Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsleistungen für im EU-Ausland wohnenden früheren Ehegatten und Verbot des Sonderausgabenabzugs zulässig
Leitsatz (amtlich)
Die Artikel 12 Absatz 1 EG und 18 Absatz 1 EG sind dahin auszulegen, dass es ihnen nicht zuwiderläuft, dass ein in Deutschland wohnender Steuerpflichtiger nach einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren einschlägigen von seinen steuerpflichtigen Einkünften in diesem Mitgliedstaat nicht Unterhaltsleistungen an seine in einem anderen Mitgliedstaat, in dem diese Unterhaltsleistungen steuerfrei sind, wohnende frühere Ehefrau abziehen kann, während er dazu berechtigt wäre, wenn sie in Deutschland ansässig wäre.
Normenkette
EGVtr Art. 12 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1
Beteiligte
Verfahrensgang
Tatbestand
„Unionsbürgerschaft ‐ Artikel 12 EG und 18 EG ‐ Einkommensteuer ‐ Möglichkeit für einen in Deutschland wohnenden Steuerpflichtigen, Unterhaltsleistungen an seine in Österreich wohnende frühere Ehefrau von seinen steuerpflichtigen Einkünften abzuziehen ‐ Nachweis, dass die Unterhaltsleistungen in Österreich besteuert werden“
In der Rechtssache C-403/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Beschluss vom 22. Juli 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 29. September 2003, in dem Verfahren
Egon Schempp
gegen
Finanzamt München V
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans und A. Rosas sowie der Richter C. Gulmann, A. La Pergola, J.-P. Puissochet und R. Schintgen, der Richterin N. Colneric und der Richter J. Klŭcka,
U. Lõhmus, E. Levits und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),
Generalanwalt: L. A. Geelhoed,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn Schempp, vertreten durch Rechtsanwalt J. Seest,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und A. Tiemann als Bevollmächtigte,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und C. A. H. M. ten Dam als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Gross und R. Lyal als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Januar 2005
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 12 EG und 18 EG.
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Schempp und dem Finanzamt München V (im Folgenden: Finanzamt) wegen dessen Weigerung, die von Herrn Schempp an seine in Österreich wohnende frühere Ehefrau gezahlten Unterhaltsleistungen im Rahmen der Einkommensteuer als abzugsfähige Sonderausgaben anzuerkennen.
Rechtlicher Rahmen
3
Nach § 10 Absatz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind folgende Aufwendungen Sonderausgaben, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind:
„Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten, wenn der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt, bis zu 27 000 DM im Kalenderjahr. Der Antrag kann jeweils nur für ein Kalenderjahr gestellt werden und nicht zurückgenommen werden.“
4
Nach § 22 Nummer 1a EStG werden Beträge, die der Unterhaltsleistende steuerlich abziehen kann, nach dem so genannten „Korrespondenzprinzip“ beim Unterhaltsempfänger als steuerpflichtige Einkünfte erfasst. Der Abzug durch den Unterhaltsleistenden setzt nicht voraus, dass die steuerliche Erfassung der Unterhaltszahlungen beim Empfänger tatsächlich zu einer Besteuerung führt. Wenn der Empfänger die Unterhaltsleistungen aber versteuern muss, so hat zivilrechtlich der Unterhaltsleistende die darauf entfallende Einkommensteuer zu tragen.
5
§ 1a Absatz 1 Nummer 1 EStG bestimmt:
„Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten (§ 10 Abs. 1 Nr. 1) sind auch dann als Sonderausgaben abziehbar, wenn der Empfänger nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Voraussetzung ist, dass der Empfänger seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates hat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet. Weitere Voraussetzung ist, dass die Besteuerung der Unterhaltszahlungen beim Empfänger durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird“.
6
Gemäß § 52 Absatz 2 EStG ist diese Regelung im Verhältnis zur Republik Österreich vom Veranlagungszeitraum 1994 an anzuwenden, da Österreich mit Wirkung vom 1. Januar 1994 dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum beigetreten ist.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
7
Herr Schempp, der deutscher Staatsangehöriger ist und in Deutschland wohnt, zahlt an seine in Österreich wohnende geschiedene Ehefrau Unterhalt.
8
In seinen Ei...