Ewald Dötsch, Alexandra Pung
Tz. 1646
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Der EuGH hat in der Rs Lidl Belgium entschieden (s Urt des EuGH v 15.05.2008, BStBl II 2009, 692), dass es eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt, wenn ein Stpfl Verluste einer inl BetrSt abziehen kann, Verluste einer in einem anderen Mitgliedsstaat belegenen BetrSt dagegen nicht. Eine solche Beschränkung könne zwar grds zur Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedsstaaten, zur Verhinderung einer doppelten Verlustberücksichtigung oder zur Abwendung der Gefahr von Stflucht gerechtfertigt sein. Die Maßnahme dürfe aber nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich ist. Unter Bezugnahme auf das Urteil in der RS Marks & Spencer (dazu s Tz 1620ff) führt der EuGH aus, dass dies dann der Fall sei, wenn die Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten in dem anderen Mitgliedsstaat für den betr Zeitraum ausgeschöpft sind und wenn keine Möglichkeit besteht, die Verluste in diesem Staat für künftige Zeiträume zu berücksichtigen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen konnte allerdings von Lidl Belgium nicht nachgewiesen werden, weil der im Jahr 1999 erlittene Verlust später im Jahre 2003 mit einem erzielten BetrSt-Gewinn verrechnet worden war. Wegen der Frage, wann ein Verlust aus einer in einem DBA-Staat belegenen ausl BetrSt aus stlicher Sicht final ist, s auch Mertens (GmbH-StPr 2015, 161). Dazu auch s Urt des FG HH v 23.03.2014 (IStR 2015, 405).
Ähnlich s Urt des EuGH v 23.10.2008 in der Rs 157/07 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee (dazu s Wagner, DK 2009, 235, 240).
In seiner Entsch in der Rs Nordea (s Urt des EuGH v 17.07.2014, IStR 2014, 563; dazu auch s Englisch, IStR 2014, 561 und s Blöchle/Dumser, IWB 2014, 773) hat der EuGH seine bisherige Rspr im Grundsatz bestätigt. Allerdings differenziert er zwischen vergleichbaren und nicht vergleichbaren Sachverhalten und weist dabei im Ergebnis darauf hin, dass Freistellungs-BetrSt grds nicht mit inl BetrSt vergleichbar seien. Im Anschluss prüft der EuGH für den Urteilsfall die Rechtfertigung der Beschränkung nach den Maßgaben des Urteils C-414/06 Lidl Belgium. Ob er in Fällen der Nicht-Vergleichbarkeit künftig andere Voraussetzungen zugrunde legen würde (und wenn ja welche), lässt der EuGH allerdings offen.
In dem Urt v 09.06.2012 (Rs Philips Electronics UK, IStR 2012, 847) hat der EuGH die Möglichkeit einer doppelten Verlustnutzung im Stammhaus- und im BetrSt-Staat in Kauf genommen, allerdings handelte es sich dabei um Verluste einer – aus der Sicht der Parteien – inl BetrSt (dazu s Schulz-Trieglaff, StuB 2012, 870).
Tz. 1647
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Der BFH hat in seinen beiden Urt v 09.06.2010 (BStBl II 2010, 1065 und IStR 2010, 663) und im Urt v 05.02.2014 (DStR 2014, 837) entschieden, dass aus Gründen des Unionsrechts Verluste einer in einem anderen Mitgliedsstaat belegenen BetrSt nach deren Aufgabe bzw Veräußerung grds im Finalitätsjahr bei der inl Besteuerung des Unternehmers zu berücksichtigen seien. Dies gelte auch für die GewSt. Von einer Vorlage an den EuGH hat der BFH in allen Fällen abgesehen. Im Hinblick auf das Urt des EuGH in der Rs Timac Agro hat der BFH seine bisherige Rspr zur Berücksichtigung finaler Verluste aufgegeben (s Tz 1649).
In den Rev-Verf I R 42/22 (Vorinstanz: Urt des FG Münster v 28.03.2017, EFG 2017, 1740 zu einer ausl PersGes-BetrSt) und I R 43/22 (Vorinstanz: Urt des FG Münster v 28.03.2017, DStRE 2018, 789 zu einer ausl PersGes-BetrSt) wurden die Rev zurückgenommen. Die Vorinstanz hatte die Berücksichtigung von Verlusten abgelehnt.
Zur mittlerweile geklärten Frage, dass auch finale Verluste in Fällen DBA-rechtlicher Freistellungs-BetrSt unionsrechtlich nicht zu berücksichtigen sind, s Tz 1651.
Tz. 1648
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Während die EU-Kommission (s Kommissionsmitteilung KOM [2006], 824 endgültig; dazu auch s Dörfler/Ribbrock, BB 2008, 304, und s Schenke/Mohr, DStZ 2009, 439, 447) die Auff vertritt, dass eine grenzüberschreitende Berücksichtigung definitiv im Verursachungsstaat nicht nutzbarer EU-ausl BetrSt-Verluste EU-rechtlich geboten ist, sieht der EuGH dies differenzierter.
Tz. 1649
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Eine grundlegende Neuausrichtung der EuGH-Rspr zu finalen Verlusten bei sog Freistellungs-BetrSt brachte zunächst das Urt des EuGH v 17.12.2015 (IStR 2016, 74; Rs Timac Agro; dazu auch s Schnitger, IStR 2016, 72; s Eisendle, ISR 2016, 37 und s Schiefer/Scheuch, NWB 2016, 701).
Der BFH (s Urt des BFH v 22.02.2017, BStBl II 2017, 709) hat sich in einem Verfahren, welches die Nachversteuerungsregelung des § 2a Abs 4 Nr 2 EStG 1997/StBereinG 1999 betraf, der EuGH-Rspr in der Rs Timac Agro angeschlossen und seine bisherige Rspr zur Berücksichtigung finaler Verluste aufgegeben (dazu auch s Sillich/Schneider, IStR 2017, 809; s Linn/Pignot, IWB 2017, 578; und s Kahlenberg, NWB 2017, 3056). Weiter s Tz 1651.
Ebenfalls hierzu s Benecke/Staats (Urt-Anm, IStR 2016, 81), s Niemann/Dodos (DStR 2016, 1057),...