Entscheidungsstichwort (Thema)
Verminderung der landwirtschaftlichen Kartoffelproduktion gegen eine öffentliche Vergütung ist keine Dienstleistung
Leitsatz (redaktionell)
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Reduzierung der Kartoffelproduktion durch einen Landwirt eine Dienstleistung nach Artikel 6 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie darstellt und ob die hierfür erhaltene Vergütung Entgelt im Sinne des Artikels 11 der 6. EG-Richtlinie ist.
Der EuGH hat wie zuvor im Urteil vom 29.2.1996, C-215/94 (Jürgen Mohr) für die Aufgabe der Milcherzeugung entschieden, daß die Verpflichtung zur Reduzierung der Kartoffelproduktion, die ein Landwirt zum Erhalt einer öffentlichen Vergütung eingeht, keine Dienstleistung darstellt. Die erhaltene Vergütung ist demnach nicht umsatzsteuerpflichtig. Nach der Entscheidung erbringt der Landwirt keinem identifizierbaren Verbraucher gegenüber eine Dienstleistung. Er verschaffe keinen Vorteil, der einen Kostenfaktor in der Tätigkeit eines anderen Wirtschaftsbeteiligten bilden könnte.
Beteiligte
Landboden-Agrardienste GmbH & Co. KG |
Gründe
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
„Mehrwertsteuer – Begriff der Dienstleistung – Zuwendung zur Extensivierung der Kartoffelproduktion”
In der Rechtssache C-384/95
betreffend ein dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EG-Vertrag vom Finanzgericht des Landes Brandenburg (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Landboden-Agrardienste GmbH & Co. KG
gegen
Finanzamt Calau
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 6 Absatz 1, 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a und 12 Absatz 3 Buchstabe a sowie des Anhangs H der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)
erläßt
Der Gerichtshof (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann (Berichterstatter) sowie der Richter M. Wathelet, J. C. Moitinho de Almeida, J.-P. Puissochet und L. Sevón,
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder und Oberregierungsrat Bernd Kloke, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater Jürgen Grunwald als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen des Finanzamts Calau, vertreten durch Regierungsdirektor Andreas Damm, Finanzministerium des Landes Brandenburg, als Bevollmächtigten, der deutschen Regierung, vertreten durch Ernst Röder im Beistand von Oberamtsrat Ferdinand Huschens, Bundesministerium der Finanzen, als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch Jürgen Grunwald, in der Sitzung vom 15. Mai 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. September 1997,
folgendes
Urteil
1 Das Finanzgericht des Landes Brandenburg (Deutschland) hat mit Beschluß vom 8. November 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Dezember 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 6 Absatz 1, 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a und 12 Absatz 3 Buchstabe a sowie des Anhangs H der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; nachstehend: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Landboden-Agrardienste GmbH & Co. KG (nachstehend: Landboden-Agrardienste) und dem Finanzamt Calau darüber, ob eine für die Extensivierung der Kartoffelproduktion gezahlte nationale Zuwendung der Umsatzsteuer unterliegt.
3 Am 1. Januar 1991 wurde die Landboden-Agrardienste Rechtsnachfolgerin der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft – LPG – (P) Bronkow.
4 Im Jahr 1990 hatte die Kreisverwaltung Calau, Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der LPG eine Zuwendung gemäß der Anordnung vom 13. Juli 1990 über die Förderung der Extensivierung der landwirtschaftlichen Erzeugung bewilligt. Die Zuwendung in Höhe von insgesamt 348 660 DM wurde für die Verringerung der Jahreskartoffelerzeugung der LPG um 20 % gewährt. In ihrer Steuererklärung für das Jahr 1990 wurde diese Zuwendung als nicht umsatzsteuerbar behandelt.
5 Bei einer Sonderprüfung vertrat das Finanzamt Calau jedoch die Auffassung, daß die Zuwendung der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei; folglich setzte es am 1. Juni 1992 eine zusätzliche Umsatzsteuerschuld fest und richtete an die Landboden-Agrardienste einen geänderten Umsatzsteuerbescheid.
6 Nachdem der auf Änderung dieses Steuerbescheids gerichtete Einspruch zurückgewiesen worden war, machte die Landboden-Agrardienste de...