Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 185, 185 Abs. 1
Beteiligte
Balgarska telekomunikatsionna kompania |
Balgarska telekomunikatsionna kompania EAD |
Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” – Sofia |
Verfahrensgang
Varhoven administrativen sad (Bulgarien) (Beschluss vom 16.02.2022; ABl. EU 2022, Nr. C 191/19) |
Tenor
1. Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsameMehrwertsteuersystem
ist dahin auszulegen, dass
die Aussonderung eines nach Ansicht des Steuerpflichtigen im Rahmen seiner gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten unbrauchbar gewordenen Gegenstands, gefolgt vom mehrwertsteuerpflichtigen Verkauf dieses Gegenstands als Abfall, keine „Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden”, im Sinne dieser Bestimmung darstellt.
2. Art. 185 der Richtlinie 2006/112
ist dahin auszulegen, dass
die Aussonderung eines nach Ansicht des Steuerpflichtigen im Rahmen seiner gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten unbrauchbar gewordenen Gegenstands, gefolgt von der vorsätzlichen Zerstörung dieses Gegenstands, eine „Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden”, im Sinne von Abs. 1 dieses Artikels darstellt. Allerdings stellt eine solche Situation unabhängig von ihrem vorsätzlichen Charakter eine „Zerstörung” im Sinne von Abs. 2 Unterabs. 1 dieses Artikels dar, so dass diese Änderung keine Berichtigungspflicht nach sich zieht, sofern diese Zerstörung ordnungsgemäß nachgewiesen oder belegt ist und der Gegenstand objektiv jeden Nutzen im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen verloren hatte. Die ordnungsgemäß nachgewiesene Entsorgung eines Gegenstands ist seiner Zerstörung gleichzusetzen, sofern sie konkret zum unumkehrbaren Verschwinden dieses Gegenstands führt.
3. Art. 185 der Richtlinie 2006/112
ist dahin auszulegen, dass
er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, wonach der Vorsteuerabzug beim Erwerb eines Gegenstands zu berichtigen ist, wenn dieser ausgesondert wurde, weil der Steuerpflichtige der Ansicht war, dass er im Rahmen seiner gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten unbrauchbar geworden sei, und der Gegenstand anschließend entweder mehrwertsteuerpflichtig verkauft oder in einer Weise zerstört oder entsorgt wurde, die konkret zu seinem unumkehrbaren Verschwinden geführt hat, sofern diese Zerstörung ordnungsgemäß nachgewiesen oder belegt ist und der Gegenstand objektiv jeden Nutzen im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen verloren hatte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien) mit Entscheidung vom 16. Februar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Februar 2022, in dem Verfahren
„Balgarska telekomunikatsionna kompania” EAD
gegen
Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” – Sofia
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie des Richters J.-C. Bonichot und der Richterin O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin),
Generalanwältin: T. Ćapeta,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der „Balgarska telekomunikatsionna kompania” EAD, vertreten durch O. P. Hadzhiyski und T. M. Mollahasan, Advokati,
- des Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” – Sofia, vertreten durch T. Todorov, Advokat,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Drambozova, J. Jokubauskaitė und V. Uher als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 185 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Balgarska telekomunikatsionna kompania” EAD (im Folgenden: BTK) und dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danatchno-osiguritelna praktika” – Sofia (Direktor der Direktion „Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis” von Sofia, Bulgarien) über die Entscheidung des Generalsteuerinspektors bei der Teritorialna Direktsia na Natsionalna Agentsia za Prihodite (Gebietsdirektion der Nationalen Agentur für Einnahmen, Bulgarien) „Große Steuerzahler und Versicherer”, mit der der Antrag von BTK auf Erstattung von Beträgen abgelehnt wurde, die als Berichtigungen ursprünglicher Vorsteuerabzüge gezahlt wurden. Die Berichtigungen waren wegen der Aussonderung verschiedener Investitionsgüter und Lagerbestände zwischen 2014 und 2017 vorgenommen worden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Sowei...