Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreiben einer Kindertagesstätte durch eine Stadt als Betrieb gewerblicher Art
Leitsatz (redaktionell)
Eine juristische Person des öffentlichen Rechts (hier: eine Stadt) wird beim Betrieb einer Kindertagesstätte unternehmerisch tätig, da die Aufnahme der Kinder auf privatrechtlicher Grundlage durch Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages erfolgt.
Normenkette
UStG 1980 § 2 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist die … (GmbH), … die Wohnungen errichtet, bewirtschaftet und vermietet. Die Klägerin kann sich an anderen Unternehmen beteiligen, wenn dies öffentlichen Zwecken dient. Im Streitjahr 1990 war die Klägerin zu 100 v.H. an der … (Bauträger GmbH) beteiligt, zu der ein Organschaftsverhältnis gemäß § 2 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bestand. Die … GmbH begann im Streitjahr mit der Errichtung eines Gebäudes, in dessen Erdgeschoss eine Kindertagesstätte eingerichtet und an die Stadt … (Stadt) verpachtet werden sollte. Mit der Umsatzsteuerklärung 1990 beantragte die Klägerin den Abzug der auf den Bau der Kindertagesstätte entfallenden Vorsteuern in Höhe von 1 743 DM. Die Klägerin wies darauf hin, dass sie beabsichtige, auf die Steuerbefreiung der Verpachtungsumsätze zu verzichten. Entsprechend hat die GmbH mit den Umsatzsteuererklärungen für die Folgejahre den Abzug der entsprechenden (deutlich höheren) Vorsteuern beantragt.
Die Kindertagesstätte ist seit Mitte 1993 in Betrieb. Die Stadt hat die entsprechenden Räume wie vorgesehen von der Bauträger GmbH angemietet. Die Kindertagesstätte umfasst 60 Ganztagesbetreuungsplätze, in der in vier Gruppen jeweils Kinder vom Säuglingsalter bis zum Eintritt in die Schulpflicht aufgenommen werden. Die Aufnahme erfolgt durch Abschluss eines Vertrages. Auf die von der Stadt vorgelegten Unterlagen wird Bezug genommen (Bl. 42 ff der FG-Akten). Der Elternbeitrag betrug 1993 für Kinder unter 3 Jahre 590 DM und für Kinder über 3 Jahre 390 DM und wurde in den Folgejahren erhöht. Im Jahr 1996 wurden für die Kindertagesstätte insgesamt Elternbeiträge in Höhe von 328 260 DM eingenommen. Im Haushalt der Stadt wurde die Kindertagesstätte zunächst in dem Unterabschnitt „Kinderkrippen” und danach in dem Unterabschnitt „Kindertageseinrichtungen” geführt.
Im Anschluss an eine Außenprüfung setzte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) die Umsatzsteuer 1990 durch geänderten Bescheid vom 22. Oktober 1993 auf 85 550 DM fest und ließ die auf den Bau der Kindertagesstätte entfallende Vorsteuer nicht zum Abzug zu. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FA war unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Finanzministeriums Baden-Württemberg zum Vorsteuerabzug beim Bau von kommunalen Kindergärten der Auffassung, auf die Steuerbefreiung der Verpachtungsumsätze könne nicht verzichtet werden, da der Umsatz nicht gemäß § 9 Abs. 1 UStG an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt worden sei. Die Stadt sei in bezug auf den Betrieb der Kindertagesstätte nicht als Unternehmerin gemäß § 2 Abs. 3 UStG (Betrieb gewerblicher Art) tätig. Die Besteuerung eines Betriebs gewerblicher Art habe den Zweck, steuerlich bedingte Wettbewerbsvorteile öffentlich-rechtlicher Körperschaften zu verhindern und sie in Bereichen, in denen sie in Konkurrenz zu Privaten träten, steuerlich gleichzustellen. Kindergärten und Kindertagesstätten –für die das gleiche wie für Kindergärten gelte– seien jedoch, soweit sie von Personen des Privatrechts betrieben würden, gemäß § 68 Nr. 1 b Abgabenordnung (AO) Zweckbetriebe. Ihre Einrichtung sei in der Regel auf die Verwirklichung gemeinnütziger Zwecke gerichtet, so dass auch der (private) Betreiber eines Kindergartens keiner Ertragsteuerpflicht unterliege. Mithin ergebe sich für eine öffentlich-rechtliche Körperschaft als Betreiber eines Kindergartens kein steuerlicher Wettbewerbsnachteil. Die Annahme eines Betriebs gewerblicher Art widerspreche somit dem Gesetzeszweck.
Mit der dagegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend, die Stadt sei bei dem Betrieb der Kindertagesstätte nicht hoheitlich tätig. Es handele sich um einen Betrieb gewerblicher Art mit der Folge, dass die Bauträger GmbH auf die Steuerbefreiung verzichten könne.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Umsatzsteuerbescheid vom 22. Oktober 1993 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass weitere Vorsteuern in Höhe von 1.743 DM abzuziehen sind.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA verweist zur Begründung im Wesentlichen auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats einverstanden erklärt
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Das FA hat zu Unrecht den Abzug der strittigen Vorsteuern abgelehnt.
1. Der begehrte Vorsteuerabzug ist nicht gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen. Zwar kann nach dieser Vorschrift u.a. die Steuer für sonstige Leistungen, die de...