Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine doppelte Haushaltsführung bei Eingliederung in den Haushalt der Eltern
Leitsatz (redaktionell)
1. Unterhält ein Steuerpflichtiger im Einfamilienhaus seiner Eltern keinen eigenen Hausstand und trägt er keine Kosten der Wohnungsüberlassung, liegen die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung nicht vor.
2. Je länger ein unverheirateter Steuerpflichtiger auswärts tätig ist, desto mehr spricht dafür, dass die eigentliche Haushaltsführung und auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen an den Beschäftigungsort verlegt werden und der Wohnraum im Elternhaus der Eltern nur noch für Besuchszwecke bei den Eltern bereitgestellt wird.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der ledige Kläger ist Dipl.-Ing. (FH); er erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und wird zur Einkommensteuer für die Streitjahre 2002 und 2003 veranlagt. In den Einkommensteuererklärungen für 2002 und 2003 machte der Kläger Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend und gab an, sein Wohnort sei X und sein Beschäftigungsort sei seit dem 01.10.1998 in Y. Ebenfalls seit dem 01.10.1998 unterhalte er einen eigenen Hausstand in Baiersbronn (bei Y).
In den Einkommensteuerbescheiden für 2002 vom 07.02.2006 und für 2003 vom 29.07.2005 wurden die geltend gemachten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung nicht berücksichtigt, da ein eigener Hausstand in X nicht nachgewiesen worden sei. Statt dessen wurden die geltend gemachten Familienheimfahrten als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte berücksichtigt.
Mit den Einsprüchen wandte sich der Kläger gegen die Nichtanerkennung der doppelten Haushaltsführung. Die Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 09.02.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung führt u. a. aus: Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er einen eigenen Hausstand in X unterhalte. Die gesetzliche Regelung, wonach eine doppelte Haushaltsführung „nur” bei Bestehen eines eigenen Hausstands am Lebensmittelpunkt möglich sei, sei auch auf Zeiträume vor 2004 anzuwenden (§ 52 Abs. 12 Satz 4 EStG 2004). Auch nach der früheren Regelung wäre Berücksichtigung nicht möglich gewesen. Damals sei der Abzug der Aufwendungen bei Ledigen ohne eigenen Hausstand auf 2 Jahre begrenzt gewesen. Der Kläger habe aber nach seinen Angaben in den Steuererklärungen bereits 1998 den doppelten Haushalt begründet, so dass die 2-Jahres-Frist in den Streitjahren 2002 und 2003 abgelaufen gewesen sei.
Der Kläger hat durch Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 22.02.2006 Klage erhoben. Er bringt u. a. vor: Streitig sei die Frage der doppelten Haushaltsführung, wobei seitens der Finanzverwaltung wohl die sogenannte Aufspaltungstheorie zum Tragen komme. Der BFH habe am 05.03.2009 im Verfahren VI R 23/07 – und wohl in vier weiteren Verfahren – über Fragestellungen der doppelten Haushaltsführung eine Entscheidung getroffen. Es sei von einer Änderung der Rechtsprechung auszugehen.
Mit Schreiben vom 20.10.2009 bringt der Kläger u. a. vor: Der persönliche Lebensmittelpunkt des Klägers liege in X, wo ihm seit Jahren eigener Wohnraum im Dachgeschoss des elterlichen Hauses (unentgeltlich) zur Verfügung stehe. Der eigene Wohnraum sei auch äußerlich erkennbar, da eine eigene Klingel bestehe. Der weitere Wohnsitz in den Streitjahren 2002 und 2003 werde aus beruflichen Gründen unterhalten, da die Entfernung zum Arbeitgeber in Y eine tägliche Hin- und Herfahrt, wie auch in den Vorjahren, nicht vertretbar erscheinen lasse. Dieser zweite Wohnsitz befinde sich in eigenen Räumen (Eigentumswohnung). Sowohl nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.12.2002 (2 BvR 400/98) als auch nach neueren Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (u.a. Az. VI R 23/07) liege eine Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung vor.
Der Kläger stellt den Antrag aus dem Schreiben vom 20.10.2009,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er bringt u. a. vor: Der Kläger habe zum Sachverhalt wenig brauchbare Angaben gemacht. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger in den elterlichen Haushalt eingegliedert gewesen sei und am Arbeitsort erstmals einen eigenen Hausstand begründet habe. Ein „Wegverlegungsfall” im Sinne der neueren BFH-Rechtsprechung liege nicht vor.
In der mündlichen Verhandlung am 22.10.2009 hat der Klägervertreter drei Aufnahmen von der Klingelanlage am Einfamilienhaus der Eltern des Klägers übergeben und dazu ausgeführt: Das obere Klingelschild („a + b A”) bezeichne den Kläger und dessen Bruder B. Beide hätten je ein Zimmer im Dachgeschoss des Elternhauses. Daneben befinde sich im Dachgeschoss ein weiteres (gemeinsames) Zimmer, das beide Söhne als Computer- und Hobbyraum nutzten und das man auch als Wohnzimmer bezeichnen könnte. Daneben sei im Dachgeschoss eine ...