Entscheidungsstichwort (Thema)
Schenkungsteuer, Steuerbefreiung, In anderem Mitgliedstaat belegenes Landgut
Leitsatz (amtlich)
Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen ‐ nach denen eine Befreiung von der Schenkungsteuer bezüglich bestimmter Anwesen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum kulturhistorischen nationalen Erbe geschützt sind, auf im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats belegene Anwesen beschränkt ist ‐ nicht entgegensteht, sofern diese Befreiung dann nicht ausgeschlossen ist, wenn es sich bei diesen Anwesen trotz des Umstands, dass sie in einem anderen Mitgliedstaat belegen sind, um Anwesen handelt, die zum kulturhistorischen Erbe dieses Mitgliedstaats gehören.
Normenkette
AEUV Art. 63
Beteiligte
Staatssecretaris van Financien |
Verfahrensgang
Raad van State (Niederlande) (Beschluss vom 13.03.2013; ABl. EU 2013, Nr. C 171/13) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Steuerrecht ‐ Schenkungsteuer ‐ Befreiung im Fall eines ‚Landguts‘ ‐ Keine Befreiung im Fall eines in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Landguts“
In der Rechtssache C-133/13
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Raad van State (Niederlande) mit Entscheidung vom 13. März 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 18. März 2013, in dem Verfahren
Staatssecretaris van Economische Zaken,
Staatssecretaris van Financiën
gegen
Q
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter), A. Arabadjiev und J. L. da Cruz Vilaça,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2014,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Q, vertreten durch A. Bakker und D. Smit im Beistand von M. Hamer, advocaat,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch B. Koopman, K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
‐ der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,
‐ der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und J.-S. Pilczer als Bevollmächtigte,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brighouse als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Barrister,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und W. Mölls als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 2. Oktober 2014,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 63 AEUV.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Staatssecretaris van Economische Zaken (Staatssekretär für Wirtschaft) und dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen) einerseits und Q andererseits wegen der Weigerung der niederländischen Behörden, ein in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich der Niederlande belegenes Anwesen der Betroffenen als Landgut („landgoed“) einzustufen, wodurch ihr die Möglichkeit vorenthalten wird, eine Steuerbefreiung bezüglich der von ihr beabsichtigten Schenkung zu erlangen.
Niederländisches Recht
Rz. 3
Art. 1 des Erbschaftsgesetzes von 1956 (Successiewet 1956, im Folgenden: Erbschaftsgesetz) bestimmt:
„(1) Nach diesem Gesetz werden folgende Steuern erhoben:
…
2. Schenkungsteuer auf den Wert all dessen, was durch Schenkung von einer Person erworben wird, die ihren Wohnsitz zum Zeitpunkt der Schenkung in den Niederlanden hatte;
…“
Rz. 4
In Art. 5 des Erbschaftsgesetzes heißt es:
„…
(2) Die Schenkungsteuer wird auf das erhoben, was der Schenkungsempfänger, gegebenenfalls nach Abzug mit der Schenkung verbundener Belastungen und Verpflichtungen zugunsten des Schenkers oder eines Dritten, erwirbt.“
Rz. 5
Art. 1 des Gesetzes von 1928 über die Naturschönheit (Natuurschoonwet 1928, im Folgenden: Gesetz über die Naturschönheit) bestimmt:
„(1) Im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet der Ausdruck
a) ‚Landgut‘ ein in den Niederlanden belegenes, ganz oder teilweise mit Naturgebieten, Wäldern oder anderen Baumbeständen versehenes Grundstück ‐ einschließlich der Grundstücke, auf denen sich ein Landhaus oder andere zum Charakter des Landguts passende Gebäude befinden ‐, sofern der Fortbestand dieses Grundstücks in seiner charakteristischen Erscheinungsform im Hinblick auf die Erhaltung der Naturschönheit wünschenswert ist;
b) ‚Eigentümer‘
1. den Eigentümer eines Grundstücks, das nicht mit dem beschränkten Recht des Nießbrauchs oder, mit Ausnahme der Fälle nach Abs. 3, der Erbpacht belastet ist;
2. den Nießbraucher oder, mit Ausnahme der Fälle nach Abs. 3, den Erbpächter;
c) ‚wirtschaft...