Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspätungszuschlag bei vom Steuerberater rechtzeitig erstellter, aber trotzdem erheblich verspätet abgegebener Steuererklärung; Verspätungszuschlag verfassungskonform; Heilung von Verfahrensfehlern des FA nach Erhebung einer Untätigkeitsklage
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Steuerberater bereits vor Ablauf der vom FA gesetzten Frist zur Abgabe der Steuererklärung die betreffende Steuererklärung samt Bilanz erstellt, aber erst fast zwei Jahre nach Fristablauf beim FA eingereicht hat und die Abschlusszahlung der festgesetzten Steuer entspricht. Dass die Steuernachzahlung zusätzlich auch noch der Verzinsung unterliegt, ist insoweit genauso unbeachtlich wie der Vortrag des Steuerberaters, er verliere täglich mehrere Stunden seiner Arbeitszeit durch "Fehlleistungen" und "Mobbing" des FA.
2. Der Verspätungszuschlag stellt eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Sanktion dar.
3. Im Rahmen der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist das Verschulden des Steuerberaters dem Mandanten zuzurechnen.
4. Die Verletzung von Verfahrensvorschriften bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags (hier: keine Gewährung rechtlichen Gehörs, fehlende Begründung der Ermessenserwägungen) kann auch noch nach Erhebung einer Untätigkeitsklage geheilt werden (vgl. FG-Baden-Württemberg vom 2.11.1999 4 K 92/98, EFG 2000, 607).
Normenkette
AO 1977 § 152 Abs. 1 S. 3, Abs. 2, § 5; FGO §§ 102, 46; AO 1977 §§ 91, 121
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Verspätungszuschlags (VZ).
Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres am 11. Mai 2000 verstorbenen Ehemanns (E).
Die Ehegatten gaben die unter Mithilfe des Prozessbevollmächtigten (Pb) gefertigte Einkommensteuererklärung 1992 – trotz bestandskräftiger Ablehnung eines über den 28. Februar 1995 hinausgehenden Fristverlängerungsbegehrens – und nach Erlass des Schätzungsbescheides vom 20. November 1996 erst am 12. Dezember 1996 ab. Die Erklärung trägt das Datum 20. Juni 1994, die eingereichte Bilanz den 14. Juni 1994. Im ESt-Bescheid 1992 vom 27. Januar 1997, der im Wege der Zusammenveranlagung bei einem zu versteuernden Einkommen von … DM zu einer ESt von … DM und einer gleich hohen Abschlußzahlung, sowie Zinsen zur ESt i.H.v. … DM DM führte, wurde – ohne vorherige Anhörung – der bislang festgesetzte und mit dem Einspruch angefochtene VZ auf … DM herabgesetzt. Zur Begründung des Einspruchs trug der Pb vor, der VZ leide an formellen Mängeln. Außerdem sei E mittlerweile behindert und erwerbsunfähig und sein Einkommen werde voraussichtlich nicht ausreichen, sein Existenzminimum zu bestreiten, wobei dieses nicht näher erläutert wurde. Ferner sei der Pb aufgrund der dem FA bekannten Mitarbeitersituation nicht in der Lage, die Erklärungen rechtzeitig abzugeben. Zusätzlich wirke sich auch die Arbeitsweise und die Fehlleistungen des FA auf seine Tätigkeit völlig arbeitshemmend aus.
Mit der am 4. Dezember 1998 nur von E erhobenen Untätigkeitsklage wird zudem vorgetragen, die Festsetzung sei zu hoch, denn das FA verlange 10 % der festgesetzten Steuer. Darüber hinaus habe es bislang keine Ermessenserwägungen angestellt. Bei der Festsetzung sei zu berücksichtigen, dass die Steuernachzahlung zu verzinsen sei. Der VZ habe keinen Zweck, weil das FA mit seiner seit Jahren anhaltenden Flut von Fehlleistungen ziemlich alles in seiner Macht stehende tue, die Steuerkanzleien möglichst unnötig mit Unwichtigkeiten aufzuhalten. Mit diesen Fehlleistungen werde die tägliche Arbeitszeit des Pb wenigsten um drei bis acht Stunden täglich reduziert (vernichtet), worüber Beweis zu erheben sei. Darüber hinaus sei Beweis zu erheben, dass sich der Eingang eines erheblichen Teils der Steuererklärungen bis zu vierundzwanzig Monaten nach Ablauf des Besteuerungszeitraumes hinziehe.
In der Einspruchsentscheidung vom 2. März 1999, die zu einer Herabsetzung des VZ auf … DM führte – und auf die bezüglich der Einzelheiten verwiesen wird (Blatt 25–34 FG-Akte) – führte das FA in Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze im wesentlichen folgendes aus: Die Fristüberschreitung von 21 ½ Monaten erscheine nach Aktenlage als nicht entschuldbar, zumal die Erklärung bereits mehr als acht Monate vor Ablauf der vom FA gewährten Frist erstellt gewesen sei. Daher sei der Einwand der Arbeitsüberlastung des Pb und der Personalnot in seiner Kanzlei kein ausreichender Entschuldigungsgrund. Andere außergewöhnliche Umstände seien nicht vorgetragen. Im Übrigen sei der Situation des Pb durch großzügig gewährte Fristverlängerung ausreichend Rechnung getragen worden. Inwieweit mögliche Fehlleistungen des FA zur Fristversäumnis geführt haben sollten, sei nicht nachvollziehbar und offensichtlich abwegig. Durch die verspätete Abgabe der Erklärung sei der Veranlagungsbetrieb erheblich gestört worden. Die Abgabefrist sei schuldhaft versäumt worden. Das FA übe sein Ermessen dahingehend aus, ...