Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugang eines Steuerbescheids bei gemeinsamen Hausbriefkasten. Vorbehalt der Nachprüfung und Nichtigkeit eines Schätzungsbescheids
Leitsatz (redaktionell)
1. Teilt sich der Steuerpflichtige mit einer weiteren Person einen Hausbriefkasten, kann er unter dem Gesichtspunkt der Zugangsvereitelung nicht geltend machen, dass ihm ein Schätzungsbescheid, der an diese Adresse adressiert war, nicht zugegangen sei.
2. Es besteht kein Rechtsanspruch, dass ein Schätzungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen muss.
3. Grobe Schätzungsfehler führen regelmäßig nur zur Rechtswidrigkeit und nicht zur Nichtigkeit eines Schätzungsbescheids.
4. Kommt der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nach, kann sich die Schätzung am oberen Rahmen orientieren.
Normenkette
AO §§ 122, 162, 164 Abs. 1 S. 1; BGB § 242
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Zum 02.11.2001 meldete der Kläger bei der Stadt A das Gewerbe eines „Copy Shops” mit der Betriebsstätte in A, …, an. Die Anschrift des Betriebsinhabers (Kläger) wurde mit B, angegeben.
Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns 2001 für „Copy Shop A” vom 08.01.2003 wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 10.000 DM festgestellt. Der Bescheid ist an den Kläger mit der Anschrift in A, …, adressiert. In den Erläuterungen zum Bescheid heißt es: „Die Besteuerungsgrundlagen wurden gem. § 162 AO geschätzt, da Sie trotz Aufforderung keine Steuererklärung abgegeben haben. Über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags erhalten Sie einen gesonderten Bescheid.” Mit Bescheid vom 08.01.2003 wurde wegen Nichtabgabe der Erklärung zur gesonderten Feststellung des Gewinns 2001 ein Verspätungszuschlag von 25 EUR festgesetzt.
Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns 2002 für „Copy Shop A” vom 02.02.2004 wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 15.000 EUR festgestellt. Der Bescheid ist an den Kläger mit der Anschrift in B, adressiert. In den Erläuterungen zum Bescheid heißt es: „Die Besteuerungsgrundlagen wurden gem. § 162 AO geschätzt, da Sie trotz Aufforderung keine Steuererklärung abgegeben haben. Über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags erhalten Sie einen gesonderten Bescheid.” Mit Bescheid vom 02.02.2004 wurde wegen Nichtabgabe der Erklärung zur gesonderten Feststellung des Gewinns 2002 ein Verspätungszuschlag von 110 EUR festgesetzt.
Am 04.05.2004 reichte der Kläger die Erklärungen zur gesonderten Feststellung des Gewinns für die Jahre 2001 und 2002 beim Finanzamt ein; für 2001 wurde ein Gewinn von 0 DM und für 2002 ein Verlust von 24.136 EUR erklärt. Mit Schreiben vom 11.05.2004 teilte das Finanzamt dem steuerlichen Berater des Klägers mit, die Feststellungsbescheide für 2001 vom 08.01.2003 und für 2002 vom 02.02.2004 seien bestandskräftig. Bei den eingereichten Erklärungen handele es sich um Änderungsanträge. Wegen der Bestandskraft scheide eine Änderung aus. Hiergegen hat der steuerliche Berater mit Schreiben vom 14.05.2004 Einspruch eingelegt und vorgebracht: Die im Schreiben des Finanzamts vom 11.05.2004 angesprochenen Feststellungsbescheide 2001 und 2002 seien beim Kläger nicht angekommen. Eine Zustellung sei somit nicht erfolgt. Damit sei die Einspruchsfrist nicht abgelaufen und die Bescheide seien noch änderbar.
Mit Einspruchsentscheidung vom 21.06.2004 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen; die Einspruchsentscheidung führt u. a. aus: Der Feststellungsbescheid 2001 vom 08.01.2003 sei zusammen mit dem Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags an die Adresse in A, unter der der Kläger seinen Copy Shop betrieben habe, gesandt worden. Dagegen sei der Feststellungsbescheid 2002 vom 02.02.2004 zusammen mit dem Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags an die Adresse in B, unter der der Kläger wohnhaft sei, gesandt worden. Zwar komme es auch unter normalen Postverhältnissen immer wieder vor, dass abgesandte Briefe den Empfänger nicht erreichten. Dass jedoch gleich zwei Briefe, die zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedliche Anschriften gesandt würden, nicht angekommen seien, sei völlig unwahrscheinlich. Hinzu komme, dass zusammen mit den Feststellungsbescheiden jeweils der Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags abgesandt worden sei. Der Zugang dieser Bescheide sei jedoch nicht bestritten worden. Auch sei der Umbuchung eines Umsatzsteuerguthabens auf den Verspätungszuschlag 2001 trotz Zusendung der Umbuchungsmitteilung vom 21.10.2003 nicht widersprochen worden. Die Behauptung des Klägers, die Feststellungsbescheide seien nicht angekommen, stellten eine reine Schutzbehauptung dar, nur um eine Änderung der Bescheide zu erreichen.
Mit der Klage wird u. a. vorgebracht: Dem Kläger bzw. seinem steuerlichen Berater sei erst durch das Schreiben des Finanzamts vom 11.05.2004 bekannt geworden, dass Sch...