Entscheidungsstichwort (Thema)
Niederlassungsfreiheit, Vermögensteuerfreibetrag, Steuerbefreiung, Auslandsbeteiligung, Gesellschaftsanteil
Leitsatz (amtlich)
Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) steht einer steuerrechtlichen Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsrechtsstreit fraglichen entgegen, die im Fall, daß eine Beteiligung am Kapital einer Gesellschaft dem Anteilseigner einen solchen Einfluß auf die Entscheidungen der Gesellschaft verleiht, daß er deren Tätigkeiten bestimmen kann,
-den Angehörigen der Mitgliedstaaten, die im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats wohnen, für das in Anteile an der Gesellschaft angelegte Vermögen eine vollständige oder teilweise Befreiung von der Vermögensteuer gewährt,
-diese Befreiung aber von der Voraussetzung abhängig macht, daß die Beteiligung an einer Gesellschaft besteht, die ihren Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat hat, so daß sie für Inhaber von Anteilen an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten nicht gilt.
Normenkette
EG Art. 12 (früher Art. 6 EGVtr), Art. 43 (früher Art. 52 EGVtr); EGVtr Art. 56 (jetzt Art. 46 EG), Art. 58 (jetzt Art. 48 EG)
Beteiligte
Inspecteur der Belastingdienst Particulieren/Ondernemingen Gorinchem |
Verfahrensgang
Gerechtshof Den Haag (Niederlande) |
Tatbestand
Niederlassungsfreiheit - Vermögensanlage in Anteilen an Gesellschaften mit Sitz im Mitgliedstaat der Besteuerung - Vermögensteuerfreibetrag - Vermögensanlage in Anteilen an Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat - Keine Befreiung
In der Rechtssache C-251/98
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Gerechtshof Den Haag (Niederlande) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
C. Baars
gegen
Inspecteur der Belastingdienst Particulieren/Ondernemingen Gorinchem
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 6 und 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 12 EG und 43 EG) sowie der Artikel 73b und 73d EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG und 58 EG)
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. A. O. Edward sowie der Richter C. Gulmann, J.-P. Puissochet, P. Jann und M. Wathelet (Berichterstatter),
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der niederländischen Regierung, vertreten durch Rechtsberater M. Fierstra in Wahrnehmung der Aufgaben des Leiters der Abteilung Europäisches Recht im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten als Bevollmächtigten,
-der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Michard und P. van Nuffel, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Fierstra und J. van Bakel, beigeordnete Rechtsberaterin in der Abteilung Europäisches Recht im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigte, im Beistand von S. Verheij, Beamter im Finanzministerium, sowie der Kommission, vertreten durch P. van Nuffel, in der Sitzung vom 24. Juni 1999,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Oktober 1999,
folgendes
Urteil
1. Der Gerechtshof Den Haag hat mit Entscheidung vom 8. Juli 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juli 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 6 und 52 EG-Vertrag (nach Änderungjetzt Artikel 12 EG und 43 EG) sowie der Artikel 73b und 73d EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG und 58 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit, den Herr Baars, ein niederländischer Staatsangehöriger, gegen die niederländische Finanzverwaltung wegen deren Weigerung führt, ihm den Vorteil eines Vermögensteuerfreibetrags zu gewähren.
Nationale Rechtsvorschriften
3. In den Niederlanden wurde die Vermögensteuer durch die Wet op de vermogensbelasting 1964 (Gesetz vom 16. Dezember 1964 über die Vermögensteuer, Stb. 1964, S. 520; nachstehend: Vermögensteuergesetz) eingeführt. Sie wird jährlich unmittelbar vom Vermögen erhoben; ihr Satz beträgt acht Tausendstel des Gesamtvermögens.
4. Nach Artikel 1 des Vermögensteuergesetzes unterliegen dieser Steuer alle in den Niederlanden wohnhaften natürlichen Personen (inländische Steuerpflichtige) und alle natürlichen Personen, die zwar nicht in den Niederlanden wohnen, dort aber ein Vermögen haben (ausländische Steuerpflichtige). Die inländischen Steuerpflichtigen werden zu dieser Steuer grundsätzlich mit ihrem gesamten Vermögen, gleich wo es sich befindet, veranlagt. Die ausländischen Steuerpflichtigen werden zur Vermögensteuer mit dem Teil ihres Vermögens veranlagt, der sich in den Niederlanden befindet.
5. Nach Artikel 3 Absatz 2 des Vermögensteuergesetzes ist steuerbares Vermögen der Wert der Aktiva, einschließlich der Anteile an Gesellschaften, abzüglich des Wertes der Verbindlichkeiten.
6. Durch die Wet tot uitbreiding van de ...