Entscheidungsstichwort (Thema)
Fusionsrichtlinie, Einbringung von Unternehmensteilen, Teilbetriebsbegriff, Darlehensübergang, Aktien als Kreditsicherheit
Leitsatz (amtlich)
1. Artikel 2 Buchstaben c und i der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, ist dahin auszulegen, dass eine Einbringung von Unternehmensteilen im Sinne der Richtlinie nicht vorliegt, wenn im Rahmen einer Übertragung der Betrag eines von der einbringenden Gesellschaft aufgenommenen Darlehens bei dieser verbleiben und die entsprechende Darlehensschuld auf die übernehmende Gesellschaft übertragen werden soll. Dabei ist unerheblich, dass die einbringende Gesellschaft ein kleine Anzahl von Aktien einer dritten Gesellschaft behält.
2. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob eine Einbringung von Unternehmensteilen einen selbständigen Betrieb im Sinne von Artikel 2 Buchstabe i der Richtlinie 90/434, d. h. eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit, betrifft, wenn der künftige Liquiditätsbedarf der übernehmenden Gesellschaft durch einen Betriebskredit eines Kreditinstituts gedeckt werden soll, das u. a. von den Aktionären der übernehmenden Gesellschaft verlangt, das Gesellschaftskapital dieser Gesellschaft bildende Aktien als Sicherheit zu stellen.
Normenkette
EWGRL 434/90 Art. 2 Buchst. c, i
Beteiligte
Verfahrensgang
Vestre Landsret (Dänemark) |
Tatbestand
Rechtsangleichung - Richtlinie 90/434/EWG - Gemeinsames Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen - Einbringung von Unternehmensanteilen oder eines Teilbetriebs - Begriffe
In der Rechtssache C-43/00
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Vestre Landsret (Dänemark) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Andersen og Jensen ApS
gegen
Skatteministeriet
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 2 Buchstaben c und i der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (ABl. L 225, S. 1),
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter S. von Bahr, A. La Pergola, L. Sevón und C. W. A. Timmermans,
Generalanwalt: A. Tizzano
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Andersen og Jensen ApS, vertreten durch M. Serup, advokat,
- des Skatteministeriet und der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten im Beistand von K. Lundgaard Hansen, advokat,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. P. Hartvig und H. Michard als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Andersen og Jensen ApS, des Skatteministeriet, der dänischen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 27. Juni 2001,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. September 2001,ss
folgendes
Urteil
1. Der Vestre Landsret hat mit Beschluss vom 9. Februar 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Februar 2000, gemäß Artikel 234 EG vier Fragen nach der Auslegung von Artikel 2 Buchstaben c und i der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (ABl. L 225, S. 1, im Folgenden: Richtlinie), zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Gesellschaft Andersen og Jensen ApS und dem Skatteministeriet (dänisches Finanzministerium) wegen der steuerlichen Behandlung der Einbringung von Unternehmensteilen.
Rechtlicher Rahmen des Ausgangsrechtsstreits
Gemeinschaftsrecht
3. Mit der Richtlinie wurde eine gemeinsame steuerliche Regelung für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensanteilen und den Austausch von Anteilen unter Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten geschaffen. Laut der vierten Begründungserwägung der Richtlinie muss diese Regelung eine Besteuerung anlässlich einer Fusion, Spaltung, Einbringung von Unternehmensteilen oder eines Austauschs von Anteilen vermeiden und zugleich die finanziellen Interessen des Staates der einbringenden oder erworbenen Gesellschaft wahren.
4. Artikel 2 der Richtlinie bestimmt:
Im Sinne dieser Richtlinie ist
…
c) 'Einbringung von Unternehmensteilen' der Vorgang, durch den eine Gesellschaft, ohne aufgelöst zu werden, ihren Betrieb insgesamt oder einen oder...