Entscheidungsstichwort (Thema)
Gestaltungsmissbrauch bei Wahl der Steuerklassen V/III und der getrennten Veranlagung, wenn keine erheblich unterschiedliche Einkommen vorliegen und der Lohnsteuerabzug nach der Steuerklasse IV vorzunehmen gewesen wäre
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Wahl der Steuerklassen V/III und der Antrag auf getrennte Veranlagung stellen einen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO dar, wenn die Kombination der Wahlrechte erkennbar den Zweck verfolgt, einerseits eine Steuererstattung bei dem einen Ehegatten zu erreichen, andererseits aber die Durchsetzung der damit verbundenen Steuernachforderung bei dem anderen Ehegatten zu vereiteln.
2. Wird durch die Wahl der Steuerklassen und dem Antrag auf getrennte Veranlagung eine unangemessene Gestaltung gewählt, die im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehen Vorteil führt, ist die Zusammenveranlagung den wirtschaftlichen Vorgängen angemessen und die beantragte getrennte Veranlagung abzulehnen.
Normenkette
AO § 42; EStG § 38a Abs. 2, § 38b S. 2 Nrn. 4, 3 a) bb), Nr. 5, § 26; ZPO § 850e S. 1 Nr. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob für das Streitjahr 2007 eine getrennte Veranlagung durchführen ist.
Die Klägerin und der Beigeladene sind verheiratet und leben nicht dauernd getrennt. In den Jahren 2002 bis 2006 und im Streitjahr 2007 erzielten sie ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Dabei wurde die Lohnsteuer vom Lohn der Klägerin nach Maßgabe der Lohnsteuerklasse V und vom Lohn ihres Ehemannes – des Beigeladenen – nach Maßgabe der Lohnsteuerklasse III einbehalten. Das Bruttogehalt belief sich während dieses Zeitraums auf folgende Beträge:
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Bruttolohn Klägerin |
Bruttolohn Beigeladener |
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Steuerklasse V |
Steuerklasse III |
2002 |
29.427 EUR |
42.502 EUR |
2003 |
30.805 EUR |
42.800 EUR |
2004 |
32.615 EUR |
45.000 EUR |
2005 |
35.358 EUR |
45.393 EUR |
2006 |
38.973 EUR |
47.540 EUR |
2007 |
40.037 EUR |
47.090 EUR |
Für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2006 wurde die Klägerin antragsgemäß getrennt zur Einkommensteuer veranlagt, woraus sich für die Klägerin Erstattungsansprüche in Höhe von insgesamt 24.531 EUR und für den Kläger Nachzahlungsverpflichtungen in Höhe von insgesamt 25.412 EUR ergaben. Seinen Zahlungsverpflichtungen aus den Einkommensteuerfestsetzungen 2002 bis 2006 kam der Beigeladene nicht nach. Die Zwangsvollstreckung des Finanzamts – FA – blieb aufgrund von Vorpfändungen Dritter erfolglos (s. Mitteilung der Arbeitgeberin des Beilgeladenen vom 19. April 2004, Bl. 57 d. A.).
Für das Streitjahr 2007 wurde auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin und des Beigeladenen zunächst die Steuerklasse I eingetragen. Auf Antrag der Klägerin und des Beigeladenen wurde die Steuerklasse für die Klägerin in V und für den Beigeladenen in III geändert. Mit beim FA am 28. Januar 2008 eingegangener Einkommensteuererklärung (Bl. 15 ff. d. Rechtsbehelfsakte) beantragte die Klägerin für das Streitjahr erneut die Durchführung der getrennten Veranlagung. Mit Bescheid vom 25. Februar 2008 (Bl. 9 d. Rechtsbehelfsakte) lehnte das FA die Durchführung der getrennten Veranlagung ab. Zwar lägen unzweifelhaft die Voraussetzungen für die Ausübung des Wahlrechts vor. Jedoch stelle die Kombination der Wahl der Lohnsteuerklassen III und V einerseits und dem Antrag auf getrennte Veranlagung andererseits, mit der das Ziel verfolgt werde, die Realisierung der Steuer gegen den Beigeladenen dauerhaft zu vermeiden, einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 der Abgabenordnung – AO – dar.
Der am 5. März 2008 erhobene Einspruch der Klägerin, mit dem sie weiterhin eine getrennte Einkommensteuerveranlagung begehrte, wurde mit Einspruchsentscheidung vom 24. September 2008 (Bl. 4 ff. d. Gerichtsakte) zurückgewiesen.
Mit der hiergegen am 23. Oktober 2008 erhobenen Klage lässt die Klägerin geltend, machen, die Kombination der Steuerklassen III und V mit dem Antrag auf getrennte Veranlagung sei nicht missbräuchlich im Sinne des § 42 AO. Etwa 10 % des jährlichen Arbeitseinkommens der Klägerin bestehe aus einer Prämie, so dass für die Klägerin zu Beginn des Jahres nicht erkennbar sei, welche der möglichen Steuerklassenkombinationen (III und V oder IV und IV) sich im Laufe des Jahres als günstiger erweise. Das FA verkenne, dass schon seit 1994 die getrennte Veranlagung durchgeführt werde und die Klägerin jährlich eine Steuererstattung erhalte. Es sei damit eine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten. Überdies sei der vom Bundesfinanzhof – BFH – in seinem Urteil vom 15. Juli 2004 – III R 66/98 – entschiedene Fall mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar, da Gläubiger des Beigeladenen fremde Dritte seien. Vom pfändbaren Arbeitseinkommen des Beigeladenen erhalte die Klägerin nichts.
Die Klägerin beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 25. Februar 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 24. September 2008 aufzuheben und das Finanzamt zu verpflichten, für de...