Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit eines erneuten AdV-Antrags beim FG. neue Tatsachen und Beweismittel
Leitsatz (redaktionell)
1. Von der Sperrwirkung des § 69 Abs. 6 FGO sind auch gerichtliche Anträge auf AdV erfasst, die (ohne ausdrücklich eine Änderung oder Aufhebung zu begehren) erneut gestellt werden, nachdem das FG bereits über die gleichen Streitgegenstände entschieden hat.
2. Neue Tatsachen und Beweismittel i. S. d. § 69 Abs. 6 S. 2 FGO liegen nur vor, wenn sie im Zeitpunkt der Erstentscheidung noch nicht vorgelegen haben, weil sie erst danach entstanden sind. Aufgrund einer unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Ausgangslage angestellte neue oder unveränderte rechtliche Überlegungen der Antragsteller stellen also keine veränderten Umstände in diesem Sinne dar.
3. Geschäftserfahrene und steuerlich beratene Wirtschaftsteilnehmer müssen damit rechnen, dass das FA, soweit das FG keine AdV gewährt und die Antragsteller die danach fällig bleibenden Steuerrückstände nicht begleichen, Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber den für die Antragsteller kontoführenden Instituten ausbringt.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 6
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Antragstellern auferlegt.
Gründe
Die Beteiligten streiten im Anschluss an eine Außenprüfung über eine Vielzahl von Aufwandspositionen und die Zulässigkeit des hiesigen Antrags.
Die Antragsteller werden aufgrund der am 03.12.2011 erfolgten Heirat in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Antragstellerin erzielt Einkünfte und Umsätze mit einem Betrieb, der insbesondere im Wege des Factoring ärztliche Honorarforderungen ankauft und von den Patienten einzieht. Der Betrieb wurde bis 2002 von der Antragstellerin mit ihrem ersten Ehemann als GbR geführt und ist mit der Firma C…. im Handelsregister eingetragen. Die Antragstellerin ermittelte ihre Einkünfte im Wege des Bestandsvergleichs und versteuerte ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten. Sie erklärte ausschließlich steuerpflichtige Umsätze. Die Antragstellerin zahlte den Ärzten den um das sog. Delkredere geminderten Forderungsbetrag aus.
Beim erkennenden Senat sind für die Antragstellerin seit dem 12.11.2015 diverse Verfahren anhängig bzw. anhängig gewesen, in denen für die Veranlagungs- und Erhebungszeiträume 2007 – 2010 u.a. die steuerliche Behandlung von Bewirtungen, Veranstaltungen mit Mandanten, VIP-Logen, Fortbildungen, Schulungen und Hinzuschätzungen streitig sind bzw. waren. In diesem Zusammenhang wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 02.06.2017 7 V 7029/17 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung für das Streitjahr 2007 überwiegend zurück und brachte dabei zum Ausdruck, dass er der steuerlichen Behandlung von Bewirtungen, Veranstaltungen mit Mandanten und VIP-Logen durch die Antragstellerin in wesentlichen Größenordnungen nicht folgt. Für die Streitjahre 2008 – 2010 wies der erkennende Senat einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit Beschluss vom 11.01.2018 7 V 7280/17 überwiegend als unbegründet zurück.
Ihre Steuererklärungen für die Streitjahre reichten die Antragsteller ab 2013 beim Antragsgegner ein, der sie jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagte.
Vom 01.09.2015 bis 26.07.2016 führte der Antragsgegner bei der Antragstellerin eine Außenprüfung für die Streitjahre durch. Die Prüfungsfeststellungen fasste der Antragsgegner im Bericht vom 27.07.2016 –BpB– zusammen. Danach ergaben sich u.a. gewinn- und umsatzsteuererhöhende Feststellungen zu folgenden Punkten (ausgehend vom Schriftsatz der Antragstellerin an den Antragsgegner vom 24.10.2016):
- die Höhe der Abschreibungen auf einen Geschäfts- oder Firmenwert nach Erwerb des Abrechnungsunternehmens des Herrn E… (Tz 18 BpB),
- die Höhe der Bilanzansätze für Immobilien im Betriebsvermögen der Antragstellerin (Tz 19 – 27, 48, 58 – 62 BpB),
- Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Anschluss an die Werte zum 31.12.2010 (Tz 28.a) BpB),
- Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Einzelwertberichtigungen zum 31.12.2013 (Tz 28.b) BpB),
- Belegmängel (Tz 23, 25, 34, 36, 38, 39, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 53, 54, 56, 57, 58, 59, 61, 62, 63 und 64 BpB),
- Fremdleistungen (Tz 45 BpB),
- Rechts- und Beratungskosten (Tz 46 BpB),
- F… (Tz 47 BpB),
- Gerichtskosten (Tz 49 BpB),
- VIP-Logen, Fortbildungen, Schulungen (Tz 34 – 41, 51 – 54 BpB),
- Bestand Ware, G…-straße (Tz 72 BpB),
- Hinzuschätzung (Tz 73 BpB).
Ausgehend vom Bericht vom 27.07.2016 erließ der Antragsgegner am 19.09.2016 geänderte Einkommensteuerbescheide und am 22.09.2016 geänderte Gewerbesteuermess- und Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Die Gewerbesteuermessbeträge und die Umsatzsteuer wurden wie folgt festgesetzt:
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2011 |
2012 |
2013 |
GewerbesteuerMB vor Bp |
29.683,00 EUR |
39.931,00 EUR |
36.652,00 EUR |
GewerbesteuerMB nach Bp |
109.665,00 EUR |
142.292,00 EUR |
113.113,00 EUR |
Differenz |
79.982,00 EUR |
102.361,00 EUR |
76.461,00 EUR |
Umsatzsteuer |
825.212,06 EUR |
1.006.769,30 EUR |
762.969,67 EUR |
Nachzahlung Umsatzsteuer |
433.176,36 EUR |
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