rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Persönliche bzw. wirtschaftliche Unzumutbarkeit der elektronischen Abgabe der Steueranmeldungen einer UG: unentgeltliche Mitarbeit der medienkompetenten Ehefrau des medieninkompetenten Geschäftsführers, keine zwangsweise Durchsetzung der elektronischen Abgabe nach Abgabe der Steuererklärung in Papierform und Durchführung einer erklärungsgemäßen Veranlagung
Leitsatz (redaktionell)
1. Einer Unternehmergesellschaft ist die Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung nicht i. S. d. § 150 Abs. 8 S. 1 AO wirtschaftlich unzumutbar, wenn sie die vorhandene technische Infrastruktur des Betriebes ihres Geschäftsführers unentgeltlich mitnutzen kann.
2. Ist die Unternehmergesellschaft ein Kleinstbetrieb und ihr Geschäftsführer ein 64 Jahre alter Landwirt, der überhaupt nicht mit Computern umgehen kann, so ist ihr die elektronische Datenübermittlung auch dann „persönlich unzumutbar” i. S. d. § 150 Abs. 8 S. 1 AO, wenn die Ehefrau zwar über die erforderliche Medienkompetenz verfügt und auch gelegentlich unentgeltlich im Betrieb der Unternehmergesellschaft mithilft, jedoch bei der Unternehmergesellschaft weder Geschäftsführerin noch als Arbeitnehmerin angestellt ist.
3. Kann die zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten verpflichtete Person für sich persönliche Unzumutbarkeit geltend machen, so kann der Antrag auf Verzicht auf elektronische Übermittlung der Steuererklärungen nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass die Person sich entgeltlicher Hilfe Dritter, wie z. B. eines gewerblich seine Dienste anbietenden Buchhalters, der gegen Entgelt bei der Dateneingabe und -übermittlung hilft, oder eines EDV-Services, bedienen könnte.
4. Bei der Zwangsgeldfestsetzung kann das Bestehen der zugrunde liegenden Verpflichtung – trotz § 256 AO – dann inzident geprüft werden, wenn der die Verpflichtung begründende Verwaltungsakt noch nicht bestandskräftig ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil v. 8.3.2017, 1 K 149/15; Abgrenzung zum BFH-Beschluss v. 15.12.2015 – V B 102/15).
5. Eine Verpflichtung zur elektronischen Abgabe einer Steuererklärung darf nicht mehr zwangsweise, z.B. durch Festsetzung eines Zwangsgelds, durchgesetzt werden, wenn aufgrund erfolgter Erklärungsabgabe in Papierform eine erklärungsgemäße Veranlagung erfolgt ist und in diesem Zusammenhang das FA die Daten bereits in sein Computersystem eingegeben bzw. eingelesen hat. Die unterbliebene elektronische Erklärungsabgabe kann ggf. durch die Festsetzung eines Verspätungszuschlags geahndet werden.
Normenkette
AO § 118 S. 1, § 150 Abs. 8 Sätze 1-2, §§ 5, 152, 329, 256; FGO § 102; KStG § 31 Abs. 1a S. 2; EStG § 5b Abs. 2 Sätze 1-2; BGB § 242
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 28.06.2017 verpflichtet, auf die Übermittlung der Körperschaftsteuererklärung 2015 und des Inhalts der Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung 2015 nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu verzichten.
Die Festsetzung der Zwangsgelder durch Bescheid vom 13.06.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.11.2017 wird aufgehoben.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung von Zwangsgeld wegen der Abgabe der Steuererklärung in Papierform statt elektronisch und mittelbar um die Verpflichtung des beklagten Finanzamts – FA –, auf die elektronische Abgabe zu verzichten.
I.1.
Die Klägerin ist eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) mit nur einem Geschäftsführer (im Folgenden: GF). Der GF ist von Beruf Landwirt, Geburtsjahrgang 19…, verheiratet und hat … Kinder. Er bezeichnet sich selbst als „computer illiterate” (Einspruchsvorgang, unblattiert, Schreiben vom 20.08.2017), hingegen seine Ehefrau als „Computer-Fuchs” (FG-A Bl. 58).
Der GF betreibt zum einen, hier nicht verfahrensgegenständlich und anscheinend als Inhaberunternehmen, das „B…” als landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieb mit naturgemäßer Waldwirtschaft seit … und mit ökologischer Landwirtschaft seit …, mit einem Jahresumsatz von ca. 500.000 EUR. Die Bilanzen dieses Betriebs werden von einem Steuerberater erstellt (vgl. FG-A Bl. 57). Der Betrieb verfügt über einen Email-Anschluss.
Der GF gründete zum anderen als alleiniger Gesellschafter mit notarieller Urkunde vom 29.08.2013 die Klägerin mit einem Stammkapital von 500 EUR (Vertragsakte). Gegenstand des Unternehmens ist die Anlage und der Betrieb von Kurzumtriebsplantagen.
2.
Die Klägerin gab die Umsatzsteuererklärungen 2013 und 2014 elektronisch per Elster ab, Datenübermittlung und Unterschrift des Ausdrucks am 18.02.2015, Eingang des Ausdrucks beim FA 23.02.2015. Es ergaben ...