Entscheidungsstichwort (Thema)
Kürzung der Pendlerpauschale nicht verfassungswidrig. Entgegen Vorlagebeschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27.2.2007, Az. 8 K 549/06
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei den Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handelt es sich nicht um originäre Werbungskosten. Sie wurden bisher lediglich durch das Einkommensteuergesetz den Werbungskosten gleichgestellt.
2. Dem Gesetzgeber ist es nicht von Verfassungswegen verwehrt, Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vom Werbungskostenabzug auszuschließen.
3. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung einfachgesetzlichen Rechts auch die Befugnis, eine einfachgesetzliche „Tradition” zu ändern.
4. Die bisherige steuerliche Anerkennung der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist als Ausnahme vom Abzugsverbot des § 12 Abs. 1 Nr. 2 EStG als eine Steuervergünstigung (Subvention) zu werten. Dies wird im Vorlagebeschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27.2.2007, Az. 8 K 549/06, nicht ausreichend berücksichtigt.
5. Mit der Neuregelung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG 2007 hat der Gesetzgeber folgerichtig alle Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als privat veranlasst qualifiziert und damit auch das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sowie das objektive Nettoprinzip gewahrt.
6. Der Umstand überdurchschnittlicher Entfernung (bei sog. Fernpendlern) wird durch eine „Härteregelung” subventioniert; bei Entfernungen über 20 km können Aufwendungen in Höhe von 0,30 EUR pro Entfernungskilometer wie Werbungskosten abgezogen werden. Aus dem Wort „wie” ist ersichtlich, dass es sich hierbei nicht um Werbungskosten handelt, sondern um eine Subvention, die veranlagungstechnisch „wie Werbungskosten” zu behandeln ist
Normenkette
EStG (i.d.F. des StÄndG 2007) § 9 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wohnt in X und bezieht als angestellter Bäckermeister Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seine Arbeitsstelle befindet sich in Y.
In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung 2007 vom 23.10.2006 machte der Kläger eine Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten geltend. Die Entfernungspauschale ermittelte er wie folgt:
220 Fahrten × einfache Entfernung 70 km × 0,30 EUR = 4.620 EUR. |
Dem Antrag wurde unter Hinweis auf § 9 Abs. 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 nur teilweise entsprochen. Auf der Lohnsteuerkarte des Klägers wurde ein Freibetrag in Höhe von 2.380 EUR (Jahresbetrag) eingetragen. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt:
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220 Fahrten × 50 km × 0,30 EUR = |
3.300 EUR |
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abzüglich Arbeitnehmer-Pauschbetrag |
920 EUR |
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ergibt |
2.380 EUR. |
Gegen den Bescheid über die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte 2007 vom 23.10.2006 legte der Kläger am 30.10.2006 Einspruch ein und machte auch für die nicht berücksichtigten 20 km den Ansatz der Entfernungspauschale geltend. Die gesetzliche Regelung in § 9 Abs. 2 EStG sei verfassungswidrig. Sie verstoße gegen das sogenannte Nettoprinzip, wonach nur dasjenige der Besteuerung zu unterwerfen sei, was nach Abzug der Erwerbsaufwendungen von den Einnahmen zur freien Verfügung übrig bleibe. Dies gebiete auch die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gehörten zu den notwendigen Erwerbsaufwendungen. Sie seien deshalb bereits ab dem ersten Kilometer beruflich veranlasst. Die Arbeitsstelle seiner Ehefrau befinde sich in entgegen gesetzter Richtung zu seiner Arbeitsstelle. Die Verlegung der gemeinsamen Wohnung an die Arbeitsstätte des einen Ehegatten würde eine Verlängerung der Wegstrecke des anderen Ehegatten bedeuten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 14.11.2006 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung führt u. a. aus: Der angefochtene Verwaltungsakt entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Die Arbeitssphäre beginne nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung zukünftig erst an der Arbeitsstätte (sog. Werkstorprinzip). Die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte würden demzufolge der Privatsphäre zugerechnet. Dem Umstand überdurchschnittlicher Entfernungen (sog. Fernpendler) werde dadurch Rechnung getragen, dass Aufwendungen für mehr als 20 Entfernungskilometer mit 0,30 EUR pro Entfernungskilometer wie Werbungskosten abgezogen werden könnten.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 21.11.2006 Klage erhoben und diese mit Schreiben vom 30.01.2007 u. a. wie folgt begründet: Die Klage richte sich gegen den Bescheid über die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte 2007 vom 23.10.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2006. Mit diesem Bescheid sei dem Kläger unter Berufung auf die Neufassung des § 9 Abs. 2 EStG die Eintragung eines Werbungskostenfreibetrags insoweit versagt worden,...