Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Entstehung eines Auflösungsgewinns- oder verlustes
Leitsatz (redaktionell)
Die allein theoretische Möglichkeit eines späteren Insolvenzplanverfahrens ist nicht geeignet, die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes bereits im Auflösungszeitraum (Eröffnung des Insolvenzverfahrens) auszuschließen.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 2, 4 S. 2
Tatbestand
Der Kläger machte im Streitjahr bei den Einkünften aus Kapitalvermögen einen Verlust in Höhe von rd. 1,7 Mio. DM aus einer Beteiligung an der xxx-GmbH geltend, an der er und ein Herr xxx zu jeweils 50 % beteiligt waren. Zur Erläuterung gab er an, dass am 1. September 1999 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der xxx eröffnet wurde. Der Beklagte berücksichtigte diesen Verlust nicht und setzte die Steuer dementsprechend fest, wobei zunächst eine Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner Ehefrau erfolgte.
Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch wurde vorgetragen, dass das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Vor Einleitung des Insolvenzverfahrens habe der Kläger der xxx noch in erheblichem Umfang Mittel zur Verfügung gestellt. Es sei jedoch mit absoluter Sicherheit auszuschließen, dass nach Abschluss des Insolvenzverfahrens Vermögenswerte verbleiben würden, die an ihn ausgekehrt werden könnten. Dass der eingetretene Verlust erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens endgültig bestätigt würde, ändere nichts an der Tatsache, dass er in der erklärten Höhe bereits im Streitjahr eingetreten sei.
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück, weil der Auflösungsverlust noch nicht im Jahre 1999 entstanden sei. Zwar sei die xxx mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst worden (§§ 60 Abs. 1 Nr. 3, 63 f. GmbH-Gesetz). Die Entstehung des Verlustes setze aber weiter voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mehr zu rechnen sei und feststehe, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen würden. Der Beklagte bezog sich insoweit auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 25. Januar 2000 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 2000, 343). Diese genannten Umstände hätten bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht festgestanden.
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung und der Rechtsprechung der Finanzgerichte bestimme sich nach Auflösung der Gesellschaft der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsgewinns- oder -verlustes nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Danach sei dieser Zeitpunkt bei einer Auflösung mit anschließender Liquidation normalerweise der Zeitpunkt des Liquidationsabschlusses, weil erst dann feststehe, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft rechnen kann, und ferner, welche nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung anfallen und welche Veräußerungs- bzw. Auflösungskosten der Gesellschafter persönlich zu tragen hat.
Hinzu komme, dass bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht sicher sei, dass es zur Vollbeendigung der Gesellschaft und damit zu einem endgültigen Liquidationsverlust der Gesellschafter kommen werde. Ziel des Insolvenzverfahrens sei nach § 1 der Insolvenzordnung nämlich „... die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird.“ Die Auflösung der Gesellschaft müsse also nicht notwendig zu deren Vollbeendigung führen. Solange aber die Möglichkeit nicht auszuschließen sei, dass eine Vollbeendigung nicht eintrete, sei eine Prüfung der jeweiligen Vermögenssituation der Gesellschaft mit dem Ziel der Feststellung, dass ein endgültiger Verlust bereits zuvor eingetreten sei, nicht vorzunehmen. Für den Streitfall bedeute dies, dass ein Verlust im Sinne des § 17 EStG nicht schon im Jahre 1999 als dem Jahr der Eröffnung des Insolvenzverfahrens steuerlich berücksichtigt werden könne. Selbst wenn der Kläger subjektiv nicht mehr mit einer wesentlichen Änderung des Verlustes rechne, stehe doch nach objektiven Gesichtspunkten der endgültige Verlust in jenem Jahr noch nicht fest. Für eine steuerliche Berücksichtigung bleibe somit der Abschluss des Insolvenzverfahrens abzuwarten.
Daraufhin haben der Kläger und seine Ehefrau fristgerecht Klage erhoben. Die Klage der Ehefrau ist während des Verfahrens zurückgenommen worden; insoweit ist bereits unter einem anderen Aktenzeichen die Verfahrenseinstellung erfolgt.
Zur Klagebegründung führt der Kläger zunächst aus, dass der geltend gemachte Verlust zutreffend nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen, sondern vielmehr ausschließlich nach § 17 EStG zu beurteilen sei, dies aber bereits im Streitjahr. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dürfe keinesfalls in der Weise verstanden werden, dass immer erst nach Abschluss der...