rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer in Konkurs gegangenen GmbH als nachträgliche Werbungskosten oder nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung; Grundsatz der Abschnittsbesteuerung
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufwendungen eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers im Zusammenhang mit einer zugunsten einer in Konkurs gegangenen GmbH übernommenen Bürgschaft sind regelmäßig nicht als nachträgliche Werbungskosten des Gesellschafter-Geschäftsführers aus nichtselbständiger Tätigkeit abziehbar.
2. Die Verpflichtung des wesentlich beteiligten Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft aus einer zu ihren Gunsten eingegangenen Bürgschaft ist bei der Ermittlung des Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG - unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung des Bürgen - grundsätzlich bereits dann zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger seinen Anspruch aus der Bürgschaft geltend gemacht hat oder wenn mit einer Inanspruchnahme des Bürgen ernstlich zu rechnen ist.
3. Eine Gewinnermittlung außerhalb des § 17 Abs. 2 EStG ist im EStG nicht vorgesehen. Daraus ergibt sich, dass auch die Berücksichtigung laufender Betriebsausgaben außerhalb der Gewinnermittlung gemäß § 17 Abs. 2 EStG nicht möglich ist.
4. Aufwendungen eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers im Zusammenhang mit der Übernahme einer Bürgschaft zugunsten einer in Konkurs gegangenen GmbH (hier: Tilgungs- und Zinsleistungen) sind nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar. Soweit die Aufwendungen Tilgungsbeträge enthalten, ist ein Abzug nicht möglich, weil die Leistungen dem Gesellschaftverhältnis zuzuordnen sind. Soweit die Aufwendungen Zinsleistungen enthalten, ist ein Abzug nicht möglich, weil die GmbH aufgelöst ist und die Kapitalanlage damit keine Erträge mehr bringt.
5. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hat die Finanzbehörde in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als unzutreffend erkannte Rechtsauffassung muss die Finanzbehörde zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte.
6. Eine unzutreffende Rechtsauffassung kann danach für sich genommen keinen Vertrauenstatbestand in der Weise begründen, dass die Behörde auch in späteren Veranlagungszeiträumen an die unzutreffende Auffassung gebunden wäre, ohne dass es auf die Länge der Zeit, während derer die Behörde die unzutreffende Auffassung vertreten hat, ankäme.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 S. 1, § 17 Abs. 2, 4, § 20
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr (1993) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Klägerin war Geschäftsführerin und – mit 50 v. H. der Anteile – Gesellschafterin der … (GmbH). Das Stammkapital der GmbH betrug 100.000 DM. Im November 1981 hatte sich die Klägerin für Darlehensforderungen der … (Sparkasse) gegen die GmbH selbstschuldnerisch verbürgt, da die GmbH nur unzureichende Eigenmittel hatte und die Darlehen der Sparkasse durch die Aktiva der GmbH nicht gedeckt werden konnten. Die Klägerin hatte ferner eine Bürgschaft für Darlehen der … (Schifffahrt-Bank) an die GmbH übernommen. Die Klägerin hatte ihrerseits gegenüber der GmbH aus einem Verrechnungskonto einen (Darlehens-)Anspruch in Höhe von 70.350,78 DM. Im Dezember 1983 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Die Sparkasse nahm die Klägerin aus der Bürgschaft in Höhe von 130.958,43 DM in Anspruch. Die Klägerin leistete einen Teilbetrag von 57.458,43 DM aus eigenen Mitteln. Über den Restbetrag von 73.500 DM nahm die Klägerin bei der Sparkasse ein Darlehen auf, für das der Kläger und … GmbH die gesamtschuldnerische Haftung übernahmen. Die Kläger tilgten bis zum Streitjahr (1993) einen Betrag von rd. 50.000 DM. Das Darlehen war bis dahin mehrfach umgeschuldet und mit anderen Krediten zusammengefasst worden. Auf die Darstellung in der Klageschrift wird Bezug genommen. Die Klägerin wurde ferner von der Schifffahrt-Bank aus der Bürgschaftsverpflichtung in Anspruch genommen. Die Verbindlichkeiten der GmbH betrugen insoweit im Juni 1984 insgesamt 63.542,17 DM. Die Verbindlichkeiten wurden durch Verwertung eines LKW in Höhe von 7.000 DM sowie dadurch getilgt, dass die Klägerin der Schifffahrt-Bank ein privates Sparbuchguthaben in Höhe von 17.764,41 DM übertrug und über den Restbetrag ein Darlehen in Höhe von 40.200 DM einschließlich Bearbeitungsgebühr übernahm.
Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) ließ im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1983 einen Veräußerungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von 122.608 DM und bei den Einkommensteuerveranlagungen 1984 bis 1992 ebenfalls gemäß § 17 Abs. 4 EStG weitere Verlustbeträge in Höhe von insgesamt 250.923 DM zum Abzug zu. Auf die Zusammenstellung in den Rechtsbehelfsakten (ohne Paginierung; eingeheftet im Anschluss an den Schriftsatz des Klägervertreters vom 5. Juli ...