Ewald Dötsch, Alexandra Pung
Tz. 1616
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Das dt Organschaftsrecht ist trotz zwischenzeitlicher Ges-Änderungen, mit denen die früher strengere Inl-Bezogenheit von OG und OT gelockert wurde (dazu s Tz 97ff und Tz 112ff) rein national ausgerichtet, dh es erkennt eine grenzüberschreitende Organschaft nicht an. Die Ges-Änderungen haben jedoch zu einer deutlichen Anpassung der dt Organschaftsregeln an die Anforderungen des europäischen Rechts geführt (s Neumann, in Gosch, 4. Aufl, § 14 KStG Rn 22).
Tz. 1617
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Insbes unter Berufung auf das EuGH-Urt in der Rs Marks & Spencer (s Urt des EuGH v 13.02.2005, DB 2005, 2788; dazu Tz 1630) und unter Hinw auf die Regelungen zur österreichischen Gruppenbesteuerung (dazu s Tz 1619) wird gefordert, auch D müsse eine "grenzüberschreitende Organschaft" regeln (stellvertretend s Kessler [in FS Herzig, 2010, 285], s Endres [in FS Herzig, 2010, 189, 191], s Meilicke [in FS Herzig, 2010, 231] und s Kessler/Fuest/Kaeser/Eisgruber, DB 18/2010, Standpunkte, 33). Begleitend dazu wird unter Hinw auf ausl Systeme der Konzernbesteuerung gefordert, D solle die in § 14 Abs 1 S 1 Nr 3 KStG verankerte GAV-Voraussetzung abschaffen, was natürlich außer für grenzüberschreitende insbes für rein nationale Organschaftsverhältnisse Auswirkungen hätte.
Tz. 1618
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
UE wird bei den Forderungen nach einer "grenzüberschreitenden Organschaft" argumentativ vieles durcheinander geworfen. Diejenigen Unternehmen, die unter Berufung auf die EuGH-Rspr in der Rs Marks & Spencer den Abzug der von einer EU-ausl TG erlittenen Verluste bei der inl MG beantragen, fordern "bei Lichte betrachtet" nicht eine vollumfängliche grenzüberschreitende Organschaft, sondern wollen "nur" die grenzüberschreitende Berücksichtigung von Verlusten EU-ausl TG.
Eine vollumfängliche grenzüberschreitende Organschaft, wie sie wohl in einzelnen Staaten (aber offensichtlich nur in Einzelfällen mit ausdrücklicher ministerieller Genehmigung) praktiziert wird, sieht so aus, dass bei der Besteuerung der MG sämtliche positiven und negativen Ergebnisse des grenzüberschreitenden Konzerns (TG, EG usw), eine vorgegebene Mindestbeteiligung vorausgesetzt, berücksichtigt werden. Voraussetzung ist ein für die Dauer mehrerer Jahre gestellter Antrag auf Außerkraftsetzung des DBA-Schachtelprivilegs und Ersetzung der Freistellungs- durch die Anrechnungsmethode. Bei einer solchen grenzüberschreitenden Organschaft werden die Gewinne der TG bzw EG in dem jeweiligen Ansässigkeitsstaat zur St herangezogen und die Doppelbesteuerung durch die Anrechnung der ausl KSt auf die von der Konzernobergesellschaft zu entrichtende KSt beseitigt bzw gemildert.
Eine solche vollumfängliche grenzüberschreitende Organschaft wird für D nicht eingefordert. Dieses System ist für die Unternehmen dann nicht von Interesse, wenn die St-Sätze im Staat der MG höher sind als in den Staaten der TG, würde doch durch die Zurechnung von Positivergebnissen der TG zu deren ausl MG deren St-Belastung auf das Belastungsniveau der MG hochgeschleust. Zu den in Dänemark, Italien, Litauen und Lichtenstein bestehenden Systemen s Neumann (in Gosch, 4. Aufl, § 14 KStG Rn 16a).
Tz. 1619
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Auch das österreichische KStG regelt nicht eine vollumfängliche grenzüberschreitende Organschaft, sondern sieht – vergleichbar dem früheren § 3 AIG – auf Antrag der MG die grenzüberschreitende Einbeziehung der Verluste ausl TG (weltweit) in die österreichische Besteuerung der MG vor (dazu s Kessler/Jepp, DB 2009, 2737, s Götzenberger BB 2009, 2452 und s Kessler, DB 18/2010, Standpunkte, 33). Dieser Verlustabzug wird, wenn die ausl TG in späteren Jahren Gewinne erwirtschaftet, zur Vermeidung der doppelten Verlustnutzung durch eine entspr Nachbesteuerung im Ergebnis wieder rückgängig gemacht. Die österreichische Regelung könnte uE auch wieder EU-widrig sein, weil nur Verluste auf der Stufe EU-ausl TG abgezogen werden, Verluste auf der Ebene EU-ausl EG usw jedoch unberücksichtigt bleiben.
Im Abgleich mit dem EuGH-Verfahren Marks & Spencer ist die österreichische Regelung insoweit großzügiger als europarechtlich erforderlich ausgefallen, als Verluste EU-ausl TG bereits im Entstehungsjahr von Gewinnen der österreichischen MG abgezogen werden können und nicht erst bereits nach Verbrauch aller im Ansässigkeitsstaat der TG vorhandener Möglichkeiten der Verlustnutzung. Außerdem gilt die österreichische Regelung, wie erwähnt, über den EU-/EWR-Raum hinaus weltweit.
Tz. 1620
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Inzwischen erscheint gesichert, dass die nationale Ausrichtung und Begrenzung des dt Organschaftsrechts im Grundsatz mit EU-Recht vereinbar ist.
Bereits in der Entsch v 13.12.2005 (DB 2005, 2788; Rs Marks & Spencer) führt der EuGH aus, dass in der nationalen Begrenzung zwar ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (heute: Art 49 AEUV) zu sehen sei, dass diese Diskriminierung jedoch wegen überwiegender Gemeinwohlinteressen (Aufteilung der Besteuerungsrechte durch die DBA) g...