Tz. 152f
Stand: EL 101 – ET: 03/2021
Unter Berufung auf das Urt des EuGH v 11.03.2004 (Rs C-9/02 "de Lasteyrie du Saillant", DB 2004, 686) wurde die "Wegzugsbesteuerung" des § 21 Abs 2 S 1 Nr 2 UmwStG (mit der Stundungsregelung des § 21 Abs 2 S 3ff UmwStG) als nicht mit dem EU-Recht vereinbar angesehen (hA, zB s Körner, IStR 2004, 424; s Kleinert/Probst, DB 2004, 673; s Schnitger, BB 2004, 804; s Wassermeyer, GmbHR 2004, 613; s Ettinger/Eberl, GmbHR 2005, 152/158; s Schmitt, in S/H/S, 4. Aufl, § 21 UmwStG Rn 46; s Rabback, in R/H/vL, 3. Aufl, § 27 UmwStG Rn 218). Nach Werneburg (in H/M/B, 5. Aufl, § 27 UmwStG Rn 44, 45) wird die EU-Rechtswidrigkeit von § 21 Abs 2 S 1 Nr 2 UmwStG vor dem 13.12.2006 nicht durch die "nachträgliche Abmilderung der Besteuerungsfolgen des Wegzugs durch die Anwendung des § 6 Abs 5 AStG idF des SEStEG" (s Tz 152g, s Tz 225aff) beseitigt.
Tz. 152g
Stand: EL 101 – ET: 03/2021
Zunächst ist zum Tatbestand und den Rechtsfolgen der Entstrickungsbesteuerung des § 21 Abs 2 S 1 Nr 2 UmwStG festzustellen, dass es ein von der Rspr des EuGH EU-rechtl anerkanntes legitimes Ziel eines Mitgliedstaats der EU ist, den in seiner St-Hoheit angewachsenen Wertzuwachs in den einbringungsgeborenen Anteilen (dh "gespeicherte" stille Reserven aus der Sacheinlage zuz stille Reserven in der Zeit nach dem einbringungsbedingten Erwerb) bei Verlust des St-Zugriffs (zB durch Wegzug des Stpfl) zu besteuern (ständige Rspr; s Urt des EuGH v 23.01.2014, C-164/12 "DMC Beteiligungsgesellschaft", DStR 2014, 193 unter Rn 46–49 mwNachw auf EuGH-Rspr; und v 23.11.2017, C-292/16 "A Oy", IStR 2018, 32 unter Rn 30; und s Urt des BFH v 22.06.2017, BStBl II 2018, 171 unter Rn 21). Die St-Festsetzung der EntstrickungsSt stellt die Höhe der im Inl stpfl entstandenen stillen Reserven in den Anteilen zum Zeitpunkt des Wegfalls des inl Besteuerungszugriffs fest. Diese Festsetzung wird nicht dadurch eu-rechtswidrig, dass der AE beabsichtigt, wieder in das Inl zurückzuziehen (idS s Beinert/Süßmann/Ferrenberg, Ubg 2020, 479 unter II.2.a). Denn bei Wiederverstrickung der Anteile bei Rückumzug oder Rückführung in ein inl BV unterliegen nur die ab Neubegründung des inl Wohnsitzes/gewöhnlichen Aufenthalts anwachsenden stillen Reserven der inl St-Hoheit. Denn die Anteile werden mit dem gW bei Begr des inl Besteuerungsrechts wie AK erfasst (s § 17 Abs S 3 EStG; zu Anteilen im BV s § 4 Abs 1 S 8 2. Hs iVm § 6 Abs 1 Nr 5a EStG).
Vom Zeitpunkt der St-Festsetzung ist allerdings der Zeitpunkt der St-Erhebung (dh Fälligkeit der St) abzugrenzen. Eine andere Frage ist nämlich diejenige, ob es mit den Grundfreiheiten des AEUV (insbes Kapitalverkehrsfreiheit, s Art 63 AEUV; Niederlassungsfreiheit, s Art 49 AEUV) vereinbar ist, wenn die EntstrickungsSt festgesetzt und diese zugleich auch, ohne dass der Wertzuwachs tats realisiert worden ist, erhoben wird. Das EU-Recht fordert hier eine Wahlrechtsmöglichkeit für den Stpfl zwischen einer sofortigen Entrichtung der St und einer Aufschiebung der Zahlung (ständige Rspr; s Urt des EuGH v 23.01.2014, Rs C-164/12 "DMC Beteiligungsgesellschaft", DStR 2014, 193 unter Rn 61; zuletzt s Urt des EuGH v 23.11.2017, C-292/16 "A Oy", IStR 2018, 32 unter Rn 34–36).
Aus diesem Grund hat der Ges-Geber iRd SEStEG bestimmt, dass in allen Fällen der Entstrickungsbesteuerung gem § 21 Abs 2 S 1 Nr 2 UmwStG, in denen die ESt noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist, die Stundungsregelungen des § 6 Abs 5 AStG idF des SEStEG anzuwenden ist (s § 27 Abs 3 Nr 3 S 2 UmwStG idF des SEStEG, s Tz 225aff). Dadurch soll eine EU-rechtskonforme Anwendung der Wegzugsbesteuerung erreicht werden (die für Wegzugsfälle natürlicher Pers mit Anteilen im PV greift, s Tz 225b). In den Fällen, in denen gem den Regelungen des § 6 Abs 5 bis 7 AStG idF des SEStEG die EntstrickungsSt zu stunden ist, wird die (bisherige) unverhältnismäßige Einschränkung der Grundfreiheiten des AEUV bei der Wegzugsbesteuerung gem § 21 Abs 2 S 1 Nr 2 UmwStG beseitigt (s Urt des BFH v 25.08.2009, BStBl II 2016, 438; s Beschl des BFH v 23.09.2008, BStBl II 2009, 524; s Urt des BFH v 26.04.2017, BStBl II 2017, 1194 unter Rn 34; ebenso im Wes keine EU-rechtl Bedenken, s Haritz, in H/M, 4. Aufl, § 27 UmwStG Rn 43; s Werneburg, in H/M/B, 5. Aufl, § 27 UmwStG Rn 43; s Häck, in F/W/B/S, § 6 AStG Rn 154; s Richter/Escher, FR 2007, 674; s Micker/Schwarz, IWB 2017, 344; gewisse unionsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Nachw- und Mitteilungspflichten und der Forderung, dass der AE einer der dt unbeschr EStPflicht vergleichbaren StPflicht unterliegen muss, s Kraft, in Kraft, AStG, 2. Aufl, § 6 Rn 200 und 203; zur Vollverzinsung der gestundeten St nach § 233a AO s Tz 225d).
Beim Ausschluss des inl Besteuerungsrechts durch Wegzug einer natürlichen Pers in einen Drittstaat ergeben sich bei der Entstrickungsbesteuerung keine Probleme der Vereinbarkeit (unmittelbar) mit EU-Recht (fraglich ist allerdings, ob als Folge von [Freizügigkeits-]Abkommen des Zuzugsstaats mit der EU/EWR eine na...