Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrwertsteuer. Verzugszinsen. Steuerliche Vorschriften. Rechtsangleichung. Umsatzsteuer. Gemeinsamens Mehrwertsteuersystem. Dienstleistungen. Besteuerungsgrundlage. Begriff. Gerichtlich zuerkannte Verzugszinsen. Ausschluß (Richtlinie 67/228/EWG des Rates, Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a)
Leitsatz (amtlich)
Der Begriff des Gegenwerts, der nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a der Zweiten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern die Besteuerungsgrundlage für Dienstleistungen darstellt, umfaßt nicht die Zinsen, die einem Unternehmen durch gerichtliche Entscheidung deswegen zuerkannt werden, weil die Zahlung des Gegenwerts der Dienstleistung nicht bei Fälligkeit erbracht worden ist.
Beteiligte
Finanzamt München für Körperschaften |
Tenor
Die Besteuerungsgrundlage nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a der Zweiten Richtlinie des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern umfaßt nicht die Zinsen, die einem Unternehmer durch gerichtliche Entscheidung deswegen zuerkannt werden, weil die Zahlung des Gegenwerts der Dienstleistung nicht bei Fälligkeit erbracht worden ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend das dem Gericht nach Artikel 177 EWG-Vertrag vom Finanzgericht München in dem bei diesem Gericht anhängigen Rechtsstreit
B.A.Z. Bausystem AG, mit Sitz in Zürich (Schweiz),
gegen
FINANZGERICHT MÜNCHEN FÜR KÖRPERSCHAFTEN
vorgelegte Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Begriffs „Gegenwert” in Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a der Zweiten Richtlinie des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (67/228/EWG, ABl. 1967 vom 14.4.1967, S. 1303),
erläßt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten G. Bosco, der Richter A. O'Keeffe und T. Koopmans,
Generalanwalt: S. Rozès
Kanzler: P. Heim
folgendes
URTEIL
Tatbestand
Der Vorlagebeschluß, der Verfahrensablauf und die nach Artikel 20 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes der EWG eingereichten Erklärungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
I – Sachverhalt und schriftliches Verfahren
1. Die in Frage stehende Regelung
Nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a der Zweiten Mehrwertsteuerrichtlinie des Rates ist Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen und Dienstleistungen
„… alles, was den Gegenwert für die Lieferung des Gegenstands oder die Dienstleistung bildet, einschließlich der Kosten und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst”.
Nr. 13 des Anhangs A der Richtlinie sieht vor, daß
„unter dem Begriff ‚Gegenwert’ … alles zu verstehen [ist], was als Gegenleistung für die Lieferung des Gegenstands oder für die Dienstleistung erhalten wird, einschließlich der Nebenkosten (Verpackung, Beförderung, Versicherung usw.), d.h. nicht nur die vereinnahmten Geldbeträge, sondern z.B. auch der Wert der im Tausch erhaltenen Gegenstände oder, im Falle einer Übertragung des Eigentums aufgrund einer behördlichen Anordnung, die vereinnahmte Entschädigung”.
Die Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsamnes Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EGW, ABl. L 145, S. 1) bestimmt demgegenüber in Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a, daß die Besteuerungsgrundlage im Inland
„bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter den Buchstaben b, c und d genannt sind, alles [ist], was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen”.
Der Begriff „Entgelt” wird in § 10 Absatz 1 Satz 2 des deutschen Umsatzsteuergesetzes (UStG) von 1967 folgendermaßen definiert:
„Entgelt ist alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung vereinbarungsgemäß aufzuwenden hat, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.”
Gemäß §§ 352, 353 des deutschen Handelsgesetzbuches (HGB) sind Kaufleute untereinander berechtigt, für ihre Forderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften vom Tage der Fälligkeit an Zinsen zu fordern (Fälligkeitszinsen). Der Zinssatz beträgt 5 %. Wenn neben der Fälligkeit der Forderung auch die Voraussetzungen des Verzugs gemäß § 284 des deutsches Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gegeben sind (Mahnung nach Fälligkeit oder Bestimmung des Fälligkeitstermins nach dem Kalender), so kann ein höherer Zinssatz als Verzugsschaden geltend gemacht werden (§ 288 Absatz 2 in Verbindung mit § 286 BGB).
2. Der Sachverhalt
Der schweizerischen Firma B.A.Z. Bausystem AG aus Zürich (im folgenden: Bausystem) wurde am 23. Juni 1972 von einer aus vier de...