Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Soziale Sicherheit. Entsendung eines Arbeitnehmers. Anschluss an ein System der sozialen Sicherheit. Betrugsbekämpfung. Bescheinigung A1. Nichtanerkennung durch den Mitgliedstaat, in dem die betreffende Person ihre Erwerbstätigkeit ausübt, im Fall von Betrug oder Missbrauch
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Art. 11; Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Art. 12, 76 Abs. 6; Verordnung (EG) Nr. 987/2009 Art. 5
Beteiligte
Tenor
1. Das Königreich Belgien hat mit den Art. 23 und 24 des Programmgesetzes vom 27. Dezember 2012 gegen seine Verpflichtungen aus Art. 11 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 76 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der durch die Verordnung (EU) Nr. 465/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 geänderten Fassung und Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 verstoßen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Das Königreich Belgien trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingelegt am 13. Juli 2015,
Europäische Kommission, vertreten durch D. Martin als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
unterstützt durch
Irland, vertreten durch E. Creedon, M. Browne, G. Hodge und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von C. Toland, BL,
Streithelfer,
gegen
Königreich Belgien, vertreten durch L. Van den Broeck und M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand von P. Paepe, avocat,
Beklagter,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, der Richter E. Levits und A. Borg Barthet, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) sowie des Richters F. Biltgen,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage begehrt die Europäische Kommission die Feststellung, dass das Königreich Belgien mit den Art. 23 und 24 des Programmgesetzes vom 27. Dezember 2012 (Moniteur belge vom 31. Dezember 2012, S. 88860, im Folgenden: Programmgesetz) gegen seine Verpflichtungen aus Art. 11, Art. 12 und Art. 76 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, Berichtigung: ABl. 2004, L 200, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 465/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 (ABl. 2012, L 149, S. 4) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004), aus Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung Nr. 883/2004 (ABl. 2009, L 284, S. 1) und aus dem Beschluss Nr. A1 vom 12. Juni 2009 über die Einrichtung eines Dialog- und Vermittlungsverfahrens zu Fragen der Gültigkeit von Dokumenten, der Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften und der Leistungserbringung gemäß der Verordnung Nr. 883/2004 (ABl. 2010, C 106, S. 1, im Folgenden: Beschluss Nr. A1) verstoßen hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 833/2004
Rz. 2
In den Erwägungsgründen 5, 8, 15 und 17 der Verordnung Nr. 883/2004 heißt es:
„(5) Es ist erforderlich, bei dieser Koordinierung innerhalb der Gemeinschaft sicherzustellen, dass die betreffenden Personen nach den verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften gleich behandelt werden.
…
(8) Der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung ist für Arbeitnehmer, die nicht im Beschäftigungsmitgliedstaat wohnen, einschließlich Grenzgängern, von besonderer Bedeutung.
…
(15) Es ist erforderlich, Personen, die sich innerhalb der Gemeinschaft bewegen, dem System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats zu unterwerfen, um eine Kumulierung anzuwendender nationaler Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen zu vermeiden.
…
(17) Um die Gleichbehandlung aller im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erwerbstätigen Personen am besten zu gewährleisten, ist es zweckmäßig, als allgemeine Regel die Anwendung der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats vorzusehen, in dem die betreffende Person eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt.”
Rz. 3
Art. 11 „Allgemeine Regelung”) Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 883/2004 bestimmt:
„(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
…
(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt...