rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht der Vergütung für die Tätigkeit eines tageweise beim Europarat beschäftigten Dolmetschers
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Vergütung, die ein in Deutschland ansässiger Dolmetscher für seine tageweise Beschäftigung beim Europarat erhält, ist weder nach dem Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates vom 2.9.1949, BGBl 1954 II S. 494 noch auf der Grundlage der Verfügungen Nr. 203 und Nr. 1201 des Generalsekretärs des Europarates steuerbefreit.
2. Der BFH, Urteil v. 16.3.2022, VIII R 33/19, hat die gegen das FG-Urteil eingelegte Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; Allgemeines Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates Art. 17, 18 Buchst. b; WÜRV Art. 31, 33 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger wurde im Streitjahr einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er war als Konferenzdolmetscher beim Europarat tätig und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung.
Mit der am 19.12.2013 eingegangenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Konferenzdolmetscher sowie Kapital- und Renteneinkünfte.
Durch Bescheid vom 21.02.2014 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2012 auf 12.291,– EUR fest. Dabei rechnete er die selbständigen Einkünfte der inländischen festen Einrichtung des Klägers zu und legte sie der inländischen Besteuerung als Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus freiberuflicher Tätigkeit zu Grunde.
Den hiergegen am 10.03.2014 erhobenen Einspruch begründete der Kläger damit, die Einnahmen aus der Tätigkeit als Dolmetscher beim Europarat seien gemäß Art. 18 Buchst. b) des Allgemeinen Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates vom 02.09.1949 (im Folgenden: Allgemeines Abkommen) steuerbefreit.
Zwar habe der Bundesfinanzhof unter Auslegung der Vorschrift ausgeführt, Vergütungen, die ein in Deutschland ansässiger Dolmetscher für seine tageweise Beschäftigung beim Europarat erhalte, fielen nicht unter die genannte Steuerbefreiung, weil diese weder „officials” noch „agents” oder „agents temporaires” seien (Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 06.08.1998 – IV R 75/97 –). Diese Entscheidung sei jedoch dadurch obsolet geworden, dass der Generalsekretär des Europarates durch Erlass Nr. 1201 vom 24.11.2004 eine ausdrückliche Regelung getroffen habe. Nach Art. 1 des Erlasses Nr. 1201 seien auf Tagesbasis bezahlte Konferenzdolmetscher (nachfolgend als „Dolmetscher” bezeichnet) für die Dauer ihrer Beschäftigung durch den Europarat zeitweise Bedienstete, die der Autorität des Generalsekretärs unterlägen. Gemäß Art. 4 des Erlasses 1201 würde den Dolmetschern im Interesse des Europarates Steuerfreiheit hinsichtlich der ihnen gezahlten Gehälter und Bezüge nach Maßgabe von Art. 18 Buchst. b) des Allgemeinen Abkommens gewährt.
Bestätigt werde dies durch den Erlass Nr. 1275 des Generalsekretärs des Europarates vom 18.04.2007. Danach umfasse der Begriff „Bedienstete auf Zeit” im Sinne dieses Erlasses alle folgenden vier Kategorien, darunter die tageweise bezahlten Konferenzdolmetscher gemäß Erlass Nr. 1201.
Die Zuständigkeit des Generalsekretärs des Europarates für den Erlass solcher Bestimmungen, durch den ein bestimmter Personenkreis für die im Rahmen der Tätigkeit beim Europarat erzielten Einnahmen steuerbefreit sei, habe der Bundesfinanzhof nicht infrage gestellt. Die Zuständigkeit des Generalsekretärs für die Bestimmung des Personenkreises sei erneut in der Verfügung des Ministerkomitees vom 07.09.2005 dargelegt worden. Teil 1 Art. 1 Nr. 3 laute: ≫Die Beschäftigungsbedingungen für die verschiedenen Kategorien von Bediensteten auf Zeit werden vom Generalsekretär in einer allgemeinen Regel festgelegt, in der festgelegt ist, welche Bestimmungen dieser Verordnung auf sie anwendbar sind≪.
Der Steuerbefreiung stehe nicht entgegen, dass die Einnahmen aus der Tätigkeit als Konferenzdolmetscher bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit erfasst würden. Denn das Allgemeine Abkommen treffe insofern keine Differenzierung und bezeichne jede Vergütung, die sich aus den geschlossenen Verträgen ergebe, als „Gehälter und Bezüge”. Dies bestätige auch die Bescheinigung des Vorsitzenden der Personalabteilung vom 12.02.2013 für das Jahr 2012, wonach der Kläger unter Art. 18 Buchst. b) des Allgemeinen Abkommens vollständig von der Steuer auf die vom Europarat gezahlten Löhne und Gehälter befreit ist.
In den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit im Jahr 2012 seien Einkünfte aus Tätigkeit als Konferenzdolmetscher für den Europarat enthalten. Nach Abzug der diesbezüglichen Betriebseinnahmen und -ausgaben ergebe sich ein (verbleibender) betrieblicher Gewinn in Höhe von 8.455,30 EUR.
Mit Schreiben vom 04.04.2014 forderte der Beklagte den Kläger zur Vorlage der genannte...