Tz. 329
Stand: EL 99 – ET: 06/2020
Der Wortlaut des § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG unterscheidet nicht danach, ob der Gewinnanspruch des AE im Zeitpunkt der Veräußerung bereits entstanden ist oder erst künftig entsteht. Nach uE zutr Auff von Littmann (DStR 1981, 588) sind im Veräußerungszeitpunkt bereits entstandene Ansprüche in jedem Fall nach § 20 Abs 1 Nr 1 oder 2 (iVm § 24 Nr 2 EStG) dem Veräußerer zuzurechnen; durch die Veräußerung wird danach der Kap-Ertrag lediglich früher vereinnahmt. Der Veräußerer ist insoweit zur Anrechnung von KapSt berechtigt. Nach dieser inzwischen auch von der Fin-Verw vertretenen Auff bleibt für den Anwendungsbereich des § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG lediglich die Veräußerung noch nicht entstandener Dividendenansprüche und sonstiger Ansprüche. GlA s Wiese/Berner (DStR 2013, 2674, 2675). Auch Sommer (GmbHR 1985, 224) sieht die Veräußerung bereits entstandener Dividendenansprüche als Eink des Veräußerers iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG an (nicht zuzustimmen ist Sommer jedoch darin, dass er Problemfälle des § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG durch sinngem Anwendung des § 20 Abs 2 S 1 Nr 3 EStG aF lösen will).
Beim Erwerber eines vom Stammrecht losgelösten Dividendenscheins führt die spätere Vereinnahmung der Dividende unabhängig davon, ob der Dividendenanspruch bereits entstanden ist, nicht zu einem stpfl Kap-Ertrag; er zieht nur eine Forderung ein (s Urt des BFH v 11.12.1968, BStBl II 1969, 188 und v 12.12.1969, BStBl II 1970, 212). Hierzu s Tz 339.
Beispiel:
V war im Jahr 01 AE. Die Gesellschaft beschließt am 30.06. des Jahres 02 eine GA für 01. V veräußert den Dividendenschein für 01 unter Zurückbehaltung des Stammrechts
Fall A: am 30.04.02,
Fall B: am 10.07.02.
Im Fall A muss V den Veräußerungserlös nach § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG versteuern.
Im Fall B hat V einen Kap-Ertrag iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG, der ihm durch die Abtretung des Dividendenanspruchs vorzeitig zufließt (s Tz 360 Übersicht unter 3.a).
Tz. 330
Stand: EL 99 – ET: 06/2020
Nach Auff von Littmann (DStR 1981, 588) regelt § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG nicht, wer bei der Veräußerung von Dividendenscheinen den Kap-Ertrag zu versteuern hat, sondern worin der Kap-Ertrag besteht. Danach hätte der Veräußerer des Dividendenscheins auch ohne die Regelung des § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG den Kap-Ertrag zu versteuern, allerdings erst im Zeitpunkt des Zufließens beim Erwerber. UE ist § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG ein Ausfluss des sog Surrogationsprinzips, wonach Entschädigungen für entgehende Einnahmen in gleicher Weise wie die Einnahmen selbst zu besteuern sind. Im Fall des § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG wäre bei den im Veräußerungszeitpunkt noch nicht beschlossenen Dividendenansprüchen deren Besteuerung ohne eine Sonderregelung uE nicht gewährleistet. Die Vorschrift ist verwandt mit § 21 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG (Veräußerung von Miet- und Pachtforderungen) und mit § 24 EStG (nachträgliche Einnahmen). § 21 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG weicht jedoch insoweit von § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG ab, als in § 21 EStG nur die Veräußerung bereits entstandener Ansprüche geregelt ist.
Tz. 331
Stand: EL 99 – ET: 06/2020
vorläufig frei