Entscheidungsstichwort (Thema)
Unionsbürgerschaft. Freizügigkeit. Art. 12 EG und 39 EG. Richtlinie 2004/38/EG. Art. 24 Abs. 2. Gültigkeitsprüfung. Staatsangehörige eines Mitgliedstaats. Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat. Höhe des Entgelts und Dauer der Tätigkeit. Aufrechterhaltung der Rechtsstellung eines ‚Arbeitnehmers’. Anspruch auf Leistungen für Arbeitsuchende
Beteiligte
Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Nürnberg 900 |
Tenor
1. In Bezug auf das Recht der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die auf Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat sind, hat die Prüfung der ersten Frage nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG berühren könnte.
2. Art. 12 EG steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten von Sozialhilfeleistungen ausschließt, die Drittstaatsangehörigen gewährt werden.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Sozialgericht Nürnberg (Deutschland) mit Entscheidungen vom 18. Dezember 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Januar 2008, in den Verfahren
Athanasios Vatsouras (C-22/08),
Josif Koupatantze (C-23/08)
gegen
Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Nürnberg 900
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter A. Ó Caoimh, J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter) und U. Lõhmus sowie der Richterin P. Lindh,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
- der dänischen Regierung, vertreten durch J. Bering Liisberg und B. Weis Fogh als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Grave als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch I. Rao und J. Coppel als Bevollmächtigte,
- des Europäischen Parlaments, vertreten durch E. Perillo, A. Auersperger Matić und U. Rösslein als Bevollmächtigte,
- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch M. Veiga und M. Simm als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Maidani und F. Hoffmeister als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. März 2009
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 12 EG und 39 EG sowie die Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77 und – Berichtigungen – ABl. 2004, L 229, S. 35, L 197, S. 34, sowie ABl. 2007, L 204, S. 28).
Rz. 2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Herrn Vatsouras und Herrn Koupatantze einerseits und der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Nürnberg 900 andererseits über den Entzug der ihnen zuvor gewährten Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 1 und 9 der Richtlinie 2004/38 haben folgenden Wortlaut:
„(1) Die Unionsbürgerschaft verleiht jedem Bürger der Union das elementare und persönliche Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.
…
(9) Die Unionsbürger sollten das Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten haben, ohne jegliche Bedingungen oder Formalitäten außer der Pflicht, im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses zu sein, unbeschadet einer günstigeren Behandlung für Arbeitsuchende gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs.”
Rz. 4
Art. 6 der Richtlinie 2004/38 sieht vor:
„(1) Ein Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten, wobei er lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein muss und ansonsten keine weiteren Bedingungen zu erfüllen oder Formalitäten zu erledigen braucht.
(2) Absatz 1 gilt auch für Familienangehörige im Besitz eines gültig...