Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenversicherung. Richtlinie 88/357/EWG. Begriffe der Niederlassung und des Staates, in dem das Risiko belegen ist
Beteiligte
Staatssecretaris van Financiën |
Tenor
1. Die Artikel 2 Buchstaben c und d letzter Gedankenstrich und 3 der Zweiten Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG lassen es zu, dass ein Mitgliedstaat bei einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen juristischen Person Versicherungsteuer erhebt auf die von dieser juristischen Person an einen ebenfalls in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Versicherer gezahlten Prämien zur Deckung der betrieblichen Risiken ihrer in dem die Steuer erhebenden Mitgliedstaat niedergelassenen unmittelbaren oder mittelbaren Tochtergesellschaft. Das Gleiche gilt, wenn es sich bei der juristischen Person, die die Prämien gezahlt hat, und derjenigen, deren betriebliche Risiken gedeckt werden, um zwei Gesellschaften desselben Konzerns handelt, die in anderer Weise als durch eine Mutter-Tochter-Beziehung verbunden sind.
2. Für die Auslegung der Begriffe Versicherungsnehmer oder Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d letzter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 kommt es nicht darauf an, wie die Prämie für das versicherte Risiko innerhalb eines Konzerns in Rechnung gestellt oder gezahlt wird.
Tatbestand
In der Rechtssache C-191/99
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Kvaerner plc
gegen
Staatssecretaris van Financiën
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 2 Buchstaben c und d sowie 3 der Zweiten Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG (ABl. L 172, S. 1)
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten und der Sechsten Kammer C. Gulmann in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der Kammerpräsidenten A. La Pergola, M. Wathelet (Berichterstatter) und V. Skouris, der Richter D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet, P. Jann, L. Sevón, R. Schintgen sowie der Richterinnen F. Macken und N. Colneric,
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Abteilungsleiterin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra als Bevollmächtigten;
- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing als Bevollmächtigten;
- der französischen Regierung, vertreten durch R. Abraham und S. Seam als Bevollmächtigte;
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Ewing als Bevollmächtigten im Beistand von A. Robertson, Barrister;
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Tufvesson und H. M. H. Speyart als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Kvaerner plc, vertreten durch F. Bracht, belastingadviseur, der französischen Regierung, vertreten durch R. Abraham und S. Seam, und der Kommission, vertreten durch H. M. H. Speyart, in der Sitzung vom 8. November 2000,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Januar 2001,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1.
Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 19. Mai 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Mai 1999, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 2 Buchstaben c und d sowie 3 der Zweiten Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG (ABl. L 172, S. 1, im Folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit der Kvaerner plc (im Folgenden: Kvaerner) gegen den Staatssecretaris van Financiën (niederländischer Staatssekretär für Finanzen) über die Nacherhebung von Steuern für den Teil der von Kvaerner gezahlten Versicherungsprämien, der sich auf die Deckung der Risiken aus der Geschäftstätigkeit einer in den Niederlanden niedergelassenen mittelbaren Tochtergesellschaft in der Zeit vom 1. Juli 1990 bis 31. Mai 1994 bezieht.
Rechtslage
Die Gemeinschaftsregelung
3.
Die Richtlinie war die zu der im Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Zeit maßgebende Gemeinschaftsregelung. Es handelte sich um die zweite Richtlinie auf dem Gebiet der Schadenversicherung. Nach ihrem Artikel 1...