Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für ein Kleinkind bei vorübergehendem Zweitwohnsitz des Vaters im Ausland
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Kindergeldanspruch besteht auch dann, wenn ein Kleinkind zwar tatsächlich keinen Wohnsitz im Inland hat, aber von Geburt an den vorübergehend beruflich begründeten Zweitwohnsitz seines leiblichen Vaters in einem Drittland teilt und durch den leiblichen Vater einen Wohnsitz im Inland vermittelt bekommt.
2. Melderechtliche und bürgerlich-rechtliche Vorschriften über die Begründung, Beibehaltung und Aufgabe eines Wohnsitzes sind für die Auslegung des § 8 AO zur Bestimmung des Wohnsitzes unmaßgeblich.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3, § 32 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 2 S. 1; BGB § 1626a Abs. 2, § 11 S. 1; FGO § 47 Abs. 2 S. 1, § 101 S. 1; AO §§ 8, 122 Abs. 2 Nr. 1, § 108 Abs. 3
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 26. September 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 2007 verpflichtet, Kindergeld für den am 29. Januar 2006 geborenen Sohn des Klägers X für die Zeit von Januar 2006 bis einschließlich April 2007 in Höhe von monatlich 154 EUR festzusetzen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet. Übersteigen die Kosten den Betrag von 1.500 EUR, hat der Gläubiger in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags stets Sicherheit zu leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Kindergeld für den am 29. Januar 2006 in Brasilien geborenen Sohn des Klägers X für die Zeit von Januar 2006 bis einschließlich April 2007.
Der Kläger, der nach seinen eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren für seinen privaten Arbeitgeber in den letzten zehn Jahren in mehr als zwanzig Ländern weltweit immer wieder tätig war, ist der leibliche Vater des am 29. Januar 2006 in Brasilien während einer beruflichen Entsendung des Klägers nichtehelich geborenen Kindes X. Die Mutter dieses Kindes ist eine Brasilianerin. Der Kläger lebte – nach seinen eigenen unbestrittenen Angaben – mit seinem Sohn und der Mutter dieses Kindes von Geburt an in Brasilien in einer angemieteten Wohnung in häuslicher Gemeinschaft zusammen.
Der Arbeitgeber des Klägers hob die Entsendung nach Brasilien am 5. März 2007 auf und entsandte den Kläger anschließend – ohne Zwischentätigkeit in Deutschland – nach Großbritannien. Der Kläger nahm seinen Sohn und die Mutter des Kindes von Brasilien nach Großbritannien mit. Auch dort lebte der Kläger – nach seinen eigenen unbestrittenen Angaben – mit seinem Kind und der Mutter des Kindes ab dem 10. Mai 2007 zusammen in häuslicher Gemeinschaft. Seit Mai 2008 arbeitet der Kläger wieder in Deutschland. Sein Sohn und die Mutter des Kindes leben nunmehr ebenfalls in Deutschland. Kindergeld erhält der Kläger für seinen Sohn X beginnend mit dem Zeitpunkt des Aufenthalts des Kindes in Großbritannien, Mai 2007.
Der Kläger ist mit einer deutschen Frau verheiratet und hat neben dem vorgenannten Sohn zwei weitere, inzwischen erwachsene eheliche Kinder. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger während seiner vielfältigen beruflichen Entsendungen – so auch während des streitgegenständlichen Zeitraums und des Aufenthalts in Brasilien – ununterbrochen einen inländischen Hauptwohnsitz in dem ehelichen Anwesen im in A hatte. Im Verwaltungsverfahren führte der Kläger – trotz seiner beruflich bedingten Auslandsaufenthalte – den Schriftwechsel unter seiner inländischen Anschrift. Der Kläger hat diesen Wohnsitz auch heute noch inne.
Der Antrag des Klägers auf Kindergeld für ein weiteres Kind vom 26. Juli 2006, Eingang bei der Beklagten am 8. August 2006, wurde mit Bescheid vom 26. September 2006 von der Beklagten abgelehnt. Der hierauf vom Kläger eingelegte Einspruch vom 14. Oktober 2006, Eingang bei der Beklagten am 17. Oktober 2006, wurde mit Einspruchsentscheidung der Beklagten vom 31. Januar 2007 als unbegründet zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 28. Februar 2007, das bei der Beklagten am 2. März 2007 eingegangen ist und nach Weiterleitung dem Finanzgericht am 5. März 2007 zuging, erhob der Kläger Klage.
Der Kläger ist der Ansicht, dass der Wohnsitz seines Sohnes im streitgegenständlichen Zeitraum auch in Deutschland gewesen sei, weil er – der Kläger – dort einen Hauptwohnsitz gehabt habe. Er – der Kläger – habe seinen Sohn von Geburt an aufgezogen und mit ihm zusammen gelebt. Der Sohn sei nur deshalb in Brasilien geboren und habe dort nach der Geburt zunächst auch einige Zeit gelebt, weil er – der Kläger – dorthin vorübergehend von seinem Arbeitgeber entsandt worden sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Ablehnungsbescheid vom 26. September 2006 in Gestalt d...