiven Hauptwohnungsbegriff des Melderechts begegne zwar im Grundsatz keinen Bedenken. Anderes gelte für die Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NMG, wonach es bei verheirateten, nicht dauernd getrennt lebenden Einwohnern nicht – wie sonst – auf die tatsächlichen Aufenthaltszeiten der Einzelperson, sondern die des Familienverbandes ankomme, um so eine gemeinsame Hauptwohnung sicherzustellen. Diese von spezifisch melderechtlichen Zielsetzungen geprägte Regelung könne nicht unverändert in das Steuerrecht übernommen werden, da die dargelegten Voraussetzungen der Zweitwohnungssteuer nicht durch eine melderechtliche Fiktion ersetzt werden könnten, sondern im Einzelfall tatsächlich erfüllt sein müßten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision der Beklagten. Zur Begründung führt sie aus, das Berufungsurteil widerspreche der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs und beeinträchtige die Beklagte unter Verstoß gegen Art. 105 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 2 GG in ihrem Steuerfindungsrecht. Das Berufungsgericht fordere entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine wertende Unterscheidung danach, ob eine Zweitwohnung aus beruflichen oder aus rein privaten Gründen gehalten werde. Als Aufwandsteuer diene die Zweitwohnungssteuer der Besteuerung eines besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwands. Auch das Innehaben einer Zweitwohnung aus beruflichen Gründen sei aber Ausdruck einer erhöhten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Steuererhebung verletze auch nicht das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, da es keinen allgemeinen Grundsatz gebe, daß ein bestimmter Tatbestand nicht zugleich einer Besteuerung unterliegen und Steuervergünstigungen genießen könne. So komme es durchaus vor, daß bestimmte Tatbestände bezogen auf die Einkommensteuer abzugsfähig seien, gleichzeitig aber einer anderen Besteuerung unterlägen (z.B. Fahrten zur Arbeitsstätte bei uneingeschränkter Mineralölsteuer auf den Kraftstoff).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. April 1999 aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er führt aus, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs stehe dem Berufungsurteil nicht entgegen, da diese Gerichte nicht über einen vergleichbaren Sachverhalt (mit einer durch die Berufstätigkeit beider Ehepartner an weit entfernten Dienstorten bedingten doppelten Haushaltsführung) entschieden hätten. Jedenfalls in diesem Fall verstoße die Steuererhebung gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Ein solcher Grundrechtsverstoß sei nicht durch die im Steuerrecht anerkannte Typisierungs- und Generalisierungsbefugnis zu rechtfertigen. Es lasse sich auch einfach überprüfen, ob eine Zweitwohnung bei beiderseits an weit auseinanderliegenden Orten berufstätigen Ehepartnern beruflich bedingt unterhalten werden müsse. Des weiteren verhalte sich die Beklagte widersprüchlich: Sie unterstelle bei Studenten, Lehrlingen usw., diese hätten am Wohnsitz der Eltern keinen eigenen vollständigen Erstwohnsitz, und nehme sie deshalb auf Antrag von der Zweitwohnungssteuerpflicht aus. Auch der Kläger habe aber an seinem Familienwohnort in Emden keine abgeschlossene Erstwohnung, die den baulichen Mindeststandards entspreche, sondern müsse Küche, Bad und den gesamten Hausrat mit Frau und Kindern teilen. Die Revision sei schließlich auch wegen der sonst zu befürchtenden Verstöße gegen Meldepflichten unbegründet: Es sei zu befürchten, daß ein Großteil der von der melderechtlichen Bestimmung über den Familienwohnsitz Betroffenen ihrer Meldepflicht nicht mehr nachkomme. Hiermit greife das Satzungsrecht der Beklagten unzulässig in die Sachkompetenz des Bundes und des Landes auf dem Gebiet des Melderechts über.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision ist begründet. Das Berufungsurteil steht mit Bundesrecht nicht im Einklang. Dies führt zu seiner Aufhebung und zur Zurückweisung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid.
1. Das angefochtene Urteil beruht auf der Erwägung, die vom Kläger gemietete Wohnung in Hannover sei keine Wohnung gewesen, die er im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c) ZwStS neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des eigenen persönlichen Lebensbedarfs oder des persönlichen Lebensbedarfs seiner Familie innehatte. Die Wohnung könne auch nicht als Nebenwohnung im Sinne von § 1 Abs. 2 Buchst. a) oder b) ZwStS der Zweitwohnungssteuer unterworfen werden. Damit sind zunächst landesrechtliche Vorschriften angewendet worden, deren Auslegung das Bundesverwaltungsgericht im Grundsatz nicht zu überprüfen hat. Das Oberverwaltungsgericht gewinnt sein Ergebnis indessen mit Hilfe einer bestimmten Interpretation des Begriffs der Aufwandsteuer, wie er in Art. 105 Abs. 2 a GG verwendet wird. Maßgeblich ist dabei zu § 1 Abs. 2 Buchst. c) ZwStS die These, als Aufwandsteuer könne die Zweitwohnungssteuer nur den besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand durch Verwendung von Einkommen oder Vermögen für eine zusätzliche Wohnung zum persönlichen Lebensbedarf erfassen. Eine reine Erwerbswohnung falle darunter nicht, sie diene allein der Befriedigung des allgemeinen Wohnungsbedarfs (S. 8 und 9, jeweils 2. Absatz des angefochtenen Urteils). Zu § 1 Abs. 2 Buchst. a) und b) ZwStS verhält es sich ähnlich. Hierzu führt das Berufungsgericht aus (S. 14 oben), die Zweitwohnungssteuer sei nur als Aufwandsteuer zulässig und bleibe deshalb an die zuvor genannten Voraussetzungen gebunden. Das Oberverwaltungsgericht begründet deshalb seine Auffassung vom Nichtvorliegen der Voraussetzungen in § 1 Abs. 2 Buchst. a), b) und c) ZwStS allein mit der These, eine Zweitwohnung diene, wenn es sich bei ihr um eine Erwerbswohnung handele, nicht dem für eine Aufwandsteuer maßgeblichen besonderen, sondern allein dem allgemeinen Lebensbedarf. Es handelt sich mithin um eine Auslegung von Landesrecht, die nach § 137 Abs. 1 VwGO insoweit revisibel ist, als die Anwendung der Steuersatzung den mit Art. 105 Abs. 2 a GG vorgegebenen Begriff des Aufwands nicht verletzen darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1999 – BVerwG 8 C 6.98 – BVerwGE 109, 188 = Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 16 = KStZ 2000, S. 34/35).
2. Der vom Berufungsgericht verwendete Begriff des Aufwands ist mit Art. 105 Abs. 2 a GG nicht zu vereinbaren.
Die Zweitwohnungssteuer ist als Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2 a GG eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf sichtbar wird (BVerfGE 16, 64 ≪74≫; 49, 343 ≪354≫; 65, 325 ≪346≫). Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Es handelt sich dabei um einen Sachverhalt, der sich einerseits von der Inanspruchnahme einer Erstwohnung, die keinen besonderen Aufwand gemäß Art. 105 Abs. 2 a GG darstellt (BVerwG, Urteil vom 29. November 1991 – BVerwG 8 C 107.89 – Buchholz 11 Art. 105 GG Nr. 17), unterscheidet, andererseits aber keineswegs eine besonders aufwendige oder luxuriöse Einkommensverwendung voraussetzt. Soll zulässigerweise die in dem Aufwand für eine Zweitwohnung zum Ausdruck gebrachte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit getroffen werden, so kommt es schon aus Gründen der Praktikabilität nicht darauf an, daß diese Leistungsfähigkeit in jedem einzelnen Fall konkret festgestellt wird. Ausschlaggebendes Merkmal ist vielmehr der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden. Daran kann folglich auch beim Kläger angeknüpft werden. Der Aufwand im Sinne von Konsum ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne daß es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert wird und welchen Zwecken er des näheren dient. Im Konsum äußert sich in der Regel die Leistungsfähigkeit. Ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich (so ausdrücklich BVerfGE 65, 325 ≪347/348≫).
3. Bereits aus dieser Anknüpfung des Begriffs des Aufwands an den Konsum eines Wirtschaftsgutes ergibt sich, daß der Kläger nicht verlangen kann, die von ihm aus Gründen seiner Berufstätigkeit in Anspruch genommene Zweitwohnung müsse steuerlich so behandelt werden wie eine zweitwohnungssteuerfreie reine Kapitalanlage. Da nur der konsumtive Aufwand für den persönlichen Lebensbedarf Gegenstand der Besteuerung nach Art. 105 Abs. 2 a GG sein darf, scheiden solche Zweitwohnungen als Gegenstand einer örtlichen Aufwandsteuer aus, die diesen Zwecken persönlicher Lebensführung nicht dienen, sondern von ihrem Inhaber als reine Geld- oder Vermögensanlage in der Form des Immobiliarbesitzes – also ausschließlich zur Einkommenserzielung – gehalten werden (BVerwGE 58, 230 ≪235≫; BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1995 – BVerwG 8 C 40.93 – BVerwGE 99, 303 = Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 9 S. 6). Für solche Wohnungen wird gerade nicht der für die Entstehung der Steuerlast maßgebliche Aufwand für die persönliche Lebensführung erbracht.
4. Daß eine ohne Berücksichtigung der Zwecke für das Innehaben einer Zweitwohnung allein auf den dafür erforderlichen Aufwand abstellende Veranlagung zur Zweitwohnungssteuer mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 6. Dezember 1983 (2 BvR 1275/79 – BVerfGE 65, 325) ausdrücklich festgestellt. Dabei ist unter Aufhebung des entgegenstehenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 1979 (– BVerwG 7 C 53.77 – BVerwGE 58, 230 ff.) entschieden worden, eine Zweitwohnungssteuersatzung, die aus beruflichen Gründen oder zu Ausbildungszwecken gehaltene Zweitwohnungen von der Besteuerung ausnehme, verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil das Wesen einer Aufwandsteuer es ausschließe, auf eine wertende Berücksichtigung der Absichten und verfolgten ferneren Zwecke für das Innehaben der Wohnung abzustellen (BVerfGE a.a.O., S. 357). Aus dieser Auffassung ergibt sich, daß eine Zweitwohnungssteuersatzung, die – wie die Satzung der Beklagten – eine Differenzierung nach dem Zweck des Innehabens der Wohnung nicht enthält, mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.
An die dargestellte Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts ist auch das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht gebunden. Dies ergibt sich aus § 31 Abs. 1 BVerfGG, der die Verbindlichkeit der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts unter anderem für alle Gerichte vorschreibt. Die für den Eintritt dieser Wirkung vorausgesetzte hinreichende Kongruenz der zu beurteilenden Sachverhalte (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. März 1999 – BVerwG 6 C 9.98 – BVerwGE 108, 355 = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 125 = NJW 1999, S. 3503 ff.) ist gegeben.
Angesichts der Bindungswirkung könnte sich die Frage, ob möglicherweise veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen – wie ein wegen erhöhter Mobilitätsanforderungen wohl zu vermutender Anstieg der Zahl der Erwerbszweitwohnungen – eine andere Sichtweise zur Frage der Gleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG erfordern oder ermöglichen könnten, nur in einem neuen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht stellen. Ob eine Kommune solche Veränderungen der Umstände gegebenenfalls zum Anlaß nehmen könnte, in einer Zweitwohnungssteuersatzung etwa zwischen Erwerbszweitwohnungen und Erholungszweitwohnungen zu unterscheiden, ist im übrigen eine im Rahmen des Gestaltungsspielraums eines kommunalen Steuersatzungsgebers zu beantwortende rechtspolitische Frage, die sich vorliegend nicht stellt, weil die Beklagte eine Differenzierung nicht vorgenommen hat.
5. Soweit das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung zusätzlich darauf stützt, die Veranlagung reiner Erwerbszweitwohnungen zur Zweitwohnungssteuer verstoße gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (vgl. BVerfGE 98, 265 ≪298≫), kann ihm auch darin nicht gefolgt werden. Es macht die Rechtsordnung von vornherein nicht in einem rechtlich erheblichen Sinn widersprüchlich, wenn die Zweitwohnungssteuer als eine Steuer, die an die Einkommensverwendung und nicht an die Einkommenserzielung anknüpft, Tatbestände erfaßt, die bei der Einkommensbesteuerung einkommensmindernd berücksichtigt werden können, wie dies bei den Kosten der doppelten Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG der Fall sein kann (vgl. BFHE 182, 243 ≪247≫).
6. Schließlich kann nicht festgestellt werden, daß die angefochtene Entscheidung sich im Sinne des § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig erweist.
a) Zunächst verletzt die Zweitwohnungssteuer der Beklagten nicht dem Kläger zustehende Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Von vornherein fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, daß der Kläger in seinem Recht auf Freizügigkeit, auf freie Ausübung seines Berufes oder auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit dadurch beeinträchtigt werden könnte, daß die Beklagte ihn zu einer Zweitwohnungssteuer in Höhe von 720 DM jährlich veranlagt.
Auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Die Zweitwohnungssteuer knüpft – wie dargelegt – an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und nicht daran an, ob der Steuerpflichtige verheiratet ist oder nicht. Soweit der Kläger geltend machen will, er werde wegen der melderechtlichen Vorgaben als Verheirateter schlechter gestellt, mag dies in bestimmten Konstellationen als unbeabsichtigte Nebenfolge ausnahmsweise der Fall sein; doch schützt das in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene Diskriminierungsverbot nicht vor jeder Rechtsfolge, die sich mittelbar negativ auf das Familieneinkommen auswirken kann. Im übrigen spricht nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt alles dafür, daß der Kläger melderechtlich auch dann gehalten wäre, seinen Hauptwohnsitz in Emden, das keine Zweitwohnungssteuer erhebt, und nicht in Hannover anzumelden, wenn er mit seiner Ehefrau nicht verheiratet wäre, sondern in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebte.
b) Die Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten enthält keinen ausdrücklichen Befreiungstatbestand. Unabhängig davon, daß die Vorschriften der Abgabenordnung zur Stundung (§ 222 AO), zum Zahlungsaufschub (§ 223 AO) und zum Erlaß der Steuerschuld aus Billigkeitsgründen (§ 227 AO) hier entsprechend anwendbar sind (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a NKAG), kann der Kläger daraus für sich nichts herleiten. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 6. Dezember 1983 (a.a.O. S. 357) ausgeführt, es bleibe dem Satzungsgeber unbenommen, unter Beachtung des Gleichheitssatzes Ermäßigungs- oder Befreiungstatbestände vorzusehen; doch ist damit noch nichts darüber gesagt, unter welchen Voraussetzungen ein kommunaler Steuersatzungsgeber in Ausübung seines Gestaltungsspielraums von Verfassungs wegen entsprechend handeln muß. Darauf kommt es indessen für die Entscheidung nicht an. Nach den Feststellungen der Vorinstanz handelt es sich bei den beruflichen Lebensumständen des Klägers um einen geradezu typischen oder „klassischen” Erwerbszweitwohnungsfall. Würden solche Fälle ohne Rücksicht auf hinzutretende Einzelfallumstände generell in Ermäßigungs- oder Befreiungstatbestände aufgenommen, so käme dies einer Ausklammerung von Erwerbszweitwohnungen aus dem Zweitwohnungssteuertatbestand gleich und liefe damit auf ein Ergebnis heraus, daß das Bundesverfassungsgericht als gleichheitswidrig beanstandet hat (vgl. dazu auch VGH Mannheim, Urteil vom 9. Februar 1989 – 2 S 1575/88 – VBlBW 1989, S. 348).
c) Soweit der Kläger noch anführt, die Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten provoziere Melderechtsverstöße und die Beklagte verhalte sich zudem widersprüchlich, wenn sie Studenten und Auszubildende mit Hauptwohnsitz am Wohnort der Eltern nicht zur Zweitwohnungssteuer heranziehe, ergeben sich daraus keine Gesichtspunkte, die das Ergebnis des Berufungsurteils tragen könnten.
Gegen die Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, daß sie Betroffene zu einem rechtswidrigen oder manipulativen Umgang mit den Vorschriften des Melderechts verleiten könnte. Soweit die Beklagte offenbar bei Studenten und Auszubildenden davon ausgeht, daß diese in der Wohnung ihrer Eltern, für die sie mit Hauptwohnsitz gemeldet sind, keine abgeschlossene Erstwohnung zur Verfügung haben, und den genannten Personenkreis deshalb nicht zur Zweitwohnungssteuer heranzieht, hat der Senat eine solche Sachverhaltskonstellation nicht zu beurteilen. Jedenfalls kann der Kläger nicht beanspruchen, von der Beklagten zweitwohnungssteuerrechtlich gleichermaßen behandelt zu werden. Für den Kläger ist vielmehr festgestellt, daß er an seinem Hauptwohnsitz in Emden gemeinsam mit seiner Ehefrau und seiner Tochter in sich vollständigen Wohnraum als Erstwohnung bewohnt.
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Hien, Vallendar, Dr. Storost, Prof. Dr. Rubel, Kipp
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.04.2000 durch Stoffenberger Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen