Entscheidungsstichwort (Thema)
Gestaltung zur Erlangung des Vorsteuerabzugs, keine Anzahlungsbesteuerung bei in der Zukunft liegenden, aber noch unbestimmten Umsätzen
Leitsatz (amtlich)
Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in ihrer durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 geänderten Fassung erfasst nicht pauschale Vorauszahlungen wie die im Ausgangsverfahren fraglichen, die für Gegenstände geleistet werden, die gattungsmäßig in einer Liste angeführt werden, die jederzeit im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Käufer und Verkäufer geändert werden kann und von der der Käufer gegebenenfalls Artikel auf der Grundlage einer Vereinbarung wählen kann, die er jederzeit einseitig mit der Folge kündigen kann, dass ihm der nicht verwendete Teil der Vorauszahlung in voller Höhe erstattet wird.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 2
Beteiligte
BUPA Hospitals und Goldsborough Developments |
Goldsborough Developments Ltd |
Commissioners of Customs & Excise |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Artikel 10 Absatz 2 ‐ Mehrwertsteueranspruch ‐ Leistung von Anzahlungen ‐ Vorauszahlungen für künftige Lieferungen von pharmazeutischen Erzeugnissen und Prothesen“
In der Rechtssache C-419/02
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 8. November 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 20. November 2002, in dem Verfahren
BUPA Hospitals Ltd,
Goldsborough Developments Ltd
gegen
Commissioners of Customs & Excise
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Schiemann und J. Makarczyk, der Richter S. von Bahr (Berichterstatter) und J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Lenaerts, P. Kũris, E. Juhász und G. Arestis,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der BUPA Hospitals Ltd und der Goldsborough Developments Ltd, vertreten durch R. Venables, QC, im Beistand von T. Lyons, Barrister, beauftragt durch D. Garcia, Solicitor,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. Caudwell als Bevollmächtigte im Beistand von C. Vajda, QC,
‐ Irlands, vertreten durch D. J. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von A. M. Collins, SC,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. April 2005
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 2 Nummer 1, 4 Absätze 1 und 2, 5 Absatz 1, 10 Absatz 2 und 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in ihrer durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der BUPA Hospitals Ltd (im Folgenden: BUPA Hospitals) und der Goldsborough Developments Ltd (im Folgenden: Goldsborough Developments), zweier Gesellschaften des BUPA-Konzerns, einerseits und den Commissioners of Customs & Excise (im Folgenden: Commissioners) andererseits wegen der Weigerung der Letztgenannten, den Erstgenannten den Abzug von Vorsteuer in Höhe von 17,5 Millionen GBP (ungefähr 26,2 Millionen Euro) zu gestatten, die im Rahmen von Vorauszahlungen für künftige, von zwei weiteren Gesellschaften des BUPA-Konzerns auszuführende Lieferungen gezahlt worden war.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt.
4
Nach Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger, wer eine der in Absatz 2 dieses Artikels genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig ausübt. Der Begriff „wirtschaftliche Tätigkeiten“ ist in diesem Absatz 2 definiert als alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden, u. a. Leistungen, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfassen.
5
Artikel 4 Absatz 4 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie lautet:
„Vorbehaltlich der Konsultation nach ...