Entscheidungsstichwort (Thema)
Heilung eines Formmangels in Einspruchsentscheidung nach Einlegung einer Untätigkeitsklage. Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 1993
Leitsatz (amtlich)
Formmängel i.S. von § 126 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AO 1977 können durch eine Einspruchsentscheidung auch dann noch geheilt werden, wenn der Einspruchsführer zuvor eine Untätigkeitsklage erhoben hat (hier: Nachholung einer ausreichenden Begründung zur Festsetzung eines Verspätungszuschlags als einer Ermessensentscheidung).
Normenkette
AO 1977 § 126 Abs. 1 Nr. 2, § 5; FGO § 46 Abs. 1; AO 1977 § 126 Abs. 2, § 152
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen bis zum 30. Juni 1998 der Kläger zu 42 v.H. und der Beklagte zu 58 v.H., die danach entstandenen Kosten trägt der Kläger.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Verspätungszuschlags.
Der Kläger reichte die unter Mitwirkung des Prozeßbevollmächtigten (Pb) gefertigte ESt-Erklärung 1993 nicht innerhalb der gewährten Fristverlängerung (31. Dezember 1995), sondern trotz Ablehnung einer weitergehenden Fristverlängerung – nach Androhung eines Zwangsgelds – erst am 12. Juli 1996 ein. Die Erklärung und die beigefügte Einnahmeüberschußrechnung trugen jeweils das Datum 22. November 1995. Im ESt-Bescheid 1993 vom 21. Januar 1997, der zu einer Steuernachzahlung von DM führte, setzte der Beklagte neben der Steuerschuld (DM) einen Verspätungszuschlag i. H. v. DM und Zinsen zur ESt i.H.v. DM fest. Der Bescheid enthielt unter „Erläuterungen” u. a. folgendes: „Der Verspätungszuschlag wurde wegen Nichtabgabe/verspäteter Abgabe der Steuererklärung/Steueranmeldung festgesetzt. Mit dem rechtzeitigen Einspruch trug der Pb sinngemäß vor, der Verspätungszuschlag leide an einer Vielzahl von Formmängeln und sei völlig überzogen, weil das Finanzamt die Erklärung ein halbes Jahr nicht bearbeitet habe. Im übrigen erlasse das Finanzamt auch sonst rechtswidrige Festsetzungen von Verspätungszuschlägen mit der Folge zeitaufwendiger Rechtsbehelfsverfahren. Durch das Verhalten der Behörde werde er an der rechtzeitigen Ausarbeitung und fristgerechten Abgabe von Steuererklärungen gehindert. Der Beklagte legte mit Schreiben vom 7. Februar 1997 – auf das verwiesen wird – die Gründe für die Festsetzung des Zuschlags dar und forderte den Pb auf, den Einspruch weiter zu begründen. Dieser führte mit Schreiben vom 8. März 1997 im wesentlichen aus, die personelle Situation in seiner Kanzlei sei ursächlich für die Verzögerung, dies müsse – da amtsbekannt – nicht stets wiederholt werden. Im übrigen habe der Steuerpflichtige aus der verspäteten Abgabe wegen der Verzinsung keinen Vorteil gezogen. Mit der am 24. März 1998 erhobenen Untätigkeitsklage wurde zudem vorgetragen, der Verspätungszuschlag sei angesichts des bei der Festsetzung bekannten Einkommens des Klägers überhöht. Der Beklagte habe den Zuschlag nicht nur unzulänglich, sondern überhaupt nicht begründet.
In der – nicht aufgrund einer Fristsetzung gemäß § 46 Abs. 1 FGO ergangenen – Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 1998 reduzierte der Beklagte den Verspätungszuschlag auf DM und führte zur Begründung im wesentlichen folgendes aus: Die Erklärungsfrist sei um 225 Tage und damit um eine außerordentlich lange Zeit überschritten worden. Die Fristüberschreitung erscheine geradezu als unentschuldbar, weil für eine bereits fertige Erklärung nochmals Fristverlängerung beantragt und bis zum 31. Dezember 1995 gewährt worden, diese gleichwohl mit erheblicher Verspätung eingereicht worden sei. Daraus folge, daß die Festsetzung des Zuschlags ein notwendiges und geeignetes Mittel sei, um den Kläger zur rechtzeitigen Abgabe der Erklärungen anzuhalten. Die Fristüberschreitung sei auch ursächlich für die späte Festsetzung und Nacherhebung der Steuer, welche zu einer außerordentlich hohen Nachzahlung von rund 67,5 v. H. der vollen Jahressteuer geführt habe. Die Bearbeitungsdauer von rund sieben Monaten sei nicht zu beanstanden. Das Finanzamt sei nicht verpflichtet solche Erklärungen vorrangig zu behandeln, denn dies würde erst recht zu einer Störung der laufenden Veranlagung führen. Bei dem Zuschlag handele es sich um einen „reinen Druckzuschlag.” Bei dessen Bemessung legte der Beklagte – da trotz Anhörung keine Angaben gemacht wurden – den Jahresgewinn 1995 von rund 30 TDM und die USt-Voranmeldung des 1. Quartals 1998 (mit 8 TDM) zugrunde und ging demzufolge von einer relativ geringen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers aus. Der Zuschlag führe aber gleichwohl zu keiner übermäßigen wirtschaftlichen Belastung, sei zugleich aber ein spürbares und angemessenes Druckmittel. Außerdem bewege er sich mit 1,46 v.H. der festgesetzten Steuer am untersten Bereich des gesetzlichen Rahmens. Entschuldigungsgründe seien nicht nachgewiesen. Der diesbezügliche Vortrag des Pb – dem Finanzamt se...