Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzungsverfahren, Steuerbefreiung, Postdienstleistungen, Öffentliche Posteinrichtung, Schweden, Briefmarkenumsätze
Leitsatz (amtlich)
1. Das Königreich Schweden hat dadurch, dass es von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen sowie die Lieferung von im Inland gültigen Postwertzeichen zum aufgedruckten Wert nicht von der Mehrwertsteuer befreit hat, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. a und Art. 135 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen.
2. Das Königreich Schweden trägt die Kosten.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. a, h
Beteiligte
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Mehrwertsteuer ‐ Sechste Richtlinie 77/388/EWG ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 132 Abs. 1 Buchst. a und Art. 135 Abs. 1 Buchst. h ‐ Befreiungen ‐ Öffentliche Posteinrichtungen ‐ Postwertzeichen ‐ Richtlinie 97/67/EG“
In der Rechtssache C-114/14
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 10. März 2014,
Europäische Kommission, vertreten durch J. Enegren und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Königreich Schweden, vertreten durch U. Persson und A. Falk als Bevollmächtigte,
Beklagter,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, T. von Danwitz, J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász, A. Borg Barthet, J. Malenovský und E. Levits,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass das Königreich Schweden dadurch, dass es von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen sowie die Lieferung von im Inland gültigen Postwertzeichen zum aufgedruckten Wert nicht von der Mehrwertsteuer befreit hat, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. a und Art. 135 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) verstoßen hat.
Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 2006/112
Rz. 2
Titel IX („Steuerbefreiungen“) der Richtlinie 2006/112 enthält ein Kapitel 2 über „Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“. Darin bestimmt Art. 132 Abs. 1 Buchst. a:
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
a) von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen“.
Rz. 3
Im folgenden Kapitel („Steuerbefreiungen für andere Tätigkeiten“) sieht Art. 135 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2006/112 vor:
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
…
h) Lieferung von in ihrem jeweiligen Gebiet gültigen Postwertzeichen, von Steuerzeichen und von sonstigen ähnlichen Wertzeichen zum aufgedruckten Wert“.
Rz. 4
Die in den Rn. 2 und 3 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen sind inhaltlich identisch mit den früher anwendbaren Bestimmungen von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. a und Teil B Buchst. e der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1), die durch die Richtlinie 2006/112 aufgehoben und ersetzt wurde.
Richtlinie 97/67/EG
Rz. 5
Die Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. 1998, L 15, S. 14) in der durch die Richtlinie 2002/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 (ABl. L 176, S. 21) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 97/67) enthält nach ihrem Art. 1 gemeinsame Vorschriften u. a. für die Bereitstellung eines postalischen Universaldienstes in der Europäischen Gemeinschaft und die Kriterien zur Abgrenzung der für die Anbieter von Universaldienstleistungen reservierbaren Dienste.
Rz. 6
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 97/67 lautet:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Nutzern ein Universaldienst zur Verfügung steht, der ständig flächendeckend postalische Dienstleistung...