Entscheidungsstichwort (Thema)
Antragsrecht auf die Kfz-Steuerbefreiung für Schwerbehinderte nach § 3a KraftStG kein höchstpersönliches Recht, das nicht auf die Erben übergehen könnte. Bestätigung der Schwerbehinderung durch das Landratsamt als Grundlagenbescheid für die Kfz-Steuerfestsetzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Kfz-Steuerbefreiung für Schwerbehinderte kann bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung auch noch nach dem Tod des Schwerbehinderten rückwirkend von dessen Erben beantragt werden; es handelt sich insoweit nicht um ein höchstpersönliches Antragsrecht des verstorbenen Fahrzeughalters, das nicht auf dessen Rechtsnachfolger übergehen kann.
2. Der Feststellungsbescheid einer Behörde (hier: Landratsamt) über die Eigenschaft des Fahrzeughalters als Schwerbehinderter reicht jedenfalls dann als Grundlagenbescheid zur Änderung einer bestandskräftigen Kfz-Steuerfestsetzung aus, wenn die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises wegen des kurzen Zeitraums zwischen dem Ergehen des Feststellungsbescheides und dem Ableben des Halters keinen Sinn mehr machen und sich als bloße Formalität darstellen würde.
3. Die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises ist keine gesetzliche Voraussetzung für das Bestehen der Schwerbehinderteneigenschaft, der Ausweis dient nur der Erleichterung, die jeweiligen Ansprüche wahrnehmen zu können.
4. Im Streitfall: Nachweis der ca. fünf Monate vor dem Tod des Erblassers eingetretenen Schwerbehinderung nicht durch einen Schwerbehindertenausweis, sondern durch ein Schreiben des Landratsamts; von den Erben nachträglich beantragte Steuerbefreiung für das bereits vor dem Tod des Erblassers abgemeldete und bis zur Abmeldung unstreitig nicht zweckwidrig verwendete Fahrzeug vom Finanzgericht zuerkannt.
Normenkette
KraftStG § 3a Abs. 1, 3 S. 1; AO § 45 Abs. 1 S. 1, § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; BGB § 1922 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 26. Januar 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. März 2018 wird aufgehoben.
2. Der Beklagten wird verpflichtet, den Steuerbescheid vom 18. Mai 2017 dahingehend zu ändern, dass die Steuerbefreiung nach § 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) rückwirkend ab dem 24. Februar 2017 bis 7. Mai 2017 gewährt und die Kraftfahrzeugsteuer demgemäß für die Zeit
- • vom 3. August 2016 bis 23. Februar 2017 auf 55 EUR und
- • vom 24. Februar 2017 bis 7. Mai 2017 auf 0 EUR
festgesetzt wird.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben, § 151 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob für ein bereits abgemeldetes Kraftfahrzeug noch nach dem Tod des Berechtigten auf Antrag von dessen Rechtsnachfolger die Steuerbefreiung für behinderte Personen (§ 3a Abs. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes – KraftStG –) zu gewähren ist.
Die Kläger sind Miterben in ungeteilter Erbengemeinschaft des am 18. Juli 2017 verstorbenen B. Der Erblasser (i.F.: Halter) war bis zur Abmeldung des Fahrzeugs am 7. Mai 2017 Halter des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen xx-xx xxx gewesen. Aufgrund der Abmeldung hatte das beklagte Hauptzollamt (der Beklagte) die bisherige Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung mit Bescheid vom 18. Mai 2017 nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG geändert und die Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung von bisher jährlich 100 EUR für den nunmehr verkürzten Zeitraum von nur noch 278 Tagen auf 75 EUR reduziert. Der Änderungsbescheid war bestandskräftig geworden.
Nach dem Tod des Halters beantragten die Kläger als dessen Rechtsnachfolger beim Beklagten mit Schreiben vom 15. Januar 2018, das streitgegenständliche Fahrzeug nach § 3a Abs. 1 KraftStG rückwirkend für die Zeit ab dem 24. Februar 2017 vollständig von der Kraftfahrzeugsteuer zu befreien. Dem Schreiben war ein Bescheid des Landratsamts X vom 22. Juni 2017 beigefügt, mit dem festgestellt worden war, dass beim Halter seit dem 24. Februar 2017 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 vorgelegen hatte. Ferner waren für den Erblasser seit diesem Zeitpunkt die Merkzeichen G, B, H, aG und RF festgestellt worden. In ihrem Antrag auf Steuervergünstigung für Schwerbehinderte erklärten die Kläger ferner, dass das streitgegenständliche Fahrzeug seit dem im Ausweis der Versorgungsbehörde angegebenen Zeitpunkt bis zum Tag des Antrags auf Kraftfahrzeugsteuervergünstigung nicht zweckfremd verwendet worden sei. Der Umstand der nicht zweckfremd...