Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung. Änderung eines Steuerbescheides nach § 174 Abs. 3 AO. Nachholung der Aufdeckung stiller Reserven bei Einbringung in eine vermeintlich gewerblich geprägte Personengesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Stellt sich die von Finanzamt und Steuerpflichtigen einvernehmlich vertretene Annahme, dass es sich bei einer GbR um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft handele, aufgrund später ergangener BFH-Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen als unrichtig heraus, so kann die damals gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG –unberechtigt– unterbliebene Versteuerung der im Betriebsvermögen des in die GbR eingebrachten Einzelunternehmens ruhenden stillen Reserven nicht durch Änderung des Steuerbescheides des Einbringungsjahres nach § 174 Abs. 3 AO nachgeholt werden.
2. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem BMF-Schreiben vom 28.8.2001 (BStBl I 2001, 614), denn dieses regelt die Besteuerung verschiedener, und nicht wie in § 174 Abs. 3 AO gefordert, nur eines bestimmten Sachverhalts.
3. Die Vollziehung des Änderungsbescheids (Leitsatz 1) war im Streitfall wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen.
Normenkette
AO 1977 § 174 Abs. 3 S. 1; EStG 1986 § 15 Abs. 3 Nr. 2; UmwStG 1977 § 24 Abs. 3 S. 1; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Vollziehung des Bescheids über die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 1986 vom 12. September 2002 (StNr.: …) wird ausgesetzt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 15.115 EUR.
4. Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob ein Steuerbescheid noch geändert werden darf.
Die Antragstellerin übte unter der Firma „O. E., X-Fabrik, Sitz V., Inhaberin O. E.” eine gewerbliche Tätigkeit selbständig aus. Zum Anlagevermögen des Betriebs gehörte u. a. das Grundstück A-Weg (künftig: Grundstück) in V. Außerdem war die Antragstellerin Gesellschafterin und die einzige Geschäftsführerin der E. GmbH (künftig: GmbH).
Mit Schreiben vom 5. November 1986 teilten die damaligen Bevollmächtigten dem Antragsgegner mit, die Antragstellerin beabsichtige, den Handel mit Lederwaren aufzugeben. Sie möchte aber die Versteuerung der stillen Reserven des Grundstücks zum jetzigen Zeitpunkt vermeiden. Die Antragstellerin und die GmbH würden deshalb eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gründen. In diese solle die Antragstellerin schließlich das Grundstück einbringen.
Die Bevollmächtigten legten dem Antragsgegner ferner den Entwurf eines Gesellschaftsvertrags vor. Dieser sollte danach u. a. die folgenden Abreden enthalten:
„Vertrag
1. Vorbemerkung
… (Die Antragstellerin) will … (ihre) Einzelfirma in eine Personengesellschaft einbringen. Gesellschafter … werden die … GmbH … und … (die Antragstellerin).
2. Einbringung
… Die Übertragung erfolgt zu den ertragsteuerlichen Buchwerten. Als Gegenwert und auch für den … Grundbesitz erhält … (die Antragstellerin) ihre Beteiligung an der Gesellschaft in Höhe von 999/1000.
… Stichtag für die Übertragung und Übergabe des Einzelunternehmens ist der 31. Dezember 1986…
3. Gesellschaftsvertrag
… § 1 Rechtsform, Name
(1) Die Gesellschaft hat die Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und wird bezeichnet mit E., Grundstücksgesellschaft GbR.
… § 2 Gegenstand des Unternehmens
(1) Gegenstand der Gesellschaft ist die Verwaltung und Nutzung des der Gesellschaft gehörigen und künftig zu erwartenden Vermögens, insbesondere von Grundstücken und sonstigem betrieblichen Anlagevermögen.
… § 3 Gesellschafter- und Kapitalbeteiligung
Die Gesellschafter sind mit den nachfolgenden Quoten beteiligt:
|
Quoten |
a) … GmbH … |
1/1000 |
b) … (Antragstellerin) … |
999/1000 |
… § 6 Geschäftsführung und Vertretung
(1) Zur Führung der Geschäfte ist die … GmbH allein berechtigt und verpflichtet … Den anderen Gesellschaftern steht kein Geschäftsführungsrecht zu. Die Haftung der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft wird auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Die Geschäftsführer können deshalb Verpflichtungen für die Gesellschafter nur unter Beschränkung auf diese Haftung eingehen. Die Geschäftsführer sind verpflichtet, beim Abschluss von Darlehensverträgen und bei der Eingehung anderer Verbindlichkeiten jeder Art. zu Lasten der Gesellschaft die vorstehende Vereinbarung über die Haftungsbeschränkung mit dem Gläubiger zu treffen.
(2) Die Geschäftsführungsbefugnis erstreckt sich auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsverkehr mit sich bringt. Darüber hinausgehende Handlungen bedürfen der Zustimmung aller Gesellschafter.
… § 9 Beteiligung am Gewinn, Verlust und Vermögen
(1) Ein Gewinn oder ein Verlust werden auf die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beteiligungsquoten (§ 3) verteilt.
(2) Vor Verteilung des nach Absatz 1 aufzuteilenden Gewinns bzw. Verlustes erhalten die Gesellschafter als Voraus:
a) ...