Joachim Patt, Fabian Bernhagen
Tz. 111
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Werden stille Reserven von sperrfristverhafteten Anteilen (s Tz 109a) auf andere Anteile (des Einbringenden oder dritter Pers) "verlagert", gelten die bereicherten Anteile insoweit auch als "Anteile iSd Abs 1 oder 2" (s § 22 Abs 7 UmwStG). In § 22 Abs 7 UmwStG wird dieser Vorgang als "Mitverstrickung von Anteilen" bezeichnet. Hieraus folgt aber weder eine besondere St-Verhaftung der anderen Anteile noch eine Erweiterung der stpfl stillen Reserven (so bei den einbringungsgeborenen Anteilen alten Rechts iSd § 21 UmwStG 1995, wo mitverstrickte Anteile fortan nach den Prinzipen des § 21 UmwStG 1995 st-verhaftet sind; dies betrifft auch die nach der Mitverstrickung bis zur gewinnrealisierenden Verfügung über die Anteile anwachsenden Reserven). Die Besteuerungsregeln über die stillen Reseren der anderen Anteile folgen – ungeachtet deren Mitverstrickung nach § 22 Abs 7 UmwStG – nur den für den AE geltenden allg Bestimmungen. Rechtfolge von § 22 Abs 7 UmwStG ist vielmehr (nur), dass die mitverstrickten Anteile iHd Mitverstrickungsgrads derselben Sperrfrist-Verhaftung unterliegen wie auch die originären (oder auf diesen beruhenden) Anteile (s Tz 11; zust s Stangl, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 563 aE). Läuft für die entreicherten Anteile bereits eine Sperrfrist, gilt dies hinsichtlich der mitverstrickten Anteile nur für die Restdauer dieser Sperrfrist (s Tz 19b; ebenso einhellige Auff; zB s Schmitt, in S/H, 9. Aufl, § 22 UmwStG Rn 192; wie bei § 22 Abs 6 UmwStG, s Tz 106).
Mitverstrickte Anteile können folglich unter den Bedingungen von § 22 Abs 1 bis 3 UmwStG "Auslöser" für eine nachträgliche Einbringungsgewinnbesteuerung sein. Veräußert der Einbringende zB (nur) seine nicht durch eine Sacheinlage iSd § 20 Abs 1 UmwStG erworbene, aber nach § 22 Abs 7 UmwStG mitverstrickte, Beteiligung innerhalb der Sperrfrist, erfüllt er insoweit, als stille Reserven verlagert worden sind, den Tatbestand des § 22 Abs 1 UmwStG. Werden Anteile dritter Pers gem § 22 Abs 7 UmwStG mitverstrickt, führt die sperrfristschädliche Verfügung über die fiktiven Anteile iSd § 22 Abs 1 und 2 UmwStG durch diese Pers auch zur Entstehung eines nachträglichen Einbringungsgewinns. Die Rechtsfolgen des § 22 Abs 7 UmwStG wären nämlich zu kurz gegriffen, wenn man diese nur auf die "Mit-Sperrfristverhaftung" der Anteile, dh auf eine rein gegenständliche Betrachtung, beschr würde. § 22 Abs 1 S 1 und Abs 2 S 1 UmwStG erfordern für eine nachträgliche Einbringungsgewinnbesteuerung eine sperrfristschädliche Handlung des "Einbringenden" bzw der "übernehmenden Gesellschaft". § 22 Abs 7 UmwStG würde in den Fällen der Mitverstrickung von Anteilen Dritter leerlaufen, wenn man die mitvertstrickten Anteile zwar als sperrfristverhaftete Anteile iSd Abs 1 oder 2 behandeln würde; ein Einbringungsgewinn aber niemals entstehen könnte, weil die für diese Vorschrift "falsche" Pers AE ist (idS s Haase/Nürnberg, Ubg 2022, 642 unter III.2). Halten Dritte mitverstrickte Anteile, schließt mE die Fiktion der "Anteile iSd Abs 1 oder 2" gem § 22 Abs 7 UmwStG mit ein, dass auch der jeweilige AE dieser Anteile für Zwecke der Realisierung eines Tatbestands iSd § 22 Abs 1 oder 2 UmwStG als "Einbringender" bzw "übernehmende Gesellschaft" iSd § 22 Abs 1 S 1 und Abs 2 S 2 UmwStG anzusehen ist (wie hier s Bilitewski, in H/M/B, 5. Aufl, § 22 UmwStG Rn 355; s Nitzschke, in Brandis/Heuermann, § 22 UmwStG 2006 Rn 100; s Ott, Ubg 2023, 142 unter III.3; ebenso im Ergebnis s Stangl, in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 578). Die Rechtsfolge des § 22 Abs 7 UmwStG ordnet also neben dem sachl Anwendungsbereich auch den pers Anwendungsbereich des § 22 Abs 1 oder 2 UmwStG an, wenn entreicherter und bereicherter Anteil vd AE gehören (dies gilt auch für Zwecke des § 22 Abs 3 UmwStG, s Tz 113, jedoch nicht für die Versteuerung des Gewinns aus dem Einbringungsgegenstand, s Tz 112). Nur so wird der Sinn der Regelung (s Tz 109) erreicht. Dieses Ergebnis wird auch mit den Grundsätzen des § 22 Abs 6 UmwStG bei unentgeltlicher Rechtsnachfolge begründet (idS s Schmitt, in S/H, 9. Aufl, § 22 UmwStG Rn 185 aE und Rn 192). Hierbei ist zwar zu bedenken, dass in den Fällen des § 22 Abs 7 UmwStG weder eine Rechtsnachfolge hinsichtlich der Anteile noch der Pers des AE eintritt, sondern nur stille Reserven unentgeltlich verlagert werden (wie hier s Graw, in Bordewin/Brandt § 22 UmwStG Rn 328). Aus der Fiktion der (Mit-)Sperrfristverhaftung der Anteile des Dritten gem § 22 Abs 7 UmwStG kann jedoch eine (umw-)stliche Rechtsnachfolge des AE in den Status des/der Einbringenden/übernehmenden Gesellschaft für Zwecke des § 22 Abs 1 bis 3 UmwStG abgeleitet werden.
Tz. 112
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Die Rechtsfolge des § 22 Abs 7 UmwStG bewirkt, dass die Veräußerung mitverstrickter Anteile oder die Realisierung der Ersatztatbestände des § 22 Abs 1 S 6, Abs 2 S 6 UmwStG in Bezug auf diese Anteile genauso zu einer Einbringungsgewinnbesteuerung führt, als wenn über die originär sperrfristverstrickten Anteile...