Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsaustausch, Steuerbarkeit, Leistungen einer EU-ausländischen Hauptniederlassung an eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, Hauptniederlassung als Teil einer Organschaft mit einer Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, Unternehmensbegriff, Reichweite der Organschaft
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 9 Abs. 1, Art. 11
Beteiligte
Danske Bank A/S, Danmark, Sverige Filial |
Verfahrensgang
Högsta förvaltningsdomstol (Schweden) (Beschluss vom 24.10.2019; ABl. EU 2020, Nr. C 19/33) |
Tenor
Art. 9 Abs. 1 und Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass die in einem Mitgliedstaat ansässige Hauptniederlassung einer Gesellschaft, die zu einer Mehrwertsteuergruppe im Sinne von Art. 11 gehört, und die in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Zweigniederlassung dieser Gesellschaft für Mehrwertsteuerzwecke als getrennte Steuerpflichtige anzusehen sind, wenn die Hauptniederlassung für die Zweigniederlassung Dienstleistungen erbringt und ihr die Kosten für diese Dienstleistungen zurechnet.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Högsta förvaltningsdomstol (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Schweden) mit Entscheidung vom 24. Oktober 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 4. November 2019, in dem Verfahren
Danske Bank A/S, Danmark, Sverige Filial,
gegen
Skatteverket
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Kumin sowie der Richter T. von Danwitz (Berichterstatter) und P. G. Xuereb,
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Danske Bank A/S, Danmark, Sverige Filial, vertreten durch T. Karlsson,
- des Skatteverk, vertreten durch K. Alvesson als Bevollmächtigte,
- der dänischen Regierung, vertreten durch J. Nymann-Lindegren, P. Jespersen und M. S. Wolff als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch E. Toutain und E. de Moustier als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal, K. Simonsson und G. Tolstoy als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Danske Bank A/S, Danmark, Sverige Filial, einer schwedischen Zweigniederlassung der dänischen Gesellschaft Danske Bank A/S, und dem Skatteverk (Steuerverwaltung, Schweden) wegen eines Vorbescheids des Skatterättsnämnd (Steuerrechtsausschuss, Schweden) zum Mervärdesskattelag (1994:200) (Mehrwertsteuergesetz [1994:200]).
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
…
c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt”.
Rz. 4
Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„Als ‚Steuerpflichtiger’ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.
Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit’ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.”
Rz. 5
Art. 11 der Richtlinie lautet:
„Nach Konsultation des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer (nachstehend ‚Mehrwertsteuerausschuss’ genannt) kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.
Ein Mitgliedstaat, der die in Absatz 1 vorgesehene Möglichkeit in Anspruch nimmt, kann die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung dieser Bestimmung vorzubeugen.”
Dänisches Recht
Rz. 6
In Dänemark wurde Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie durch § 47 Abs. 4 der Lov om merværdiafgift (Mehrwertsteuergesetz) umgesetzt. Diese Bestimmung erlaubt es u. a. mehreren Steuerpflichtigen mit gemeinsamem Eigentümer, sich als dänische Mehrwertsteuergruppe eintragen zu lassen. Aus demselben Absatz geht auch hervor, dass zu der Gruppe nur in Dänemar...