Tz. 189b
Stand: EL 104 – ET: 12/2021
Wenn nach dem Vorgesagten zivilrechtlich eine identitätswahrende Sitzverlegung zu verneinen ist, wird in Rspr und Lit nicht selten ohne Weiteres davon ausgegangen, dass strechtlich für die oben (s Tz 189) dargestellten Fragen immer von einem vollkommen "neuen" KSt-Subjekt auszugehen ist (anders nur bei Gesamtrechtsnachfolge zB in grenzüberschreitenden Umwandlungs-Fällen). Ob diese automatische Präjudiz-Wirkung des Zivilrechts zutrifft, ist indes mindestens zweifelhaft.
Da die Identitätswahrung im hier behandelten Zusammenhang allein im Hinblick auf st-rechtliche Konsequenzen relevant ist, besteht diesbezüglich uE keine Bindung an das Zivilrecht (aA wohl s Debatin, GmbHR 1991, 164, 168). Vielmehr ist die Frage st-rechtlich zu lösen, soweit das StR entspr Wertungen erkennen lässt. Ausgangspunkt hierfür ist, dass § 1 Abs 1 KStG sowohl rechtsfähige als auch nichtrechtsfähige KSt-Subjekte kennt. Daraus folgt, dass der Verlust der Rechtsfähigkeit im Ausl allein nicht ausreicht, die Identität zu verneinen. Vielmehr entspricht es wegen der in Tz 189, 189a aufgezeigten Gefahr des Verlustes stiller Reserven für die Besteuerung dem System des § 2 Nr 1 KStG iVm § 49 EStG, grds von der Identität nach Verlegung auszugehen (so wohl auch s Urt des BFH v 17.05.2000, GmbHR 2000, 1056 und s Breuninger/Heimann, GmbHR 2000, 1037). Dies gilt auch dann, wenn die nach der Verlegung inl Kö durch Eintragung als GmbH, AG oder Ähnliches im Inl Rechtsfähigkeit erlangt. Zwar spricht dann äußerlich mehr dafür, in ihr ein "neues" KSt-Subjekt zu sehen (so wohl deswegen auch s Baranowski, IWB F 3 Gr 4, 397, 402). Auch in diesem Fall ist aber zu beachten, dass die Rechtsfähigkeit nicht das entscheidende Kriterium ist. Findet nämlich zunächst nur eine tats Sitz- bzw Geschäftsleitungsverlegung statt, hatte bis VZ 2005 die spätere Erlangung der inl Rechtsfähigkeit bei aus Drittstaaten stammenden Kö (s Tz 189a) strechtlich nur insofern Bedeutung, als sich die unbeschr KSt-Pflicht ab deren Beginn nicht mehr aus Nr 5 (s Urt des BFH v 23.06.1992, BStBl II 1992, 972), sondern den Nrn 1 bzw 4 des § 1 Abs 1 KStG ergab. Es ist nicht ersichtlich, wieso dies der strechtlichen Identität entgegen stehen sollte. Dann kann aber nichts anderes gelten, wenn die inl Rechtsfähigkeit bereits im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Verlegung erlangt wird. Dass der Begriff der Kap-Ges ab VZ 2006 in § 1 Abs 1 Nr 1 KStG weiter gefasst wurde, ändert an diesen Überlegungen nichts.
Daher liegt uE nur dann keine Identität vor, wenn die Gesellschafter vor Verlegung nach den maßgeblichen Regeln des ausl Gesellschaftsrechts eine Liquidation der ausl Gesellschaft tats durchführen oder wenigstens nach außen erkennbar einleiten. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass sich die bloße Verlegung von Sitz und/oder Geschäftsleitung ohne gleichzeitige willentliche Auflösung der ausl Kö durch deren AE strechtlich identitätswahrend vollzieht.