Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösung einer Ansparrücklage als neue Tatsache. Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Umstand, dass die Anschaffung eines nach § 7g EStG begünstigten Wirtschaftsguts bis zum zweiten auf die Rücklagenbildung folgenden Wirtschaftsjahr unterblieben und die Rücklage aufzulösen ist, ist eine Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.
2. Wird die Steuererleichterung des § 7g EStG im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG in Anspruch genommen, ergibt sich eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen hinsichtlich der Auflösung der Rücklage.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 7g
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gegeben sind.
Die Kläger (Kl) wurden für das Streitjahr 1999 – wie bereits für die Vorjahre 1997 und 1998 – als Eheleute zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt. Sie erzielten in diesen Jahren jeweils neben den ihnen gezahlten Gehältern für nichtselbstständige Arbeit im Dienste des Rundfunkorchesters einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt weitere Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit als Musiker bzw. als Musikdozent. Der Kl – ein Posaunist – ermittelte seine Einkünfte dergestalt, dass er bestimmte als „Gemeinkosten” bezeichnete Aufwendungen (wie etwa für sein häusliches Arbeitszimmer, Telekommunikation, Fachliteratur und Noten sowie die „Abschreibung auf Anlagevermögen” – dazu rechneten in den Jahren 1997 und 1998 im wesentlichen ein Frack sowie eine Video- und Camcorderanlage –) zunächst aufaddierte und sodann nach dem Verhältnis der Einnahmen zueinander auf seine Einkünfte aus nichtselbstständiger und aus selbstständiger Tätigkeit verteilte, wo er sie neben weiteren – den Einkünften unmittelbar zuzuordnenden – Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben geltend machte.
In seiner (im Streitjahr) am 7. Mai 1999 als Anlage zur ESt-Erklärung 1997 eingereichten Einnahmen-Überschuss-Rechnung machte der Kl bei den Betriebsausgaben neben den Gemeinkosten u. a. auch einen Betrag von 16.000 DM als Ansparabschreibung für den „Kauf einer neuen Posaune in 1999 für 32.000 DM” geltend, den das beklagte Finanzamt (der Beklagte – Bekl –) erst aufgrund eines im Juli des Streitjahrs erhobenen Einspruchs mit geändertem ESt-Bescheid für 1997 vom 25. Oktober 1999 anerkannte. Tatsächlich erwarb der Kl eine solche Posaune indessen weder im Jahre 1998 noch im Streitjahr 1999.
Für das Streitjahr beauftragten die Kl erstmals ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten anstelle ihres früheren steuerlichen Beraters mit der Erstellung ihrer Steuererklärung, die am 28. März 2001 beim Bekl einging. In seiner Einnahmen-Überschuss-Rechnung für seine Tätigkeit als Musiker und Dirigent führte der Kl bei seinen Betriebsausgaben neben den im Einzelnen aufgelisteten Reisekosten (Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwand) für mehr als 30 Veranstaltungen nur noch eine weitere Position „Gemeinkosten lt. Anlage” auf. In dieser Gemeinkostenaufstellung war unter anderem eine Tabelle „Abschreibung auf Anlagevermögen” enthalten, in der lediglich ein Camcorder, ein CD-Player, eine „Pagode E 09” für 2.260 DM, eine Regalwand und ein Computer aufgelistet waren. Eine Betriebseinnahme für die Auflösung der Ansparrücklage erklärte der Kl nicht.
Der Bekl brachte bei den Sonderausgaben der Kl die im Streitjahr erstattete Kirchensteuer in Abzug und veranlagte die Kl ansonsten erklärungsgemäß. Der ESt-Bescheid für das Streitjahr vom 16. Mai 2001, später durch Bescheid vom 6. August 2001 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert, wurde bestandskräftig.
Im April 2002 wurde der für den Steuerfall der Kl zuständige Sachbearbeiter des Bekl auf den Umstand aufmerksam, dass die im Streitjahr vorzunehmende Auflösung der Ansparrücklage unterblieben war, unternahm jedoch zunächst nichts (ESt-Akte des Bekl, Sektion 1999, Bl. 49). Anlässlich einer erneuten Überprüfung des Falles vermerkte der zuständige Sachgebietsleiter des Bekl unter dem 12. März 2003 handschriftlich am Rand der Tabelle „Abschreibung auf Anlagevermögen” bei den für das Jahr 1998 erklärten Gemeinkosten die Notiz: „Ansparabschreibung für Posaune? Offensichtlich wegen fehlenden Anlageverzeichnisses nicht überwacht!”
Anschließend änderte der Bekl mit Bescheid vom 21. März 2003 die ESt-Veranlagung der Kl für das Streitjahr, erhöhte den Gewinn des Kl aus selbstständiger Arbeit um 16.000 DM zuzüglich eines Gewinnzuschlag von 1.920 DM und berief sich für die Änderung auf die Vorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sowie auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. April 1997 IV R 47/96 (BFH/NV 1997, 757).
Der gegen die Änderung erhobene Einspruch, mit dem die Kl einräumten, dass die geplante Investition des Kl in eine neue Posaune im Streitjahr nicht erfolgt war, hatte im Streitpunkt keinen Erfolg.
Mit ihr...