Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer keine unzulässige Steuer mit Umsatzsteuercharakter, Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer, Bauleistungen, Doppelbesteuerung
Leitsatz (amtlich)
Art. 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 ist dahin gehend auszulegen, dass er einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, beim Erwerb eines noch unbebauten Grundstücks künftige Bauleistungen in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung von Verkehrsteuern wie die „Grunderwerbsteuer“ des deutschen Rechts einzubeziehen und somit einen nach der Sechsten Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegenden Vorgang zusätzlich mit diesen weiteren Steuern zu belegen, sofern diese nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 33
Beteiligte
Finanzamt Hannover-Land I |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Art. 104 § 3 der Verfahrensordnung ‐ Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 33 Abs. 1 ‐ Begriff der Umsatzsteuer ‐ Grunderwerbsteuer“
In der Rechtssache C-156/08
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Niedersächsischen Finanzgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 2. April 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 16. April 2008, in dem Verfahren
Monika Vollkommer
gegen
Finanzamt Hannover-Land I
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter), der Richter A. Ó Caoimh, J. N. Cunha Rodrigues und U. Lõhmus sowie der Richterin P. Lindh,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: R. Grass,
gemäß Art. 104 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach der Gerichtshof durch mit Gründen versehenen Beschluss entscheiden kann,
nach Anhörung des Generalanwalts
folgenden
Beschluss
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1), der Art. 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 (ABl. L 376, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) entspricht.
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Vollkommer und dem Finanzamt Hannover-Land I über die Zahlung von Grunderwerbsteuer.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Art. 33 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen, insbesondere der geltenden Gemeinschaftsbestimmungen über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Abgaben auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern diese Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübergang verbunden sind.“
4
Mit der Richtlinie 2006/112 wurde nach deren erstem Erwägungsgrund die Sechste Richtlinie neu gefasst. Diese Richtlinie wurde am 28. November 2006 erlassen und trat nach ihrem Art. 413 am 1. Januar 2007 in Kraft.
5
Art. 401 der Richtlinie 2006/112 lautet:
„Unbeschadet anderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist.“
Nationales Recht
6
§ 1 Abs. 1 Grunderwerbsteuergesetz (im Folgenden: GrEStG) bestimmt:
„Der Grunderwerbsteuer unterliegen die folgenden Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen: … ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet“.
7
§ 8 GrEStG sieht vor:
„(1) Die Steuer bemisst sich nach dem Wert der Gegenleistung.
(2) Die Steuer wird nach den Werten im Sinne des § 138 Abs. 2 oder 3 des Bewertungsgesetzes bemessen:
1. wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist;
…
3. …
Erstreckt sich der Erwerbsvorgang auf ein noch zu errichtendes Gebäude …, ist der Wert des Grundstücks abweichend von § 138 Abs. 1 Satz 2 Bewertung...