Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug, Aufwendungen für ein Immobilienobjekt im Eigentum eines Dritten, Unentgeltliche Zuwendung einer instandgesetzten Anlage an eine Gemeinde
Leitsatz (amtlich)
Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger das Recht auf Abzug der Vorsteuer hat, die für eine in der Errichtung und Umgestaltung eines Immobilienobjekts, dessen Eigentümer ein Dritter ist, bestehende Dienstleistung entrichtet wurde, wenn Letzterer unentgeltlich in den Genuss des Ergebnisses dieser Dienstleistungen gelangt und diese Dienstleistungen sowohl von dem Steuerpflichtigen als auch von dem Dritten im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten verwendet werden, soweit diese Dienstleistungen nicht über das hinausgehen, was dafür erforderlich ist, dass dieser Steuerpflichtige besteuerte Ausgangsumsätze ausführen kann, und soweit die Kosten der Dienstleistungen in den Preis dieser Umsätze einbezogen sind.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 168 Buchst. a
Beteiligte
Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments |
Direktor na Direktsia Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika - Sofia |
Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments EOOD |
Verfahrensgang
Varhoven administrativen sad (Bulgarien) (Beschluss vom 08.12.2015; Abl.EU 2016, Nr. C 175/12) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerrecht ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 26 Abs. 1 Buchst. b sowie Art. 168 und Art. 176 ‐ Vorsteuerabzug ‐ Dienstleistungen zur Errichtung oder Umgestaltung eines Immobilienobjekts, das im Eigentum eines Dritten steht ‐ Verwendung der Dienstleistungen durch den Dritten und den Steuerpflichtigen ‐ Unentgeltliche Erbringung der Dienstleistung an den Dritten ‐ Verbuchung der für die bewirkten Dienstleistungen angefallenen Kosten als Bestandteil der allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen ‐ Feststellung des Vorliegens eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Dritten oder der des Steuerpflichtigen“
In der Rechtssache C-132/16
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien) mit Entscheidung vom 8. Dezember 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 1. März 2016, in dem Verfahren
Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ ‐ Sofia
gegen
„Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments“ EOOD,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Regan, A. Arabadjiev, C. G. Fernlund (Berichterstatter) und S. Rodin,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ des Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ ‐ Sofia, vertreten durch I. Kirova als Bevollmächtigte,
‐ der „Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments“ EOOD, vertreten durch T. Todorov und Z. Naumov, advokati,
‐ der bulgarischen Regierung, vertreten durch M. Georgieva und E. Petranova als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios, G. Koleva und D. Roussanov als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. April 2017
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 26 Abs. 1 und der Art. 168 und 176 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ ‐ Sofia (Direktor der Direktion „Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis“ ‐ Sofia, Bulgarien) auf der einen und der „Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments“ EOOD (im Folgenden: Iberdrola) auf der anderen Seite wegen zweier an diese gerichteter Steuerprüfungsbescheide betreffend das Recht auf Vorsteuerabzug.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 26 der Richtlinie 2006/112 sieht vor:
„(1) Einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt sind folgende Umsätze:
…
b) unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.
(2) Die Mitgliedstaaten können Abweichungen von Absatz 1 vorsehen, sofern solche Abweichungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen.“
Rz. 4
Art. 168 dieser Richtlinie bestimmt:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete...