Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung eines unanfechtbaren Erbschaftsteuerbescheids mit der Verpflichtungsklage. Änderung eines unanfechtbaren Erbschaftsteuerbescheids wegen doppelter Berücksichtigung einer Erbschaft in einem schweizer Erbschaftsteuerbescheid
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Änderung eines unanfechtbar gewordenen Erbschaftsteuerbescheids ist mit der Verpflichtungsklage geltend zu machen.
2. Die Änderung eines Erbschaftsteuerbescheides gemäß § 174 Abs. 4 AO kommt nur dann in Betracht, wenn der Erbe an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt war.
3. Der Erbschaftssteuerbescheid ist nach § 174 Abs. 1 AO zu ändern, wenn der auf den Erbanteil entfallende Anteil an einem in der Schweiz belegenen Grundbesitz des Erblassers auch in einem schweizer Erbschaftsteuerbescheid zuungunsten des Erben berücksichtigt worden ist.
4. Der Anwendungsbereich des § 174 Abs. 1 AO erfasst auch ausländische Steuerbescheide.
5. Die mehrfache Berücksichtigung des Sachverhalts entfällt nicht deshalb, weil die von dem Erben auf die schweizerische Steuerfestsetzung entrichtete Steuer auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet wird.
6. Die Berücksichtigung der im Ausland anfallenden Erbschaftsteuer bei der Bestimmung des Steuersatzes durch den Progressionsvorbehalt steht der Anwendung des § 174 Abs. 1 Satz 1 AO nicht entgegen.
Normenkette
AO § 174 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 2 Nr. 1, § 6 Abs. 2; ErbStG § 12 Abs. 7, § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 2; BewertG § 31 Abs. 1, § 9 Abs. 1; AEUV Art. 63 Abs. 1, Art. 64; DBA CHE Art. 5 Abs. 1, Art. 8 Abs. 2 S. 3, Art. 10 Abs. 1 Buchst. a
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 25. Januar 2012 und der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2012 wird das beklagte Finanzamt verpflichtet, den gegenüber dem Kläger hinsichtlich des Erwerbs von Todes wegen nach Frau A ergangenen Bescheid vom 31. März 2011 zu ändern und die Erbschaftsteuer auf 1.140 EUR herabzusetzen.
2. Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, darf sie nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann das Finanzamt die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des festgesetzten Erstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt (FA) verpflichtet ist, die gegenüber dem Kläger auf Ableben der A (Erblasserin) erfolgte Festsetzung der Erbschaftsteuer zu seinen Gunsten zu ändern.
Der Kläger ist einer der Geschwister der am 1. April 2009 verstorbenen Erblasserin. Diese war Schweizer Staatsbürgerin, wohnte zuletzt in CH- X (Kanton B) und war Witwe des vorverstorbenen Ehemann, mit dem sie vor dem Notar N in Y am 12. Dezember 2005 einen Ehe- und Erbvertrag geschlossen hatte; über eine ständige Wohnstätte in Deutschland verfügte sie in den letzten fünf Jahren vor ihrem Tod nicht. Aufgrund der in dem Ehe- und Erbvertrag von seiner Schwester getroffenen letztwilligen Verfügungen wurde der Kläger – ebenso wie seine weiteren noch lebenden Geschwister – als Miterbe zu 1/10 an ihrem Nachlass beteiligt. Zu diesem Nachlass gehörten u. a. zwei zu privaten Wohnzwecken genutzte Grundstücke in X/ Schweiz, die nach dem Tod der Erblasserin alsbald für 3.200.000 CHF verkauft worden sind. Mit Verfügung vom 20. September 2009 führte die Steuerverwaltung des Kantons B eine ErbschaftsteuerVeranlagung durch und setzte gegenüber dem Kläger ausgehend von einem Vermögensanfall in Höhe von 119.400 CHF Erbschaftsteuer in Höhe von 6.444 CHF fest (FG-Akte Bl. 77 ff.); in die Ermittlung des Vermögensanfalls des Klägers sind die Grundstücke mit ihren amtlichen Werten in Höhe von insgesamt 830.300 CHF anteilig eingegangen.
Nachdem das beklagte FA von der Erbschaft des Klägers Kenntnis erlangt hatte, forderte es ihn unter Übersendung der amtlichen Erklärungsvordrucke mit Schreiben vom 31. Januar 2011 auf, eine Erbschaftsteuererklärung auf Ableben der Erblasserin abzugeben (ErbSt-Akten Bl. 33). In der daraufhin am 14. März 2011 eingereichten Erbschaftsteuererklärung (ErbSt-Akten Bl. 45 ff.) machte der Kläger lediglich Angaben zur Person der Erblasserin, wobei er namentlich auch deren schweizerische Staatsangehörigkeit angab. In der beigefügten Anlage Erwerber hat er in Zeile 49 f. darauf hingewiesen, dass die Erblasserin in Deutschland keinerlei Vermögen hinterlassen habe. Ebenfalls vorgelegt hatte er eine Teilungsabrechnung des Erbschaftsliquidators vom 29. November 2010, ausweislich derer der Kläger auf seinen 1/10 Erbteil bereits 300.000 CHF erhalten hatte und noch ein Guthaben in Höhe von 30.450,40 CHF zur...