Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung der Überlassung eines digitalen Datenträgers bei der Außenprüfung eines Steuerberaters. Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch bei Betrieben, die keine Großbetriebe sind, ist eine Anschlussprüfung zulässig (§ 4 Abs. 3 S. 3 BPO), sofern ein sachlicher Grund vorliegt.
2. Die Tätigkeit eines Steuerberaters steht einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO nicht entgegen, da eine Außenprüfung auch bei Personen zulässig ist, die Berufsgeheimnisse wahren müssen.
3. Die Bestimmung des Prüfers für eine Außenprüfung ist kein anfechtbarer Verwaltungsakt.
4. § 147 Abs. 6 AO ermöglicht einem Außenprüfer zu verlangen, dass ein maschinell verwertbarer Datenträger zur Nutzung überlassen wird. Dies umfasst das Recht, den Datenträger aus der Sphäre des Steuerpflichtigen zu entfernen und im FA auszuwerten.
5. Die Überlassung eines maschinell verwertbaren Datenträgers setzt nicht voraus, dass der Außenprüfer die Rückgabe des Datenträgers bzw. dessen Löschung zusagt.
6. § 147 Abs. 6 Satz 2 AO bestimmt den sachlichen Anwendungsbereich der Anordnung der Überlassung eines Datenträgers bei einer Außenprüfung, begrenzt den Datenzugriff jedoch nicht auf die Dauer der Außenprüfung.
7. Die Anordnung einer Datenträgerüberlassung verstößt weder gegen Grundrechte, noch gegen Europarecht, noch gegen § 9 Abs. 3 und 5 LDSG. Dies gilt auch dann, wenn auf dem Datenträger geschützte Mandantendaten gespeichert sind. Es ist Aufgabe des Steuerberaters, die Datenbestände so zu organisieren, dass bei einer zulässigen Einsichtnahme in die steuerlich relevanten Datenbestände keine geschützten Bereiche tangiert werden.
8. Die Anforderung der Überlassung eines Datenträgers gemäß § 147 Abs. 6 AO verletzt nicht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
9. Der Antrag, festzustellen, dass die Speicherung von Daten für einen Zeitraum, der über den Prüfungszeitraum hinausgeht, rechtswidrig ist, ist unzulässig.
Normenkette
AO § 147 Abs. 6, § 193 Abs. 1, § 197 Abs. 1; BpO § 4; GG Art. 2-3, 12 Abs. 2; LDSG § 9 Abs. 3; RL 95/46/EG Art. 6 Abs. 1b, Art. 13 Abs. 1e
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger (Kl) ist ein seit dem 1. Januar 2006 in der Rechtsform eines Einzelunternehmens selbständig tätiger Steuerberater in A. Bis zum 31. Dezember 2005 war er Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft bürgerlichen Rechts. Er hatte ferner ein von ihm als „rep.office” bezeichnetes Büro in B (China). 2010 gründete der Kl eine „limited” in China. Weitere Büros hatte der Kl in C und D (Schweiz). Diese gab er aus berufsrechtlichen und organisatorischen Gründen im Zuge der Neuausrichtung der Kanzlei mit Austritt des früheren Mitgesellschafters auf. Kooperationspartner hat er in E (Schweiz) / F (USA). Wegen der Einzelheiten wird auf den Bilanzbericht zum 31. Dezember 2006 Bezug genommen (Bilanzakten Bd. I 2006, S. 6). Seinen Gewinn ermittelt er nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).
Mit Schreiben vom 19. Juli 2011 ordnete der Beklagte (Bekl) eine Außenprüfung (Ap) beim Kl wegen gesonderter Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit und Umsatzsteuer 2006 – 2008 an. Die Prüfung sollte, wie telefonisch besprochen, am 4. August 2001 um 14 Uhr in den Betriebsräumen des Kl beginnen. Als Prüfer waren Herr X und Frau Y vorgesehen. Ferner führte der Bekl aus:
„Die Gewinnermittlung 2006 und 2007 mit Kontennachweisen und Anlageverzeichnissen für „Z / B (China)” ist noch vorzulegen.
Zur Prüfung werden die Daten in digitaler Form auf einem maschinell verwertbaren Datenträger, entsprechend den Grundsätzen zum Datenzugriff digitaler Unterlagen (GDPdU), benötigt (§ 147 Abs. 6 S. 2 AO).”
Wegen der Einzelheiten wird auf die Prüfungsanordnung vom 19. Juli 2011 Bezug genommen (Rechtsbehelfs(Rb)-Akte, S. 1).
Hiergegen legte der Kl Einspruch ein.
Mit Schreiben vom 12. August 2011 ergänzte der Bekl die Prüfungsanordnung wie folgt: „Als Prüfungsbeginn ist der 12.09.2011 um 9.00 Uhr im Büro … vorgesehen.
Als Prüfer sind Herr X, Finanzamt A und Herr P, Zentrales Konzernprüfungsamt M -Auslandsfachprüfung- vorgesehen. …
Die Gewinnermittlung 2006 und 2007 mit Kontennachweisen und Anlageverzeichnissen für „Z / B (China)” und die Gewinnermittlung 2006 für „Z / D (Schweiz)” ist noch vorzulegen.
Ergänzend wird auf die beigefügte Stellungnahme zu Ihrem Einspruch vom 25.07.2011 hingewiesen.”
Der Bekl führte in der Stellungnahme im Wesentlichen aus, infolge des Rechtsformwechsels handle es sich nicht um eine Anschlussprüfung. Im Übrigen lägen sachliche Gründe für eine Anschlussprüfung vor, z.B. der Auslandssachverhalt „Repräsentationsbüro B (China)”, Wechsel der Gewinnermittlungsart, Übergangsverlust und notwendiges Betriebsvermögen. Ferner nahm der Bekl zu seinem Ermessen und zur Aufforderung zur Bereitstellung eines digital verwertbaren Datenträgers Stellung. Wegen der ...